Ein Hörbuch-Experiment
 


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Der Welt-Detektiv – Band 12 – 4. Kapitel

Der Welt-Detektiv Nr. 12
Das Grab im Moor
Verlagshaus für Volksliteratur und Kunst GmbH Berlin

4. Kapitel

Ein dunkles Geheimnis

Drinnen erhob sich Jack Petray vom Stuhl und lauschte.

»Es ist Ben«, murmelte er, als er das Klopfzei­chen vernahm. »Lässt sich verdammt viel Zeit, der Bursche«, brummte er hinterher und schaute auf die Uhr. Dann aber beeilte er sich, die Tür zu öffnen. Er hinkte leicht und zog dabei das linke Bein etwas nach. Außer ihm schien sich weiter niemand im Haus zu befinden, denn alles ringsumher atmete tiefste Stille.

Er schob den Riegel zurück und zog die Tür auf. Der hochgewachsene, schlanke Mann drängte sich über die Schwelle und drückte die Tür rasch hinter sich zu.

»War Cred schon hier?«, stieß er hervor.

»Nein«, erwiderte Petray mürrisch. »Nun, da die Sache erledigt ist, scheint ihr keine Eile mehr zu ha­be. Dachte schon, auch diese Nacht nichts von euch zu hören!«

Sie waren mittlerweile ins Zimmer getreten, das sich Petray, der als Junggeselle lebte, ganz wohnlich eingerichtet hatte.

»Wollte Cred nicht kommen?«, brummte Petray, da Ben noch schwieg.

Der Angekommene warf den Hut auf den Tisch und fuhr sich über die Stirn.

»Ja«, antwortete er heftig, »und wenn er nicht ge­kommen ist, so kann ihn nur eine andere wichtige Angelegenheit abgehalten haben.«

Ganz dicht trat er an den ehemaligen Pförtner der Morgue heran und flüsterte.

»Wir starten morgen früh um sechs Uhr!«

»Donnerwetter!«, murmelte Jack Petray. «Jetzt ist es bereits elf vorüber! Wir werden uns beeilen müssen. Ist alles in Ordnung?«

Ben nickte. »Wir müssen die Fracht so schnell wie möglich zum Flugplatz bringen«, sagte er. »Bis um fünf Uhr muss alles erledigt sein. Wenn der Ban­kier kurz vor dem Start erscheint, darf es keinen Aufenthalt mehr geben. Wo liegen augenblicklich die drei?«

Jack Petray wandte sich um, griff zur Taschen­lampe und deutete seinem Besucher, ihm zu fol­gen. Sie ging auf den Flur hinaus, doch ehe sie zur Kellertreppe kamen, fuhr Petray zusammen.

»Da!«, flüsterte er. »Was war das?«

Ben zeigte eine verständnislose Miene. Er hatte keinerlei Geräusch gehört, lauschte nun aber doch, als er Petrays gespannte Züge sah.

»Teufel!«, stieß dieser hervor. »Es klang, als pro­biere da jemand an dem Schloss der Haustür herum.«

Er schlich über den Gang, bei jedem Schritt an­gestrengt lauschend, aber das Geräusch wiederholte sich nicht. Harry Taxon hatte sich rechtzeitig entfernt!

Jack Petray öffnete die Haustür und spähte auf die Gasse hinaus. Er sah nichts, was seine Aufmerk­samkeit erregt hätte. Brummend warf er die Tür wieder zu und kehrte zu Ben zurück, der etwas von Gespensterchen vor sich hin knurrte. Dann ging es über die ausgetretene, steinerne Treppe in den Kel­ler hinab. Eine eisige Luft schlug innen entgegen. Ganz deutlich war das Wasser hörbar, das von drau­ßen an die Hauswand klatschte.

In einem der Kellerräume bot sich ihnen ein un­heimliches Bild. Drei Tote lagen hier auf dem kalten Steinboden.

Ben wandte sich, von einem leichten Schauder gepackt, ab.

»Zeige mir die Luke, durch die wir sie fortschaffen können«, sagte er mit vibrierenden Stimme.

Jack Petray kicherte.

»Scheinst noch keine toten Menschen gesehen zu haben?«, grinste er. »Hättest früher einmal in die Morgue kommen müssen, als ich noch dort war!«

Der Besucher machte eine unwillige Bewegung.

»Die Luke, zum Teufel!«, schimpfte er. »Wo ist sie?«

Petray hinkte zum Nebenraum und wies zu einer Klappe empor, die fast unter der Decke angebracht war. Sie war aus Stahl und durch einen einfachen Mechanismus zu öffnen.

»Sie liegt einen halben Meter über dem Wasser­stand der Themse«, flüsterte er. »Es ist eine Kleinig­keit, die da drinnen mit einem Boot fortzubringen.«

Ben nickte. Die Lösung schien restlos zu befrie­digen.

»Allright«, sagte er. »Ich bin spätestens um zwölf Uhr zurück. Bereite bis dahin alles vor.«

»Soll geschehen. Hast du das Boot schon gemie­tet?«

»Ja. Ein Motorboot. Buiness hat die Sache ver­mittelt. Es liegt schon am Victoriasteg.«

»Also gut«, meinte Petray zufrieden und rieb sich die Hände. »Beeile dich. Aber halt! Noch etwas, ehe du gehst! Wie stehen die Aktien?« Er tippte den Be­sucher grinsend in die Seiten. »Unsere Aktien meine ich! Gut, wie? Oder sollte das Jüngelchen von In­spektor etwa doch den Braten riechen?«

Der andere wehrte geringschätzig ab.

»Pah, von Tyst haben wir nichts zu befürchten. Er tappt noch immer im Dunkeln herum. Verdammt genug, wenn es anders wäre!«

»Habt ihr nur mir zu verdanken«, kicherte Petray und rieb sich das Kinn. »Nur mir! Es gibt in London keinen anderen, der so gut in der Morgue Bescheid weiß wie Jack Petray. Teufel, ja! Kaum zehn Minu­ten haben wir gebraucht, um die drei Leichen herauszuholen …«

Sie stiegen wieder die Treppe hinauf.

»Also in einer Stunde!«, murmelte Ben. »Ich wer­de dich an der Luke erwarten«, konstatierte Petray und führte seinen Besucher durch den dunklen Gang zur Haustür.

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