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Nick Carter – Band 14 – Ein beraubter Dieb – Kapitel 12

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein beraubter Dieb
Ein Detektivroman

Der Fuchs in der Falle

»Ich folgte Bart Meyers und seinem unbekannten Freund die ganze Nacht hindurch«, berichtete Chick hastig. »Was sie eigentlich vorgehabt haben, weiß ich nicht genau, doch es muss sich um eine wichtige Sache gehandelt haben.«

Aus seinem Bericht ging weiter hervor, dass die beiden Männer, während der Wagen in der 4th Street wartete, sich zu einem Haus in der Rivington Street begeben und lange Zeit in diesem verweilt hatten. Dann waren sie wieder zum Vorschein gekommen – Meyers mit einem Bündel unter dem Arm. Während sein Gefährte sich nach der 4th Street zurückbegeben hatte, war Bart Meyers nach der Bowery weitergeschritten und bald darauf wieder in den Wagen gestiegen. Dann waren sie, offenbar in der Absicht, jedwede Spur zu verwischen, auf Umwegen bis zur 23th Street gefahren und hatten dort den Kutscher abgelohnt, um sich zu der Wohnung des Verbrechers aus Chicago zu begeben. Natürlich hatte Chick ihre Fährte bis zuletzt festgehalten und unterwegs die von den beiden Detektive wahrgenommenen Kreidezeichen und Tuchfetzen hinterlassen, wohl wissend, dass es Nick Carter und Patsy leichtfallen würde, sich auf solche Weise mit ihm zu vereinen, ohne dass er das Haus, in welchem Meyers Unterkunft gefunden hatte, darum aus den Augen lassen musste.

»Well, damit ist erwiesen, dass es Bart Meyers wirklich war, welcher Modell und Zeichnungen heute Nacht aus Spikes Zimmer gestohlen hat. Er selbst liegt nun jedenfalls in tiefem Schlaf, und die gestohlenen Gegenstände befinden sich in seiner Behausung!«, versetzte der Detektiv bedeutsam.

»Das leuchtet mir ein«, rief Chick eifrig. »Ich konnte euer Kommen kaum mehr erwarten und hätte mich beinahe schon auf eigene Rechnung und Gefahr in Meyers Zimmer gewagt, als ich Patsys Signal noch rechtzeitig vernahm!«

»Wir werden dem Gentleman jetzt gemeinschaftlich einen Besuch abstatten«, entschied der Detektiv unter grimmigem Auflachen.

»Wo befindet sich aber sein unbekannter Freund?«, wollte Patsy wissen. »Steckt er auch im Zimmer oben?«

»Ach nein«, entgegnete Chick lachend, »er befindet sich unter der Hoftreppe, gebunden und geknebelt.«

»Nun wird’s Tag!«, rief Nick erstaunt. »Wie kamst du dazu?«

»Die Sache ist einfach genug«, erläuterte Chick. »Ich war gerade dabei, den Burschen über die Treppe zu Meyers Zimmer nachzufolgen, als der Fremde zurückkam. Ihr wisst, ich bin ein höflicher Mann, und darum tat es mir leid, den Gentleman, der bei meinem unvermuteten Anblick laut aufschreien wollte, mit einem Fausthieb niederschlagen zu müssen, doch es ging leider nicht anders, denn ich musste es unter allen Umständen vermeiden, dass er seinem Kumpan eine Warnung zukommen lassen konnte. So verhalf ich ihm, nachdem ich ihn gebunden und geknebelt hatte, zu einem zwar etwas unbequemen, aber dafür umso billigeren Nachtquartier und legte ihn unter die Treppe – dort kann er wenigstens keinen Schaden anrichten!«

»Ausgezeichnet, Jungs, doch nun kommt mit, denn wir haben keine Zeit zu verlieren«, drängte der Detektiv.

Ohne Weiteres eilten sie zu dem Haus und betraten den in dessen Erdgeschoss befindlichen Saloon.

»Ich bin Nick Carter«, wendete der Detektiv sich kurz angebunden an den erstaunt dreinblickenden Bartender. »Diese Gentlemen sind meine beiden Gehilfen, und wir werden uns jetzt ins Haus hinaufbegeben. Machen Sie irgendwelchen Lärm oder geben irgendein verräterisches Signal, so machen Sie meine Bekanntschaft in einer bedeutend weniger angenehmen Weise!«

Doch der Schankwirt beruhigte sie, indem er erklärte, dass es ihm auch nicht entfernt einfiele, sich zu Gunsten der ihm völlig fernstehenden übrigen Hausbewohner ins Mittel zu legen.

In der Minute darauf befanden sich die drei Detektive im zweiten Stockwerk vor einer verschlossenen Zimmertür, aus welcher ein gesundes Schnarchen drang. Ein vereinigter kurzer Schulterruck genügte, um die Tür aus den Angeln zu heben, und die Detektive drangen in das Zimmer ein.

Bart Meyers lag im Bett. Doch er war durch den Lärm wachgeworden, saß aufrecht im Bett und fluchte wie ein Husarenwachtmeister.

Augenblicklich schien er zu begreifen, um was es sich handelte, denn blitzschnell griff er unter die Kissen, hatte auch sofort schon in jeder Hand einen Revolver und schoss in blinder Wut auf die Eingedrungenen.

Doch die Kugeln bohrten sich unschädlich in die eine Zimmerwand. Ehe er wieder schießen konnte, hatte sich Chick schon mit mächtigem Sprung auf ihn geworfen, seine beiden Arme von unten her gepackt und hochgerissen.

Es folgte ein kurzer, wilder Verzweiflungskampf, dessen Ende indessen nicht zweifelhaft sein konnte, denn, wenn Bart Meyers in seiner Wut auch einem angeschossenen Eber glich, so war er doch kaum den sehnigen Armen Chicks gewachsen, und als nun auch Nick Carter selbst in Tätigkeit trat, da war er bald überwunden und mit eisernen Handschellen versehen.

»Wer seid Ihr, Kerl?«, schrie der gefesselte Verbrecher. »Wie dürft Ihr es wagen …«

»Nur ruhig Blut, lieber Mann«, erklärte Nick Carter mit unerschütterlicher Gemütsruhe. »Sie kennen uns ganz gut und wissen auch, dass wir hier nur erschienen sind, um Euer Hochwohlgeboren zu bitten, uns jene Zeichnungen und Modelle auszuhändigen, welche Sie ganz aus Versehen zuerst aus Mr. Herrons Wohnung und dann aus dem minder herrschaftlich eingerichteten Zimmer Ihres Busenfreundes Spike Thomas habt mitgehen lassen.«

Ganz verblüfft starrte Bart Meyers auf den Detektiv, dann rief er unter einem ellenlangen Fluch: »Wenn der Kerl dort nicht Nick Carter ist, so will ich’s loben!«

»Gewiss, der bin ich«, unterbrach ihn Nick Carter mit spöttischem Lächeln. »Wo befinden sich die gewünschten Papiere, verehrter Herr?«

»Hier nicht – und auch anderswo nicht!«, zischte Meyers, der vergeblich versucht hatte, sich inzwischen von seinen Fesseln zu befreien.

»Zieht den Kerl aus dem Bett!«, gebot Nick seinen Leuten, die schmunzelnd nähertraten.

Umsonst verwahrte sich dieser dagegen. Ja, Chick war rücksichtslos genug, sogar die Matratze samt dem darauf Liegenden mit starken Armen umzukehren – und siehe da – unter ihr und auf dem Sprungrahmen, durch den Druck wie glattgebügelt, lagen die so schmerzlich gesuchten Dokumente.

»Da haben wir ja, was wir suchen«, erklärte der Detektiv. »Richtig, hier ist ein Verzeichnis – und bis auf eine sind die Zeichnungen sämtlich hier!«

»Das Schlussstück befindet sich in meiner Tasche«, erklärte Patsy, das Papier hervorziehend. »Ich fand es gestern oben auf dem Dach.«

Nun wurde das ganze Zimmer um und umgekehrt, um das noch fehlende Modell ebenfalls aufzufinden, und schließlich wurde es in übel zugerichteter Verfassung, gequetscht und breitgedrückt, in einer Hutschachtel entdeckt.

»Well, der Schaden wird sich reparieren lassen«, erklärte der Detektiv. »Auf alle Fälle haben wir unseren Auftrag erledigt. Nun helft dem Gentleman in seine Kleider, und dann werden wir ihn der liebevollen Sorgfalt des nächsten Stationshauses überweisen und Klage gegen ihn erheben.«

So geschah es auch, und Bart Meyers, der wohl nun begreifen mochte, was die Glocke geschlagen hatte, ergab sich mit Gleichmut in sein unabänderliches Schicksal.

Zu Chicks Leidwesen fand sich der Unbekannte an seiner unfreiwilligen Schlafstelle nicht mehr vor. Es musste ihm gelungen sein, sich auf irgendeine Weise von seinen Fesseln zu befreien, und er hatte es jedenfalls vorgezogen, seine werte Person in Sicherheit zu bringen, anstatt auf die Ankunft der Detektive zu warten. Die New Yorker Luft musste ohnehin unvorteilhaft auf seinen Gesundheitszustand eingewirkt haben, denn er wurde fernerhin im der Hudsonmetropole nicht mehr gesehen.

Mr. Herrons Freude war eine große, als er sich schon nach solch kurzer Zeit wieder in den Besitz seines Eigentums zurückversetzt sah. Auch die geraubten Silbergeräte und Juwelen wurden dank der Bemühungen des Detektivs und seiner Gehilfen bei einem Trödler in Brooklyn in unversehrtem Zustand aufgefunden, beschlagnahmt und dem Bestohlenen wiederum zurückgegeben.

Ende

Als Band 15 dieser Serie erscheint:

Ein verbrecherischer Arzt

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