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Der Märkische Eulenspiegel 14

Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe

Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin

Wie Clauert ein Wahrsager und ein Arzt wurde

Im Land Mecklenburg hatte Clauert stets seinen Handel gehabt, besonders in der letzten Zeit, wo er sich durch den Viehhandel seine Nahrung verschaffte. Da kam er einstmals in ein Dorf, mit Namen Euchstädt, wo er von einigen Bauern dieses Dorfes erfuhr, dass der Gastwirt dort vor etlichen Wochen von seiner Frau fortgelaufen wäre und die Frau nun an irgendeinem Ort Rat suchte, wie sie wieder zu ihrem Mann kommen könnte. Da es nun ziemlich um die Zeit war, wo die Ernte begann, so wusste Clauert wohl, dass, wenn es ein redlicher Mann wäre, der sich zu nähren gedächte, er sich gegen die Zeit der Ernte hin gewiss wieder einfinden werde. Deshalb sagte er zu der Wirtin, sobald er ins Haus trat: »O liebe Frau Wirtin, ich merke wohl, dass Ihr hart bekümmert seid um Euren Mann, der Euch fortgelaufen ist – als ob er es aus eigener Kunst der Frau ansehen könnte –; wofern Ihr mir aber ein Geschenk geben wollt, so wüsste ich sicherlich Euren Mann innerhalb drei Wochen wieder nach Hause zu bringen.«

Die Wirtin freute sich über die Rede und erwiderte ihm: »Ach guter Freund, wenn Ihr das tun könnt, sollt Ihr ein schönes Trinkgeld davontragen.«

Clauert sagte weiter zu ihr: »Das weiß ich gewiss und wahrhaftig, dass er wohl kommen muss.«

Die Wirtin brachte ihm Bier, so viel er nur trinken wollte, mit der Versicherung, wofern ihr Mann innerhalb jener Zeit kommen würde, so sollte es ihm reichlich ver­golten werden. Als nun Clauert von dort hinweggezogen war, kam er in ein anderes Dorf, Künßberg genannt. Da hatte er einige Wurzeln bei sich, die er unter die Biergäste austeilte, wobei er sagte, dass sie gegen viele Krankheiten nützlich zu gebrauchen wären.

Unterdessen kam eine junge Bauerfrau hinein, um Bier zu holen. Dieselbe war zwei ganze Jahre hindurch krank und siech gewesen und hatte dabei auch ihre Farbe ganz verloren. Da hatte sie von diesem neuen Meister gehört, dass er vielen Kranken zu helfen wisse; doch wagte sie nicht, denselben in eigener Person anzusprechen, sondern beredete die Wirtin dazu. Diese fragte daher Clauert, ob er die hier gegenwärtige Frau von ihrer Krankheit befreien könnte; es solle ihm ein schönes Trinkgeld dafür werden.

Clauert sah, dass es eine junge Frau war, und sagte: »Dieser Frau wäre wohl etwas beizubringen und von ihrer Krankheit zu helfen, wenn ich meine Kunst an ihr versuchen sollte.«

Doch sagte er dies alles spottweise. Die Wirtin aber fing auf jene Worte noch heftiger an zu bitten, er möchte doch dieser Frau helfen.

Da ging Clauert in des Gastwirts Hof, raufte einige Wurzeln aus und brach das Kraut davon ab. Diese Wurzeln gab er dann der Frau und sagte, sie solle die­selben in altem Bier sieden und Maienbutter daran tun, sodann solle sie des Morgens und des Abends davon trinken, so werde sie bald gesund werden, obwohl er weder Krankheit noch Wur­zeln kannte.

Als nun Clauert von dort hinweggezogen war und in eini­gen umliegenden Ländern Vieh kaufte, da bereitete unterdessen die Frau die Arznei nach Clauerts Verordnung und wurde davon gesund. Dadurch wurde Clauert bei den Mecklenburgischen Bauern sehr berühmt und erwarb sich damit seine freie Zehrung bei ihnen. Als nämlich Clauert nach etlichen Tagen mit dem gekauften Vieh zurücktrieb und wieder in jenes Dorf kam, wo er die Frau gesund gemacht hatte, da kamen bei seiner Ankunft alle Bauern zusammen, brachten allerlei Speise mit sich und leisteten ihm Gesellschaft; außerdem aber gab ihm auch jene Frau dort noch einige Tage freie Zehrung.

Nicht weniger Ehre widerfuhr Clauert in dem anderen Dorf, da jener Gastwirt unterdessen wieder nach Hause gekommen war. Clauert erfuhr es vor dem Dorf von den Dienst­leuten eines Bauern, an welchem Tag der Wirt nach Hause gekommen war.

Deshalb trat er umso kühner zum Haus hin­ein, grüßte die Wirtin und sagte zu ihr: »Was gilt es, ich weiß, an welchem Tag Euer Mann wiedergekommen ist!«

Die Wir­tin empfing ihn sehr freundlich, drückte ihm die Hände und sagte ihm herzlichen Dank für die ihr von ihm erwiesene Wohltat; auch bat sie ihn, er möge doch ja einige Tage bei ihr ver­weilen, für seine und seines Viehs Nahrung wolle sie schon sorgen. Außerdem steckte sie ihm auch noch mehr Geld zu, als er zu verzehren imstande war. Von dem allen wusste aber der Wirt nichts, sondern glaubte, Clauert wäre aus seinem eigenen Beutel so kostfrei.

Eines Tages nun, da fast alle Bauern des Dorfes beisammen waren und Clauert für einen Propheten hielten, wie er bald wohl bemerkte, sagte Clauert: »Liebe Leute, ich wollte augenblicklich meine Kunst sehen lassen und alle Zaube­rinnen auf die Kirchspitze bringen, sodass sie jedermann erkennen könnte.«

Darüber erschraken etliche gewaltig, die sich schuldig wussten, gaben Clauert heimlich Geschenke und baten ihn, er möge solches unterlassen, damit nicht manche unschuldige Frau mit ins Spiel kommen könnte.

Seit dieser Zeit aber fürchteten sich jene Frauen alle sehr vor ihm. So konnte Clauert sein Vieh bis etwa auf den Zoll, den er geben musste, ohne Unkosten her­ausbringen, während andere vielleicht mehr verzehren müssen, als sie verdienen können.

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