Die Kolonie
C.J. Tudor
Die Kolonie
Originaltitel: The Gathering
Thriller, Paperback, Klappenbroschur, Goldmann, München, 22. Januar 2025, 480 Seiten, 16,00 EUR, ISBN 978-3-442-20651-3, Aus dem Englischen von Marcus Ingendaay, E-Book 9,99 EUR
In einer Kleinstadt in Alaska wird ein Junge tot aufgefunden. Seine Kehle ist zerfetzt, seinem Körper alles Blut entwichen. Die Brutalität des Mordes erinnert an eine Tat, die 25 Jahre zurück liegt. Detective Barbara Atkins wird zur Unterstützung von Sheriff Jensen Tucker hinzugezogen, der den ursprünglichen Fall untersucht hatte. Die Einwohner von Deadhart glauben jedoch zu wissen, wer der Schuldige ist: ein Mitglied der nahe gelegenen Vampirkolonie, die in einer alten Bergbausiedlung tief in den Bergen lebt. Barbara gerät unter Druck, die gesamte Kolonie gezielt töten zu lassen. Doch die Beweise sind nicht stichhaltig, und die Menschen lügen. Dann verschwindet ein weiterer Teenager. Barbara und Tucker bleibt nicht mehr viel Zeit, um die Wahrheit herauszufinden: Jagen sie einen kaltblütigen Mörder – oder ein blutdürstiges Monster?
»Während andere gleichaltrige Kinder Jugendbücher lasen, verschlang sie die Romane von Stephen King und James Herbert«, so laut Biografie der offiziellen Website. Mag sein, doch von C. J. Tudors beschriebener Horroraffinität merkte man bislang kaum etwas. Überhaupt waren ihre bislang veröffentlichten Romane lupenreine Thriller ohne übernatürliche An- oder Beiklänge.
Mit Survivor (2023) änderte sich das. Peripher ein weiterer Thriller enthüllte das Buch sukzessive das wahre Naturell – das eines Endzeitromans. Die Kolonie indessen spielt von Beginn an mit offenen Karten. Ein Thriller? Gewiss. Aber einer mit Vampiren.
Blutsauger in der zugeschneiten Einöde Alaskas? Einen Bogen zum wegweisenden Comic 30 Days of Night zu spannen, erscheint logisch, ist aber für eine erfahrene Autorin arg plump. Das sie sich dennoch etwas mehr als ein wenig davon hat inspirieren lassen, steht außer Frage. Kunststück, bei einer solchen Ausgangssituation: das Misstrauen einer Kleinstadt mitten in der eingeschneiten Einöde Alaskas, kaum Tageslicht, die verhasste Vampirkolonie, die unweit in einem ehemaligen Bergwerk haust … Es brodelt praktisch in einer Tour, wie Detektive Barbara Atkins vom Institut für Forensische Vampirstudien bei ihrer Ankunft in Deadhart feststellt. Alle und jeder wissen allerdings längst, wer hinter dem brutalen Mord eines Jungen steckt, der frappierend an einen ungelösten 25 Jahre alten Fall erinnert. Einzig offen aussprechen will man es nicht. Bis auf Ausnahmen. Da kommt eine Tussi aus dem arroganten wie fernen New York den Leuten gerade recht. Wo der Mob und selbst kirchliche Institutionen längst vergangene und teils verbotene Methoden fordern, agiert Barbara besonnen – sofern man es ihr gönnt. Dass das Gros der Gemeinde zudem dicht hält, erschwert ihre Arbeit und lässt sie mit Fortschreiten von einer Sackgasse in die nächste tappen. Gleichzeitig halten sich auch die Vampire bedeckt. Dabei will man deren Köpfe rollen sehen – und zwar bald!
Horror reflektiert oft das wahre Leben. Das die Vampire in Die Kolonie sowohl eine pausenlos verfolgte als auch verhasste Minderheit ist, ist gewiss kein Zufall. Sie stehen stellvertretend für leider immer noch so viele Minoritäten und die reaktionäre Gegenseite, meist die wahren Monster, die ihre Bigotterie hinter und unter christlichen Überzeugungen tarnen und mitunter weitaus mehr Dreck am Stecken besitzen. Ohnehin ist das tragende Element dieses Romans die Minderheit. Sogar die Heldin Barbara Atkins zählt dazu. Keine strahlende Heroin, dafür eine ernüchterte 50-jährige mit Rettungsringen und einer zerbrochenen Beziehung – zu einer Frau. Wenn davon die Pfaffin in Deadhart Wind bekommt! Insgesamt hat C.J. Tudor das Konzept einer Co-Existenz von Mensch und Vampir durchdacht, garniert es mit schwarzem Humor und einer wirklich düsteren Grundstimmung. Somit überzeugt Die Kolonie vollends und macht Lust auf mehr.
(tsch)
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