Secret Service Band 3 – Kapitel 2
Francis Worcester Doughty
Secret Service No. 3
Old and Young King Brady Detectives
The Bradys after a million
Oder: Ihre Verfolgungsjagd zur Rettung einer Erbin
Eine interessante Detektivgeschichte aus dem Jahr 1899, niedergeschrieben von einem New Yorker Detective
Wer kennt ihn nicht, den berühmten Detektiv Old King Brady, der mehr Rätsel gelöst hat als jeder andere Detektiv, von dem man je gehört hat.
In der Reihe der Geschichten, die in SECRET SERVICE veröffentlicht werden, wird ihm ein junger Mann zur Seite stehen, der als Young King Brady bekannt ist und dessen einziges Lebensziel darin besteht, Old King Brady darin zu übertreffen, gefährliche Fälle aufzuklären und die Verbrecher zur Strecke zu bringen. Wie gut ihm dies gelingt, wird in den folgenden, im SECRET SERVICE veröffentlichten Geschichten ausführlich geschildert.
Kapitel 2
Das Verbrechen
Es dämmerte bereits. Die beiden Detektive schlenderten gemächlich dahin, bis sie schließlich am Chatham Square ankamen. In dieser Gegend versammeln sich einige der markantesten Vertreter der Kriminalität in New York. Der Mann, der sie aus dem Büro des Chefs hatte kommen sehen, folgte ihnen. Er wurde nun von einem anderen begleitet. Der Neuankömmling war von riesiger Statur und außergewöhnlicher Stärke. In der gesamten Metropole gab es keine gefährlicheren Halsabschneider. Mike McCue und Jake Danton waren nur zwei von einer Bande, die als die Big Six bekannt war. Sie hielten zusammen wie Brüder. Wenn einer in Schwierigkeiten geriet, waren die anderen heilig verpflichtet, ihm zu helfen. Sollte einer in die Fänge des Gesetzes geraten, würde kein Aufwand gescheut, ihn aus dem Gefängnis zu befreien. Sie waren gleichzeitig erfahrene Ausbrecher und Einbrecher.
So wurden sie im Verzeichnis geführt, das McCue, der Anführer, führte: Nummer Eins, Mike McCue. Nummer Zwei, Jake Danton. Nummer Drei, Howard Spero. Nummer Vier, Vai Smith. Nummer Fünf, Sharkey O’Hane. Nummer Sechs, der Unbekannte. Diese Benennungen wurden nur in den geheimsten Sitzungen verwendet.
Nummer Sechs, oder wie er im Geheimen genannt wurde, der Unbekannte, hatte keinen Namen in der Gemeinschaft. Seine Identität war bekannt, wurde jedoch niemals kommentiert. Schlau, gerissen, gnadenlos und rachsüchtig war diese Vereinigung von Verbrechensvertretern, deren umfangreiche Operationen sich nicht nur auf New York beschränkten. Nicht auf eine Stadt, nicht auf einen Staat, ja nicht einmal auf einen Kontinent. In Europa wurden riesige Deals abgewickelt. Zu irgendeinem Zeitpunkt hatte die Macht der Big Six weltweit gespürt werden können. Nun konzentrierten sie ihre Bemühungen auf ein Geschäft in New York City, das Gotham in dieser Form noch nie gesehen hatte.
Selbst die leiseste Ahnung von dessen Ausmaß wurde nur von zwei Männern vermutet. Diese beiden Männer waren die Bradys. Die klugen, listigen und unbezwingbaren, fast allgegenwärtigen Kräfte des alten King Brady, mit der Unterstützung des jungen King Brady, standen den Tricks, Spielen, tiefen Plänen und geheimen Methoden der unaufhaltsamen Big Six gegenüber.
Das menschliche Gehirn ist ein wunderbarer Mechanismus. Doch bei keinem Spiel wird es so scharf eingesetzt und so geschickt manipuliert wie im Spiel des Verbrechens.
Die Bradys schlenderten gelassen durch den Chatham Square. Plötzlich sagte der junge Detektiv leise: »Ich sehe einen der Gauner!«
»Was?«, rief der alte Detektiv aus. »Wo ist er?«
»Er ist gerade in dieses Keller-Steakhouse gegangen.«
»Bist du dir sicher?«
»Todsicher!«
»Lass uns dort hineinschauen.«
Sie überquerten die Straße.
Nun, manchmal wird eine simple Sache, durch Zufall eingesetzt, genutzt, um große Ziele zu vereiteln. Es ist möglich, dass das Leben beider Detektive durch genau eine solche simple Sache verschont blieb. Als Old King Brady die Straße überquerte, fing sein Auge den Glanz eines Spiegels im Fenster eines Ecksalons auf. Dieser Spiegel reflektierte sowohl ihn selbst als auch Young King Brady und auch zwei andere hinter ihnen, die die Straße überquerten.
Diese beiden erkannte der alte Detektiv auf den ersten Blick. Es waren McCue und Danton. Obwohl Old King Brady sie nicht kannte, vermutete er, dass sie ihm und dem jungen Detektiv folgten. Sein Mund verzog sich zu einem grimmigen Lächeln.
Als sie das Ende des Übergangs erreichten, blieb Old King Brady stehen und drehte sich abrupt um. Auch Young King Brady hielt inne. Verblüfft sah er seinen Kollegen an. Doch einen Moment später erkannte er die Situation. Die beiden Schurken, die ihnen gefolgt waren, hielten halbwegs inne. Doch sie konnten nicht gut umkehren. Es war offensichtlich, dass sie irritiert waren, aber sie beschleunigten ihren Schritt und mussten in greifbarer Nähe an Old King Brady vorbeigehen. Der alte Detektiv richtete einen scharfen, forschenden Blick auf sie, als sie an ihm vorbeigingen. Er hätte sie dort und da festnehmen können, aber dies war nicht der richtige Ort oder Zeitpunkt. Es gab tiefere Absichten. Der Zeitpunkt für solch entschlossenes Handeln war noch nicht gekommen. Old King Brady ließ sie ungestört passieren. Sie zeigten sich unbesorgt, aber das täuschte keinen der Detektive. In dem Moment, als sie vorbei waren, gab Old King Brady ein Zeichen an Young King Brady und beide Detektive folgten nun den Verbrechern. So wurden die Verfolger zu den Verfolgten. Diese Programmänderung überraschte und verwirrte die Gauner.
Sie stiegen nicht in das Keller-Steakhouse hinab. Stattdessen gingen sie weiter die Chatham Street hinunter in Richtung Brücke. Es war nun dunkel und die Schaufenster und Straßenlaternen leuchteten hell. Die beiden Schurken beschleunigten ihr Tempo. Doch die Detektive ließen sich nicht so einfach abschütteln. Es war offensichtlich, dass sie Old King Bradys Spiel nicht verstanden. Sie sprachen im Flüsterton miteinander, während sie gingen. Plötzlich hielten sie abrupt an. Die beiden Detektive hielten nicht sofort an, sondern gingen ein paar Schritte weiter und drehten sich dann um. Die beiden Schurken beratschlagten in niedrigen Tönen und taten so, als würden sie die Detektive nicht bemerken. Dann machten sie plötzlich einen schnellen Schritt in eine schmale Gasse, die von der Chatham Street abzweigte.
Old King Brady zögerte. Young King Brady wollte den Gaunern folgen, aber der ältere Detektiv sagte scharf: »Warte!«
»Sie werden entkommen«, flüsterte Young King Brady.
»In Ordnung! Lass sie!«
»Aber – sollten wir dieses Spiel nicht weiterspielen?«
»Nein!«
»Warum nicht?«
»Es ist nicht ratsam!«
»Was haben Sie vor?«
»Ein kleines Bluffspiel, mehr nicht.«
»Ich sehe keinen Erfolg«, entgegnete der impulsive jüngere Detektiv.
»Der Erfolg ist bereits erzielt«, sagte Old King Brady.
»Welcher?«
»Wir haben sie für den Moment von der Spur abgebracht. Sie wussten, dass ich sie durchschaut hatte, als sie mich passierten. Wenn wir in diese Kellerkneipe gegangen wären, hätte das Ergebnis für uns ernsthaft sein können.«
»Nun, das stimmt«, stimmte Young King Brady zu. »Aber ich verstehe nicht, was passiert wäre, wenn wir sie weiter verfolgt hätten.«
»Ganz einfach«, erklärte der alte Detektiv. »Es gibt andere Aufgaben für uns.«
»In Ordnung«, stimmte Young King Brady zu. »Was soll es sein?«
»Etwas ist heute Nacht im Gange.«
»Sie meinen die Spur, die wir heute Morgen erhielten? Das zerrissene Telegramm?«
»Ja.«
Es hatte sich ergeben, dass die beiden Detektive an diesem Morgen McCue und Danton in der Park Row beschattet hatten, als ein drittes Bandenmitglied auftauchte und McCue ein Telegramm überreichte. Er hatte es gelesen und dann in Stücke zerrissen. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass die beiden Detektive eine gute halbe Stunde damit verbrachten, diese Fragmente zu sammeln. Sie setzten sie zusammen und entzifferten Folgendes:
An Michael McCue, New York – Der Schlag muss heute Nacht erfolgen. Ecke Lexington Avenue und 44th Street um 23:40 Uhr. Kutsche mit rotem Licht. Sei dort.
Nummer Sechs
Die Detektive zogen daraus einige sehr logische Schlüsse. Natürlich konnte es nur eines bedeuten. Dies war die Durchführung eines großen Verbrechens, und die Ecke Lexington Avenue und 44th Street war der Treffpunkt der Verschwörer. Die Kutsche mit einem roten Licht. Alles andere war ein Rätsel. Doch die Detektive wussten genug, um ihren Handlungsplan auszuführen. Sie würden dort sein.
Es war noch früh am Abend. Old King Brady war sich dessen bewusst. Doch es gab Vorbereitungen zu treffen. So begaben sich die beiden Detektive in eine dunkle Ecke einer Nebenstraße. Dort veränderten sie binnen weniger Augenblicke erstaunlich ihr äußeres Erscheinungsbild. Ihre umgedrehten Mäntel waren nun schäbig und abgenutzt. Ihre Hüte wurden in abgetragene Mützen verwandelt. Perücken und Bärte vollendeten die Verkleidung. Es war eine gründliche Verwandlung.
Eine falsche Nase, geschickt angebracht, verlieh Old King Brady das Aussehen eines genuinen Baxter Street Hebräers. Young King Brady wurde zu einem typischen Ikey. So verkleidet kehrten sie auf die Chatham Street zurück.
Doch an diesem Abend sahen sie die Bande nicht wieder. Um zehn Uhr sagte Old King Brady: »Harry, es ist Zeit, nach oben zu gehen.«
Beide stiegen in einen Zug der Hochbahn in Richtung Uptown. An der 42nd Street stiegen sie aus. Es war nur ein kurzer Spaziergang zur 44th Street und Lexington Avenue. Sie erreichten diesen Ort bald.
Bis nach Mitternacht hielten sie sich in der Gegend auf. Doch eine Kutsche mit rotem Licht war nicht zu sehen. Auch von den Big Six war keine Spur zu entdecken. Kein Treffen wurde an diesem Ort von ihnen abgehalten. Davon waren die Detektive überzeugt. Doch kurz nach Mitternacht tauchten zwei dunkle Gestalten eilig aus den Schatten der 44th Street auf.
Old King Brady befand sich auf einer Ecke und Young King Brady auf der anderen. Beide waren tief in den Schatten versteckt. Die beiden eilenden Männer befanden sich auf der Seite von Old King Brady. In einem Moment hielten die beiden Fremden fast in Berührungsnähe an. Sie atmeten schwer und schienen äußerst aufgeregt zu sein.
»Verdammtes Spiel! Ich sage dir, Spero, das ist eine üble Sache«, knurrte einer.
»Bert hätte es besser wissen müssen, Vai«, erwiderte der andere.
»Es ist die Frau in der Sache, und wir werden alle dafür büßen.«
»Ich habe nie gesehen, dass Glück aus Spielerei mit Frauen kommt.«
»Du wirst immer den Kürzeren ziehen. Es gibt kein Glück in einem Spiel, bei dem eine Frau die treibende Kraft ist.«
»Du hast recht. Wo denkst du, sind die anderen Jungs?«
»Keine Ahnung! Wir sollten heute Nacht besser unauffällig bleiben. Eine Armee von Detektiven wird auf dieses Verbrechen angesetzt sein. Igitt! Ich habe noch nie so ein hässliches Chaos erlebt. Überall Blut. Mir wird schlecht.«
Die beiden Gauner huschten wie Schatten über die Straße.
Old King Brady gab sofort das Signal an Young King Brady.
Der junge Detektiv war im nächsten Moment an seiner Seite. Der alte Detektiv sagte düster: »Junge, wir sind getäuscht worden!«
»Was!«, rief Young King Brady aus.
»Es hat einen Mord gegeben, und wir konnten ihn nicht verhindern. Aus irgendeinem Grund wurde der Termin nicht wie im Telegramm angegeben eingehalten. Wir sind zwar zu spät, um das Verbrechen zu vereiteln, aber nicht zu spät, um die Mörder zu fassen oder zu verfolgen. Auf geht’s!«
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