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Der lustige Kirmesbruder – Teil 4

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Der lustige Kirmesbruder
welcher durch listige Ränke auf den Kirmessen die Bauern und andere Personen unterhalten und vergnügt gemacht hat

Dritte Kirmes

Wie der lustige Kirmesbruder ein ganzes Dorf zu Narren machte und sich dabei viel Geld erwarb

Wegen meines lustigen Wesens wurde ich von etlichen Land­leuten ersucht, der Kirmes in Possendorf beizuwohnen. Anfangs wollte ich mich nicht dazu verstehen, da man mich aber allzu dringend bat, so versprach ich, gewiss nachzukommm. Dabei gab ich zugleich die Versicherung, dass ich das ganze Dorf zu Narren machen wollte, indem ich mir nur so viel vorbehielt, dass sie nichts davon sagen sollten, damit mir mein Vorhaben nicht misslingen möchte. So machten sich denn meine guten Freunde auf den Weg; ich aber traf mittlerweile die gehörigen Anstalten zur Ausführung meines Unternehmens, und zwar richtete ich meine Sachen so ein, dass ich kurz nach der Ankunft meiner Freunde dort eintreffen könnte. Nun packte ich vor allen Dingen meine gewöhnlichen Kleider zusammen und kleidete mich wie ein Herr aus der Stadt an. Ich setzte eine Perücke auf, hing einen Degen an die Seite und nahm einen Stock in die Hand. All diese Sachen hatte ich mir geborgt. Meine gewöhnlichen Kleider ließ ich von einer Frau nach Possendorf tragen. Außerdem nahm ich noch aus der Stadt ein paar lustige Reisegefährten und einen Jungen mit, der uns einige Gerätschaften tragen musste. Ich bat dieselben, sie sollten nur alles mitmachen, was ich ihnen angeben würde, und versprach sie dafür herrlich zu traktieren. So gingen wir denn miteinander nach Possendorf und begaben uns dort in die Schenke, wo wir uns für Komödianten ausgaben. Der Schankwirt, der sich vermittelst unserer Gegenwart auf eine gute Einnahme Rechnung machte, fragte uns sofort, ob wir vielleicht bei ihm Komödie spielen wollten. Anfangs gaben wir zu erkennen, dass wir keine besondere Lust dazu hätten; da uns jedoch der Wirt aufs Inständigste bat und uns zugleich die Versicherung gab, dass wir einen bedeutenden Gewinn machen würden, so ließen wir uns dazu bereden. Unterdessen teilte es nun der Wirt einem jeden mit, der in die Schenke kam, dass heute Komödie gespielt werden würde, sodass also die Sache bald allgemein bekannt wurde. Ich musste sodann einen Zettel schreiben, aus welchem angekündigt wurde, was für ein Stück aufge­führt werden sollte. Ich machte also bekannt, dass wir zuerst Die fehlgeschlagene Hoffnung vorstellen und zum Nachspiel Die be­wogene Neugierde zeigen wollten, wobei wir uns auch noch an­heischig machten, dass zum Beschluss alle Komödianten durch das Glas gehen würden, ohne dasselbe zu zerbrechen. Dieser Zettel wurde an der Tür der Schenke angeschlagen, mit der Bestim­mung, dass um sechs Uhr die Komödie angehen sollte, und die Bauern lasen denselben mit großer Verwunderung. Wir hatten uns unterdessen zu Tisch gesetzt und schmausten aufs Herrlichste; denn der Wirt trug alles auf, was er nur in Bereitschaft hatte und was wir verlangten. Nach Beendigung der Mahlzeit beschäftigten wir uns mit dem Aufbau des Theaters, wozu uns die Wirtin Tische und Betttücher gab, und wir brachten dabei unsere Bühne so an, dass zwei Seitenfenster im Zimmer völlig verbaut wurden. Als unser Theater fertig war, kamen die Bauern mit ihren Frauen und Kindern zur Schenke, und selbst die Kin­der des Pfarrers und der Schulmeister mit seiner Ehegemahlin blieben nicht weg. Ich setzte mich einstweilen vor das Theater und nahm das Geld ein. Es war eine ansehnliche Summe, die ich zusammenbrachte, und sogar meine Bekannten gaben mir dazu ihr Scherflein und sagten untereinander, da sie mich nicht er­kannten in meiner neuen Kleidung: »Es ist nur Schade, dass der lustige Kirmesbruder noch nicht da ist; der würde gewiss sein Räupchen mitspielen.«

Die Bauern insgesamt stritten bei die­ser Gelegenheit hauptsächlich darüber, wie es wohl möglich sein könnte, dass wir durch ein Glas gehen würden. Einer fiel auf den Gedanken, dass wir es mit Bildern tun würden; ein anderer meinte, wir würden an die Pfosten der Tür das Wort Glas schreiben und so durch diese gehen. Es entstand hierüber ein heftiger Streit, welchen endlich der Herr Schulmeister als ein Ge­lehrter entscheiden sollte. Dieser tat nun den entscheidenden Ausspruch, dass wir in Person durch ein ordentliches Glas gehen würden; dieses wäre jedoch nicht anders möglich als durch ma­gische Künste, vermöge welcher wir das Glas dergestalt vergrößern und öffnen würden, dass Personen füglich hindurchgehen könnten. Nunmehr nahte die Zeit heran, dass wir unsere Stücke aufführen sollten. Die Musikanten mussten also auf mein Geheiß spielen; die Bauern setzten sich mit ihren Frauen in Ordnung und schauten mit der größten Aufmerksamkeit zu dem Theater hin. Ich aber hielt es für ratsam, mich unterdessen mit meinen Kameraden nach dem Fenster umzusehen und uns durch dasselbe aus dem Staub zu machen. Meine Kameraden schickte ich, nach­dem ich ihnen etwas Geld gegeben hatte, geraden Weges zu der Stadt. Ich selbst aber legte hierauf meine ordentlichen Klei­der an und begab mich zur Schenke. Hier traf ich meine Bekannten an, die mir den ganzen Verlauf der Sache erzählten und den sehnlichen Wunsch aussprachen, dass ich nur da gewesen sein möchte. Die übrigen Bauersleute aber, die sich ebenfalls betrogen sahen, ließen sich den Zettel, auf welchem die Komödie angekündigt worden war, von dem Schulmeister erklären. Die­ser trat auf und sprach: »Der Zettel sagt es ganz deutlich, dass die Komödianten mit Euch Komödie gespielt haben; denn ver­steht mich nur recht, so werdet Ihr bald hinter die Wahrheit kom­men. Die Komödianten haben zuerst wollen Die fehlgeschlagene Hoffnung vorstellen. Ihr habt doch wohl gehofft, eine Komödie zu sehen, Ihr habt aber keine gesehen? Ist Euch nicht Eure Hoffnung fehlgeschlagen? Sie haben ferner zum Nachspiel zeigen wollen Die betrogene Neugierde. Und wie denn? Seid Ihr nicht aus Neugierde hierhergekommen? Seid Ihr nicht noch überdies schändlich um Euer Geld betrogen worden? Endlich zum Beschluss haben die Komödianten durchs Glas gehen wollen, ohne dasselbe zu zerbrechen. Und seht Ihr hier nicht das offen stehende Fenster? Haben sie nicht ihr Versprechen ehrlich erfüllt?«

Die Bauern bewunderten die große Weisheit ihres Herrn Schulmeisters, die er in der Auflösung dieses großen Rätsels bewies; doch konnte sich der Richter nicht enthalten zum Schulmeister zu sagen: »Hätte Er uns das nicht vorher sagen können?«

Es würde noch ein Zank daraus entstanden sein, wenn nicht der Schulmeister dem Richter ganz gelassen erwidert hätte: »Herr Richter, wenn seid Ihr denn nebst Euren Kameraden am klügsten? Nicht wahr dann, wenn Ihr aus dem Gemeindehaus und aus der Gerichtsstube geht?«

Der Schulmeister würde seine Rede noch weiter fortgesetzt haben, wäre er nicht durch ein ent­standenes Lärmen daran verhindert worden; denn nach der vorangegangenen Komödie erhob sich nun ein Trauerspiel. Der Wirt nämlich zankte und schlug sich mit seiner Frau, weil sie sich von den Komödianten die Zeche nicht hatte bezahlen lassen. Einige Bauern kratzten sich unwillig hinter den Ohren, dass sie für ihr Geld nichts gesehen hatten; andere zankten sich mit ihren Frauen, dass sie von denselben zu einer solchen Ausgabe verführt worden wären; noch andere ergriffen die Bankbeine, und es entstand ein solches Handgemenge, dass der Richter sein obrigkeit­liches Amt geltend machen und Friede gebieten musste. Hierauf wurde die ganze Nacht hindurch geschwärmt, und ich erzählte es meinen Gesellschaftern, dass ich der Hauptkomödiant gewesen wäre; doch verbot ich ihnen, es weiter bekanntzumachen. Ich für meine Person hielt es nicht für ratsam, mich länger dort aufzuhalten oder sonst noch einen Spaß zu machen; denn ich befürchtete, ich könnte als der Urheber jenes Scherzes entdeckt und gehörig dafür belohnt werden.

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