Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Deutsche Märchen und Sagen 189

Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845

254. Die Nonne zu Gehofen

Eine Frau von Eberstein wollte in ihrem Schloss Gehofen, welches im Amt Allstedt liegt, aus einer klei­nen Küche und Kammer eine schöne große Küche machen lassen. Während nun die alten Mauern abgerissen wur­den, ließ sich eine schöne Nonne vor ihr sehen mit einem roten Kreuz auf der Stirn. Die dankte der Edelfrau dafür, dass sie die Küche vergrößern lasse, fügte auch hinzu: »Viel reiche Leute haben vor Euch in diesem Schloss gewohnt, doch keiner hat so weit gedacht; dafür sollt ihr auch einen Schatz bekommen, der unaussprech­lich groß ist.«

Die Edelfrau entsetzte sich darüber und sprach: »Behaltet Euren Schatz für Euch. Ich trage kein Begehren zu demselben.«

Da kniff die Nonne sie bunt und blau, dass sie den Schatz nehme, ging ihr vier ganze Wochen lang nach, fuhr mit ihr in die Kirche und wie­der heraus, sprach ihr selbst dann ins Ohr, wenn sie neben jemand saß. Niemand aber sah die Nonne, aus­genommen die Edelfrau, eine Dienstmagd und ein Knecht. Immer lag der Spuk ihr an, was sie mit dem Schatz tun solle, nämlich zwei Rosenkränze darauflegen und diese dann in ein katholisches Kloster senden. Die Kirche zu Gehofen, worin sie, die Nonne nämlich, begraben läge, müsse neu davon aufgebaut werden. Sie nannte der Edelfrau auch die Stelle, wo das Grab sich befände, sprach, darauf müsse ein großer Grabstein gelegt werden und drüber ihr Bildnis aufgehangen, auch diese Verslein (welche sie aussprach) auf dem Stein ausgehauen wer­den.

Die Frau von Eberstein schickte einen Boten zu der Kirche, um alles zu untersuchen, und alles fand sich so, wie es die Nonne gesagt hatte. Lange Zeit quälte sie die Edelfrau noch, damit sie zu dem Schatz ginge, sprach, sie könne ihren Prediger mitnehmen, müsse aber am Tage gehen und zwei Schürzen vorbinden. Sobald sie zur Stelle gekommen sei, solle sie eine Schürze abneh­men und sie auf den Schatz werfen. Es würde zwar ein schwarzer Hund auf demselben liegen, doch tue der ihr nichts zu Leide, denn sie werde neben ihr stehen und sie in die Arme nehmen. Sonderzweifel hätte die Edelfrau endlich sich dem Willen der Nonne gefügt, nur, um sie los zu sein, doch meinte sie, zuvor ihren Predi­ger darüber sprechen zu müssen. Der fand das aber nicht für gut, mahnte sie zum Gebet an.

Eines Tages nun betete sie sehr fleißig; da trat die Nonne zu ihr und sprach: »Betet nur zu, ich bete auch gern und bin gern, wo man betet, denn ich bin kein Teufel; dafür haltet mich nicht. Grade weil Ihr so fleißig betet, ist Euch der große Schatz beschert und den bekommt Ihr auch, selbst gegen Euren Willen.«

Dies ewige Quälen schwächte die Edelfrau derge­stalt, dass ihr Mann einen berühmten Arzt holte, um ihn über ihren Zustand zu Rate zu ziehen. Just als er ankam, sprach sie mit der Nonne, die neben ihrem Bett auf einem Stuhl saß, doch nur ihr sichtbar war. Als der Arzt auf denselben Stuhl zuging, stand sie auf und trat vors Bette.

Der Arzt konnte wenig bei der Sache hel­fen und wandte sich an die theologische Fakultät der Universität von Jena, welche den Ausspruch tat, dass es ein Teufelsgespenst sei.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert