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Jim Buffalo – 2. Abenteuer – Kapitel 3

Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922

Der Schatz des Cagliostros
Das 2. Abenteuer Jim Buffalos

3. Kapitel

Der Überfall

Weit nach Mitternacht bewegte sich in langsamer Fahrt ein lang gestrecktes Automobil mit abgeblendeten Scheinwerfern auf den Felskegel von Lambertsen zu, um in knapper Entfernung von dem Stift zu halten.

Zwei Männer schlüpften aus dem eleganten Wagen.

»Ich warne Sie noch einmal, Frank!«, raunte Jim Buffalo dem Chauffeur zu. »Es kann unser Leben kosten!«

»Ich schlage es gerne in die Schanze!«, erwiderte der wackere Mann, der seit fast zwei Jahren schon in seinen Diensten stand.

Stumm schritten sie auf das Stift zu.

»Vergessen Sie nicht, was wir verabredet haben!«, flüsterte Buffalo, als er mit leichtem Schwung über die Mauer voltigierte. Das Stift lag in tiefer Stille. Leise huschten die Männer über den Hof und drückten an der Seitenfront ein Fenster ein, durch das sie sich in das Innere schwangen.

»Lebend müssen wir sie haben!«, sagte Jim Buffalo leise. »Nur wenn es sich nicht vermeiden lässt und unsere persönliche Sicherheit auf dem Spiel seht, abdrücken!«

Frank Morton nickte.

Schritt für Schritt drangen sie vor.

Von seinem ersten Besuch in dem geheimnisvollen Stift her konnte sich der kühne Abenteurer noch mit ziemlicher Bestimmtheit der örtlichen Verhältnisse entsinnen. Rechts befand sich die unheimliche Kapelle, in der man ihm damals ein so schreckliches Ende bereiten wollte, und links lagen die unzähligen kleinen Kammern, die den Winter über zu Aufbewahrungszwecken von Nahrungsmitteln dienten.

Wie phantomhafte Schatten huschten die beiden Männer über die finsteren Gänge. Hin und wieder kreuzten einige langschwänzige Ratten ihren Weg und blieben mit funkelnden Augen in Ecken und hinter allerlei Gerätschaften hocken, als wollten sie das nächtliche Beginnen der beiden Männer beobachten.

Plötzlich verhielt Buffalo den Schritt.

Ein lautes Schnarchen war an sein Ohr gedrungen.

Sie befanden sich in unmittelbarer Nähe einer Tür, hinter der das Geräusch zu erklingen schien. Auf leisen Sohlen pirschte sich der unerschrockene Abenteurer heran und presste das Ohr an die dünne Trennwand. Für Sekunden blitzte es in seinen Augen auf.

»Wir sind am Ziel!«, raunte er dem Begleiter zu. »Wir stehen vor dem Schlafsaal der Grauen Schwestern

Noch ein paar geflüsterte Worte der Verständigung – dann öffnete Buffalo lautlos die Tür. Der Mond warf sein fahles Licht in den langen Raum, in dem Bett an Bett stand. Zwei der Fenster standen offen, sodass die würzige Nachtluft ungehindert Einlass fand.

Jim Buffalos Kampf hatte noch nie Frauen gegolten. In diesem Fall aber wusste er, dass diese schlafenden Weiber hier gefährlicher als die doppelte Anzahl Männer werden konnten. Jene entsetzliche Stunde hatte ihn damals vollauf darüber belehrt, dass sich das Dichterwort Dann werden Weiber zu Hyänen! immer noch bewährte. Vorsicht war geboten, wenn nicht ein ganz furchtbares Blutbad angerichtet werden sollte.

Buffalo überflog im Nu die Schlafenden. Er zählte achtundzwanzig Frauen, die sämtlich das vierzigste Lebensjahr überschritten hatten. Der Mond machte den Saal fast taghell. Daher kam es, dass er mit ziemlicher Deutlichkeit die Gesichter erkennen konnte.

Lautlos huschte er von Bett zu Bett, um dann zu Frank Morton zurückzukehren.

»Die Vorsteherin des Stifts ist nicht darunter!«, sagte er fast unhörbar zu diesem. »Sie kann nicht weit sein. Ihr Zimmer wird sich in allernächster Nähe befinden!«

Dann gingen die beiden Männer planmäßig vor. Vorsichtig zogen sie kleine Fläschchen aus der Tasche und lösten die Korken. Eine helle Flüssigkeit war im fahlen Schein des Mondes zu erkennen.

Äther …

Dann begann ihre unheimliche Tätigkeit. Frank Morton übernahm die vierzehn rechtsseitigen, Jim Buffalo die vierzehn linksseitigen Betten. Bei jeder Schlafenden verweilte er einige Sekunden, die jedoch genügten, der jeweiligen Frau die entkorkten Fläschchen unter die Nase zu halten, die einen scharfen Geruch ausströmten, der von den Schlummernden tief eingeatmet wurde.

Durch das Einatmen wurden die Frauen in eine mindestens 24 Stunden währende Bewusstlosigkeit versetzt, eine Zeit, die Jim Buffalo für sich und seine Ziele in genialer Weise auszunutzen gedachte.

Alles ging gut. Und doch sollte etwas geschehen, was seine Arbeit bedeutend schwieriger machte. Sämtliche vierzehn Frauen der linken Seite waren von ihm eingeschläfert worden, während Frank Morton nicht so gewandt mit seinem Tun fertig wurde. Als sich Buffalo nach ihm umwandte, sah er, dass Morton noch vier Frauen zu besuchen hatte.

Gerade wollte er zu ihm hinüber, um ihm einen Teil der sonderbaren Arbeit abzunehmen, als Frank Morton über einen Schemel stolperte.

Krachend fiel er zu Boden.

Wie zur Salzsäule erstarrt blieb der Chauffeur stehen. Fahle Blässe bedeckte sein Gesicht.

Da fuhren auch schon die vier noch nicht betäubten Weiber hoch. Ehe die Männer es verhindern konnten, sprangen sie in langen Gewändern aus den Betten und rannten schreiend zur Tür.

Ihre Hilferufe gellten grauenerregend durch das verwitterte Gemäuer.

Da war aber auch schon Jim Buffalo auf den Beinen. In Riesensätzen durchmaß er den Saal und erreichte um etliche Sekunden eher als die vier schreienden Weiber die rettende Tür.

»Halt!«, donnerte er. »Hiergeblieben!«

Die Frauen taumelten zurück.

Da schoss auch schon Frank Morton heran. Er hatte blitzschnell sein Taschentuch mit dem betäubenden Äther getränkt und drückte es jetzt den Frauen vor das Antlitz.

Plötzlich erhielt Jim Buffalo von hinten einen furchtbaren Schlag, der ihm fast die Sinne nahm. Nur unter Aufraffen aller Energie behielt er die Herrschaft über sich selbst und drehte sich um.

Die Tür war aufgestoßen worden. Auf der Schwelle stand die lange, hagere Gestalt der Vorsteherin mit Augen wie feurige Kohlen. In der knochigen Hand hielt sie eine kurze Eisenstange, die sie nun, wahrscheinlich vom Lärm herbeigelockt, zum zweiten Mal hob, um sie auf Jim Buffalos Schädel niedersausen zu lassen.

»Stirb!«, keuchte sie dabei aus geiferndem Mund.

Jim Buffalo umklammerte den knochigen Arm mit eisernem Griff, dass das teuflische Weib wild aufschrie und die furchtbare Waffe fallen ließ.

Geistesgegenwärtig sprang Buffalo zurück. Die Stange hätte zweifellos seine Füße zerschmettert. Diese sekundenlange Frist genügte der Vorsteherin jedoch, mit hassverzerrtem Gesicht das Weite zu suchen.

Jim Buffalo jagte ihr ohne zu zögern nach. Über Treppen, Gänge, weite Hallen, düstere Kammern ging die wilde Jagd. Das hagere Weib lief um sein Leben, und dieses Gefühl verlieh ihm die verzweifelte Kraft zur Flucht. Jim Buffalo vermied absichtlich den Gebrauch der Schusswaffe. War alles bisher ohne Blutvergießen, so sollte auch diese Frau hier unverletzt in seine Hand fallen, wenn es nun schon einmal vereitelt war, sie bewusstlos zu machen.

Er musste sich jedoch in seiner Hoffnung, die Vorsteherin in seine Gewalt zu bekommen, getäuscht sehen, denn die Frau war plötzlich vor seinen Augen verschwunden. Grimmig stampfte er mit dem Fuß auf und blickte sich um.

»Sie kann nur im Keller sein!«, murmelte er, als er an der Seite eine offene, eisenbeschlagene Tür entdeckte, hinter der eine steinerne Treppe in die Tiefe führte. Lauschend trat er heran. Doch nichts regte sich. Nach kurzem Überlegen schloss er die Tür und drehte den kunstvoll gefertigten Schlüssel herum, um ihn dann in der Tasche verschwinden zu lassen.

»So!«, murmelte er. »Du entrinnst mir nicht!«

Dann kehrte er gedankenvoll in den Schlafsaal der Stiftsfrauen zurück.

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