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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 47

Der Markgrafenberg bei Rathenow

Bei der Stadt der Rathenow liegt ein Hügel, welcher der Markgrafenberg heißt. Hier kamen nämlich, wird er­zählt, einstmals im Anfang des 14. Jahrhunderts, als der Markgrafen aus dem Haus Anhalt hierselbst sehr viel geworden waren, ihrer neunzehn zu einer Landschau zusammen und klagten einer dem anderen ihr Unvermögen wegen der großen Landeszersplitterung.

»Was solle daraus werden, wenn ihrer noch mehr würden!«

Gott der Herr hatte es aber anders beschlossen. Einer nach dem anderen fuhr in die Grube, die Sterbeglocke in Kloster Lehnin und Chorin, wo sie bestattet wurden, hörte fast gar nicht auf zu läuten, und als wenige Jahre um waren, war nur noch einer übrig, und mit dem erlosch dann im Jahre 1320 das ganze Geschlecht in der Mark.

Das Irrlicht zu Ferchesar

In sumpfigen Gegenden zeigten sich früher oft soge­nannte Irrlichter, die hüpften und tanzten, wenn es dunkel wurde, kreuz und quer. Es waren gasartige, feurige Ausdünstungen, welche der Wind hin und her bewegte; früher meinte man aber, es seien die Seelen ungetauft ver­storbener Kinder. Man fürchtete sie, denn sie sollten die Leute in die Irre führen. Daher nannte man sie auch Irrlichter.

Einmal ist nun einem Kuhhirten zu Ferchesar bei Rathenow etwas Kurioses mit einem Irrlicht oder, wie man sie dort auch nennt, einem Lüchtemännchen, passiert. Wie er mit der Herde abends nach Hause kam, fehlte ihm eine Kuh. Da kehrte er wieder um, sie zu suchen, konnte sie aber nicht finden. Endlich setzte er sich vor Ermüdung auf einen alten Baumstumpf und wollte sich eine Pfeife anstecken. Wie er aber da so sitzt, kommt auf einmal ein großes Heer von Lüchte­männchen, die tanzen wild um ihn herum, dass einem anderen Angst zumute geworden wäre. Er war aber dreist und blieb ruhig sitzen und stopfte sich seine Pfeife. Als er sie indes anstecken wollte und Feuerstahl und Stein sowie die Schwammbüchse hervorzog, da flogen ihm die Lüchte­männchen so um den Kopf herum, dass er jeden Augenblick dachte, sie würden ihm die Haare versengen. Deshalb nahm er seinen Stock und schlug gewaltig um sich, aber je mehr er um sich schlug, desto mehr Lüchtemännchen kamen, sodass er endlich zugriff, um eins zu haschen. Da hatte er auf einmal einen Knochen in der Hand; die anderen aber waren verschwunden. Ruhig steckte er nun den Knochen in die Tasche, brannte seine Pfeife an und ging nach Hause. Am nächsten Morgen trieb er mit der Herde wieder hinaus und fand auch seine Kuh wieder. Als er aber abends nach Hause kam und es schon dunkel geworden war, da sah er ein paar Lichtchen vor seinem Fenster. Weil er glaubte, es sei ein Nachbar, der mit der Laterne zu ihm komme, um sich wegen eines kranken Viehs bei ihm Rat zu holen, öffnete er das Fenster und sah nun die ganze Dorf­straße voll von Lüchtemännchen. Die kamen in gewaltigen Haufen daher gehüpft, wirbelten unruhig durcheinander und riefen: »Gibst du uns unseren Kameraden nicht heraus, so stecken wir dir das Haus an!«

Da fiel ihm erst der Knochen wieder ein, und er sagte: »Ach, so macht doch kein dumm Zeug, der Knochen kann doch euer Kamerad nicht sein!«

Aber sie riefen nur immer lauter: »Gibst du uns unseren Kameraden nicht heraus, so stecken wir dir das Haus an!«

Da dachte er, es könnte wohl ernst werden, nahm den Knochen, legte ihn sich in die flache Hand und hielt ihn zum Fenster hinaus. Da war er sogleich wieder ein hell­flackerndes Lüchtemännchen und hüpfte davon, und die anderen alle umringten es wie im Jubel und hüpften und sprangen zum Dorf hinaus.

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