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Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges 14

Max Klose
Führer durch die Sagen- und Märchenwelt des Riesengebirges
Mit zahlreichen Abbildungen aus dem Riesengebirge
Verlag von Brieger & Gilbers. Schweidnitz (Świdnica). 1887.
Überarbeitete Fassung

III. Greiffenstein und Liebenthal

6. Der Schützling der Ahnfrau

Die Burgherrin auf dem Greiffenstein hatte unter ihrem Gesinde ein holdes und tugendsames Mädchen. Dasselbe war Grete, die Tochter des Burgvogts, und die Ahnfrau hatte es von Kind­heit an in ihren Schutz genommen. Die schöne Grete aber vergaß keinen Abend, ihre Beschützerin in das Gebet einzuschließen. Eines Tages kam ein fremder Ritter auf der Burg an, welcher alle Mühe anstrengte, sich das Mädchen hold zu stimmen. Er hatte aber keine edle Absicht, sondern wollte dasselbe entführen. Grete erkannte den schlimmen Sinn des Ritters sofort und ging dem Nachsteller aus dem Wege. Eines Abends jedoch führten sie noch spät ihre Schritte zu der Burgherrin und an der Tür des Ritters vorüber. Dieser lauerte ihr auf und zog sie in sein Gemach hinein. Da schluchzte Grete laut auf und rief nach der Ahnfrau. Sofort öffnete sich die Tür und die Gerufene erschien. Dieselbe nahm die hübsche Grete an der Hand und führte sie bis auf ihr Zimmer. Der fremde Ritter aber wurde am anderen Morgen tot in einem Lehnsessel gefunden.

7. Die Ahnfrau bei dem Gevattermahl

Als Johann von Schaffgotsch auf dem Greiffenstein Burg­herr war, gab er einst seinen Vasallen und Knappen ein Festmahl. Da lud einer der Gäste im Rausch die Ahnfrau auf den anderen Tag zum Gevattermahl ein. Dieselbe erschien sofort bei dem Trink­gelage und nahm die Einladung an. Des anderen Abends saß der Kindvater mit seinen Taufgästen bei dem Gevattermahl und lustig machten die Humpen die Runde. Das frohe Mahl wurde aber durch einen Donnerschlag gestört, die Tür sprang auf und die Ahnfrau trat an die Tafel. Sie setzte sich auf einen Sessel, trank auf das Wohl der Wöchnerin und des Säuglings und lud den Wirt auf den siebenten Tag zum Gegenbesuch ein. Als er diesen abstattete, führte ihn der Geist in die Gruft und ließ ihn dort bis zum Morgen. Mancherlei Spuck huschte an ihm vorbei und Frost durchschüttelte seine Glieder. Nachdem ihn die Ahnfrau wieder aus dem Gewölbe herausgeführt hatte, verfiel er in eine lange Krank­heit und spottete nimmer wieder, als er genesen war, des Schutz­geistes der Burg.

8. Hans Ulrich und die Ahnfrau

Dem Burgherrn vom Greiffenstein, Hans Ulrich von Schaffgotsch, hatte die Ahnfrau einst das Bild seiner zukünftigen Gattin, der Prinzessin Agnes von Liegnitz gezeigt. Später verkündete sie ihm, dass er auf des Kaisers Befehl werde schuldlos hingerichtet werden. Als diese Voraussagung wirklich in Erfüllung ging, zertrümmerte sie die kaiserlichen Adler und Wappen in der Burg. Sie legte Trauer an und zeigte sich nur im schwarzen Gewand. Als aber Leopold von Schaffgotsch seinen Einzug auf der Burg hielt, erschien sie wieder als weiße Frau.

9. Die Erlösung der Ahnfrau

Die Burgherren vom Greiffenstein hatten schon oft demjenigen große Belohnungen ausgeboten, welcher dem umherwandelnden Geist der Ahnfrau Ruhe verschaffen würde. Niemand wusste, wie dies anzufangen sei, und Wagehälse, die in der blauen Kammer über­nachteten, wurden von Entsetzen übermannt, wenn der Geist erschien, und vergaßen denselben anzusprechen.

Endlich wagte dies ein frommer Mönch. Die Ahnfrau bezeichnete demselben die Stelle, wo ihre Gebeine für eine begangene Sünde nicht beerdigt wären. Aus einem tiefen Burgverließ wurden die­selben in geweihte Erde bestattet und die Ahnfrau erschien zum letzten Mal auf dem Greiffenstein, als der Burgkaplan Marganus in der verfallenden Burgkapelle die letzte heilige Messe las.

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