Download-Tipp
Sir Henry Morgan

Heftroman der Woche

Archive

Der lustige Kirmesbruder – Teil 1

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Der lustige Kirmesbruder
welcher durch listige Ränke auf den Kirmessen die Bauern und andere Personen unterhalten und vergnügt gemacht hat

Vorläufige Nachricht von dem Herkommen und der Lebensart des lustigen Kirmesbruders

Mein eigentlicher Name war Hans Schneemann; der Beiname der lustige Kirmesbruder wurde mir deswegen gegeben, weil ich mich vornehmlich bei den Kirchmessen durch lustige Streiche bekanntgemacht hatte.

Meine Eltern habe ich nicht gekannt und auch niemals etwas von ihnen erfahren können. Ich bin nur damit zufrieden gewesen, dass sie mich zur Welt gebracht haben. Vermutlich ist mein Vater in dem heißen Frühling um sein Leben gekommen und meine Mutter mag sich nach seinem Absterben zu Tode gehärmt haben.

Was meine Kindheit anbelangt, so habe ich dieselbe zugebracht, ohne etwas zu lernen; denn ich sah nicht ein, warum ich mir den Kopf zerbrechen und das Leben sauer machen sollte.

Die Schule besuchte ich nur, weil ich von unserm Herrn Pfarrer dazu gezwungen wurde, und weil ich den Schulkindern manchmal ihre Butterfladen ganz säuberlich stahl und mich damit auf eine ehrliche Art zu nähren suchte. Der Herr Schulmeister war mir günstig, weil er mich sehr gut brauchen konnte; denn ich half ihm mit aller Treue sein Amt verwalten, indem ich in der Kirche die Bälge trat und ihm dadurch Wind machte. Auch trug ich demselben bei dem Gregoriusfest ziemlich viel ein; denn wenn die anderen Kinder im Dorf herumgingen und sangen und die Landleute aus ihren Häusern herausliefen, um dieselben zu hören und ihnen zuzusehen, so tat ich unterdessen mit meiner Stimme Wunder, indem ich in die Häuser schlich, aus der Feuermauer die Würste heruntersang und andere essbare Sachen in Bewegung setzte, die mir dann folgten, und mit denen wir nach beendetem Gregorius in der Schule uns laben und nach ausgestandenen Strapazen uns lustig machen konnten. Als ich größer wurde, suchte ich mich stets zu erhalten, ohne zu arbeiten, weil ich wohl wusste, dass man von der Arbeit nicht nur nicht satt, sondern dabei sogar hungrig und müde wird.

An Geld fehlte es mir niemals, denn ich wusste es schon zu bekommen. In der Schenke war ich jederzeit zechfrei, weil der Wirt durch mich Gäste erhielt, die meine possierlichen Streiche zu sehen begehrten und mir auch noch Geld dafür gaben.

Außerdem ging ich bisweilen in den Wald, suchte Vogelnester und fing Vögel, mit welchen ich mich dann in die Stadt begab, um sie zu verkaufen. Auch suchte ich zu meinem Vergnügen Kräuter, Holzäpfel, Brombeeren und Nüsse, die ich ebenfalls zum Verkauf in die Stadt trug. Dabei fiel mir manchmal im Vorübergehen aus verschiedenen Gärten schönes Obst in meinen Korb, das ich wohl zu versilbern wusste.

Zu dem Korb bin ich auf eine kuriose Art gekommen. Weder Suse noch Mieke haben mir denselben gegeben, sondern die Wirtin. Es stand derselbe nämlich mit einem Kind, welches darin lag, an der Schenke. Beides nun schenkte mir die Wirtin. Bei dem Kind lagen fünf Taler, die ich zu mir nahm und mir ganz wohl bekamen. Den Korb nun eignete ich mir zu, das Kind aber setzte ich dem Richter in den Garten, weil derselbe kein Kind hatte und doch gern eines haben wollte. Ich glaubte ihm also einen außerordentlichen Gefallen damit zu erweisen. Dieser Korb hat mir viel eingetragen und manchen Spaß machen helfen. Wenn ich ihn mit Obst angefüllt hatte, so musste ich manchmal auch noch für andere Leute Schinken, Würste, Buttertöpfe und dergleichen mit einpacken, um dieselben akzisefrei in die Stadt zu bringen, wofür ich jederzeit ein schönes Trinkgeld bekam. Den Korb trug ich selten selbst, sondern setzte ihn gewöhnlich auf einen Wagen, der zur Stadt fuhr. Dies ließ man mir gern zu, weil ich durch meine kurzweiligen Scherze den Fuhrleuten die Zeit vertrieb.

Indes hatte doch der Visitator einmal gemerkt, dass ich heimlich etwas in die Stadt brächte. Er durchsuchte daher meinen Korb und fand einen Buttertopf, welchen er mir sofort wegnahm. Diesen musste ich nun wieder auf andere Weise zu betrügen suchen, wenn ich anders bei Nahrung bleiben wollte.

Ich ließ mir daher einen Buttertopf geben, füllte denselben mit Kuhmist und schmierte ihn oben mit Butter zu. Als ich nun wiederum in die Stadt wanderte, kam der Visitator, dem die vorige Butter gut geschmeckt haben mochte, durchsuchte meinen Korb und nahm mir diesen Topf ebenfalls. Anstatt aber mich über den Verlust desselben zu betrüben, freute ich mich und sagte zu ihm, dass er es sich gut schmecken und wohl bekommen lassen möge. Ich wartete nun in einiger Entfernung, um zu sehen, was der Visitator mit dem Topf anfangen werde. Er nahm sofort eine Semmel und schmierte sie mit Butter. Hierauf gab er den Topf einem anderen Visitator, der dasselbe tat. Dieser kam jedoch ein wenig zu tief und stach jene Butter aus dem hintersten Butterfass der Kuh aus. Da fing er an, entsetzlich zu fluchen und zu speien. Ich aber machte mich aus dem Staub.

Ein anderes Mal fuhr ich mit einem Fleischerwagen in die Stadt. Der Fleischer hatte mir schon lange vorher ein Stückchen Darm geben müssen, welchen ich mit Schweinekot stopfte und räucherte, sodass er einer delikaten Wurst ähnlich sah. Diese Wurst verbarg ich nun, wie gewöhnlich. Der Visitator suchte und fand dieselbe. Da sprach er hoch erfreut: »Diese soll mir meine Mutter mit Sauerkraut kochen und zurichten.« Ich wünschte ihm dazu einen guten Appetit, ging aber von nun an nicht wieder zu diesem Tor hinein in die Stadt. Später einmal fand ich einen Igel. Diesen band ich in mein Schnupftuch und trug ihn unter dem Rock zur Stadt, nahm aber meinen Weg durch ein anderes Tor. Als ich nun dort an die Akzise kam, fuhr der Visitator mit beiden Händen begierig auf das Schnupftuch los. Der Igel bezahlte ihn reichlich für seine Mühe, sodass ihm die Hände bluteten und er mich wohl mit einer guten Tracht Prügel beladen haben würde, wenn ich ihm nicht entwischt wäre. Nun dachte ich darauf zuletzt noch einen Visitator anzuführen.

Zu diesem Zweck steckte ich eine tote Katze in einen Kober und legte auf dieselbe einen Zettel, auf welchem geschrieben stand: »Ich bin eine Kieze und kein Kater; ich wollte lieber ein Schelm sein als ein Visitator.«

Ganz oben darauf legte ich einige Feigenblätter. Auch dieser Kober wurde mir genommen, und der Visitator sagte dabei, dass er sich an diesem Hasen eine rechte Güte tun wollte, worauf ich ihm zur Antwort gab, dass dieses Gericht für ihn bestimmt gewesen wäre. Um dieser Streiche willen nun nannte man mich den lustigen Hans, und später, da ich dergleichen auf den Kirmessen spielte, den lustigen Kirmesbruder.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert