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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 55

Pater Wichmann in Neuruppin

In der Klosterkirche steht noch die Bildsäule vom Pater Wichmann, einem der Grafen von Lindow, der das Kloster hier gegründet haben soll und sein erster Prior gewesen ist. Er soll die Gabe gehabt haben, Wunderwerke zu tun, wo­von in alten Schriften namentlich eine Begebenheit erzählt wird. »Einstmals«, heißt es, »hatte er jenseits des Ruppiner Sees, welcher dicht vor dem Kloster vorbeigeht, im Namen seines Konvents etwas zu verrichten. Wie ihn nun sehr hungert und er bei gegebenem Zeichen der Essglocke vor großer Mattigkeit den weiten Weg um den See herum zur Stadt nicht wieder gehen kann, so spricht er zu seinem Gefährten: ›Mein Sohn folge mir getrost‹, machte darauf ein Kreuz vor sich und ging geraden Weges über das Wasser in den Konvent. Sein Gefährte aber traute sich nicht in seine Fußstapfen zu treten, und kam also eine gute Stunde darauf allererst zu Hause an.«

Das ist die Fassung der Geschichte, wie sie die Mönche erzählten. Im Volk aber gehen zum Teil andere Dar­stellungen um, in denen Pater Wichmann zu einem Zau­berer und Riesen wird. Er konnte, heißt es, überhaupt über das Wasser gehen. Einmal ist ein Bauer hinter ihm hergegangen. Wo Pater Wichmann austrat, da trat der Bauer ein. Zuerst tat Pater Wichmann, als sähe er es nicht. Wie sie aber mitten auf dem See waren, drehte er sich um und drohte dem Bauer mit dem Finger, und sagte: »Wie kannst du dich unterstehen, mir nachzugehen. Diesmal will ich dich noch mit hinübernehmen, aber versuche es nicht wieder.«

Übrigens hatte Pater Wichmann einen Damm durch den Ruppiner See bauen wollen, welcher doch die Grafschaft der Länge nach durchschneidet und in zwei Teile teilt. An zwei Stellen hat er von der Ruppin entgegen­gesetzten Seite angefangen, den See zuzudämmen, einmal, wo beim Fährhahn (am Fährhaus) sich eine Spitze gerade der Klosterkirche gegenüber ins Wasser hineinzieht, und dann bei der Ziegelei zwischen Gnewikow und Karwe, eine Stelle, die man noch die scharfe Ecke nennt. Beide Male ist ihm aber das Schürzenband gerissen, als er Erde in seiner Schürze herbeitrug. An der scharfen Ecke sieht man es aber noch deut­lich, wie die Sandbank sich weit ins Wasser hineinzieht. Da ist es auch schon manchem Schiff schlecht ergangen, wenn die Schiffer dies nicht beachtet und zu dicht ans Land ge­halten haben.

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