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Ritter Busso von Falkenstein – 9. Teil

Ritter Busso von Falkenstein
oder die Geheimnisse der Totengruft
Ein schauderhaftes Gemälde aus den Ritterzeiten
Verlegt durch Gottfried Basse zu Quedlinburg, 1813

Nachdem sie daher ihren verräterischen Plan, wodurch sie ihr Glück zu machen glaubt, geschmiedet hatte, nahm sie den Schlüssel und ging hinaus, aber nicht, um sich zu der Hütte des Bauern, sondern zum Ritter Friedrich in aller Eile zu begeben. Sie hatte sich sorgfältig vermummt, damit sie keiner von den Leuten des Grafen erkennen konnte. Sobald sie dort ankam, wandte sie sich an einen alten Knappen Friedrichs, von dem sie überzeugt war, dass er verschwiegen und seinem Herrn sehr ergeben sei und durch welchen sie auch sogleich zu ihm geführt wurde.

Friedrich, nachdem er den Ritter Busso nach ihrer Trennung im Wald vergebens gesucht hatte, erfuhr bei seiner Rückkehr, dass sein Vater zum Schloss Rabeneck gereist sei. Er hatte also den ganzen Tag allein zugebracht, sich seinen Gedanken überlassen und war sehr missmutig. Bei Leonores Anblick aber erheiterte ein Strahl der Hoffnung seine Stirn. Er war begierig auf die von ihr zu hoffenden Neuigkeiten.

»Was ich Euch, edler Ritter, erzählen werde«, fing sie an, »ist von der Art, dass, wenn Ihr es bis zu Ende gehört habt, ich gewiss auf Eure Erkenntlichkeit rechnen darf. Inzwischen muss ich Euch gestehen, dass das Wichtigste, was ich Euch sage nicht erfreulich für Euch sein kann. Ihr habt einen Nebenbuhler, an den Ihr nie gedacht hättet.«

»Was? Einen Nebenbuhler? Wie heißt er?«

»Erlaubt mir zuvor, gestrenger Ritter, Euch zu fragen, wie Ihr zu dem Helm kamt, den Ihr neulich getragen habt, als Ihr in unserer Burg wart?«

»Dies war der Helm eines im Dienst des Kaisers stehenden Ritters«, erwiderte Friedrich. »Ein unvorhergesehenes notwendiges Geschäft veranlasste mich einst zu einer Reise. Bei dieser Gelegenheit borgte ich ihn, da er leichter und bequemer als der meine war. Er gefiel mir und tauschte ihn gegen einen anderen ein. Was tut aber bis zur Sache?«

»Nennt sich jener Ritter nicht Busso?«, fragte Leonore.

»Ja, so heißt er«, antwortete Friedrich.

»Vernehmt also, dass dieser Busso Adelheids angebeteter Liebhaber ist.«

Bei diesen Worten sprang Friedrich wütend auf. Er erinnert sich nun wieder an das Gespräch mit dem Ritter Busso, welches sie erst am Morgen dieses Tages miteinander gehabt hatten, und wunderte sich, dass er das nicht gleich erraten hatte, was er nun zu seinem größten Leidwesen erfahren musste. Seine Wut brach in furchtbare Verwünschungen aus, und Leonore musste ihre ganze Beredsamkeit aufbieten, um zu verhindern, dass er nicht augenblicklich seinen Nebenbuhler aufsuchte und schreckliche Rache an ihm übte.

»Wenn sich Euer Zorn gelegt hat und Ihr gelassener geworden seid, gestrenger Ritter«, sagte sie zu ihm, »so werde ich Euch einen Vorschlag zur Rache tun, die sicherer sein wird als die, welche Ihr von Eurem Schwert erwarten könnt.«

»Welche Rache?«, fragte der Ritter hocherfreut. »Von nichts als Rache musst du sprechen, wenn ich dich hören soll.«

»Diese Nacht«, sagte Leonore, »soll Ritter Busso das Fräulein Adelheid entführen. Sie würde vielleicht nicht eingewilligt haben, wenn ich ihre Bedenklichkeiten nicht zu beseitigen gewusst hätte. Ich versprach ihr, Ritter Busso in den Garten zu führen, wo es ihm leicht sein wird, zu ihr zu kommen.«

»Ist das, Leonore, ein Beweis deiner Treue, die du mir so oft zugesagt hast?«

»Das sollt Ihr gleich selbst beurteilen. Hier habt Ihr den Schlüssel zur Gartentür und eine weiße Feder, die Ihr auf Euren Helm zu stecken nicht verabsäumen wollt. Wenn Adelheid dieselbe sieht, so wird sie Euch sogleich für Ritter Busso halten, und Ihr könnt sie dann hinführen, wohin es Euch beliebt.«

»Ach! Leonore«, rief er, »welch ein Beweis von Klugheit! Hierin erkenne ich deine weisen Ratschläge. Dies ist ein vortreffliches Mittel, an beiden zugleich Rache zu üben.«

»Dies ist noch nicht alles«, sagte Leonore. »Ihr werdet Euch erinnern, dass ich Euch eines Tages, da ich noch nicht wusste, dass Adelheid einen anderen Liebhaber hatte, den Vorschlag tat, heimlich mit ihr zu fliehen, um, eine Verbindung zu vereiteln, die ihr gänzlich zuwider war. Ich erhielt damals von Euch zur Antwort, dass Ihr Gefahr liefet, Euer eigenes Glück zu untergraben, wenn Ihr einen Schritt wagtet, der Eures Vaters Zorn unfehlbar gegen Euch rege machen würde.«

»Ach! Dies ist jetzt meine geringste Sorge«, rief der ungestüme junge Mann. »Ich bin bereit, lieber mein ganzes Glück, und wenn es sein muss, selbst mein Leben aufs Spiel zu sehen, als eine so gute Gelegenheit ungenutzt vorbeigehen zu lassen.«

»Weder das eine noch das andere ist nötig«, erwiderte Leonore. Ich habe dem Fräulein den Vorschlag gemacht, sie auf ihrer Flucht zu begleiten. Ihr dürft mich nur gleich den folgenden Tag zum Schloss zurückkehren lassen. Ich werde alsdann den ganzen Vorfall dem Ritter Busso zur Last zu legen wissen und meine Erzählung so einrichten, dass aller Argwohn von Euch entfernt wird und sowohl Euer Vater als auch der Adelheids sich veranlasst finden sollen, ihren Zorn gegen Busso auszulassen. Um jedoch keine Zeit zu verlieren, werde ich jetzt gleich zu Eurem Nebenbuhler eilen und ihm sagen, dass seine Geliebte durch mehrere Umstände verhindert würde, diese Nacht mit ihm zu fliehen und ihr dies erst die morgige Nacht möglich sei. Auf diese Art wird er sich selbst den Händen seiner Feinde überliefern. Und bedenkt selbst, gestrenger Ritter, wenn Euer Vater erfährt, dass er sein Nebenbuhler ist und seine Geliebte entführt hat, wird er sich nicht bereitwillig finden lassen, die schrecklichste Wut an ihm auszuüben?«

Obwohl Leonore erzeugt war, dass ihr mit so viel Klugheit überdachter verräterischer Plan dem Friedrich angenehm sein müsse, so übertraf dessen Freude doch noch ihre Erwartung. Er machte ihr glänzende Versprechungen, zog einen mit kostbaren Steinen besetzten Ring vom Finger und überreichte ihr selbigen mit der Bemerkung, ihn vorläufig als einen Beweis seiner unbegrenzten Erkenntlichkeit anzunehmen. Leonore nahm dieses Geschenk mit Vergnügen an und gab dem Ritter noch einige Ratschläge in Hinsicht seines Benehmens gegen Adelheid, um diese desto sicherer in seine Schlinge zu locken. Hierauf verließ sie ihn und eilte zur Unterkunft des Bauern, wo Ritter Busso sie längst mit Ungeduld erwartete. Als er sie gewahr wurde, eilte er ihr freudig entgegen und fragte nach dem versprochenen Schlüssel zum Garten.

»Ach!«, sagte sie mit erheucheltem Unwillen, »Adelheid schickt mich, Euch wider meinen Willen eine Botschaft zu bringen, die Euch nicht angenehm sein wird. Es ist ihr nämlich nicht möglich, in dieser Nacht die Burg zu verlassen.«

»Unmöglich!«, rief Busso erschrocken, »ach! Leonore, was bringst du mir für eine traurige Nachricht. Sollte Adelheid vielleicht ihr mir gegebenes Wort zurücknehmen wollen?«

»Dies kann ich dem edlen Fräulein nicht zutrauen, gestrenger Ritter«, antwortete sie, »und Ihr müsst diese kurze Verzögerung als eine notwendige Maßregel zur Sicherstellung Eures Unternehmens und Eures Glücks betrachten, das dem Fräulein mehr noch als ihr eigenes am Herzen liegt. Nehmt die Versicherung, dass Adelheid in der morgigen Nacht unfehlbar die Eure werden soll.«

»Und warum nicht schon diese Nacht?«

»Hört mich an«, antwortete die treulose Leonore. »Gleich nach der Abreise des Grafen ging ich in die Burg, um den Schüssel zu holen, fand ihn aber nicht auf seiner gewöhnlichen Stelle. Adelheid erfuhr zu ihrer großen Betrübnis, dass ihr Vater nötiger Geschäfte wegen ausgegangen war, und, da er die Zeit seiner Rückkehr nicht genau bestimmen konnte, den Schlüssel mit sich genommen hatte, um keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und durch den Garten zur Burg zurückzukehren.«

»Wäre es nicht möglich, über die Gartenmauer zu steigen?« rief der Ritter.

»Ach! Bedenkt doch, dass Ihr in diesem Fall Gefahr liefet, vom Burgherrn bei seiner Rückkehr bemerkt zu werden. Er könnte Euch mit Adelheid begegnen und unser ganze Plan und Euer künftiges Glück wäre auf einmal für immer vereitelt. Er würde Euch seine Tochter mit Wut entreißen. Und wolltet Ihr sie auch in Schutz nehmen, so käme sie dadurch in eine noch traurigere Lage, indem sie vielleicht ihren Vater unter Eurem Schwert fallen sähe. Dieser schreckliche Gedanke hat einen so tiefen Eindruck auf ihr Gemüt gemacht, dass sie sich zu diesem gefahrvollen Unternehmen für diese Nacht auf keinen Fall entschließen kann. Morgen aber sind dergleichen Gefahren nicht zu befürchten. Seid versichert, morgen soll sie mit Euch der Tyrannei derer entfliehen, die sie zu einer Verbindung zwingen wollten, die ihrem Herzen so zuwider ist.«

Busso war über diesen, ihm höchst unangenehmen Verzug sehr niedergeschlagen. Die verräterische Zofe aber versuchte ihn mit so vieler Beredsamkeit zu trösten, erheuchelte so süße Worte, nahm so innige Teilnahme an seinen Angelegenheiten, dass ihr endlich gelang, ihn zu beruhigen und beschloss, sein Vorhaben nächste Nacht auszuführen. Leonore versprach, mit Anbruch des Tages wiederzukommen, um ihn zu benachrichtigen, ob er vor der Flucht noch eine Zusammenkunft mit Adelheid haben und sich wegen der zu nehmenden nötigen Maßregeln nochmals besprechen könnte. Dann verließ sie ihn und ging zur Burg zurück, wo Adelheid sie längst mit Ungeduld erwartete. Um ihr langes Ausbleiben zu entschuldigen, gab sie vor, Busso habe sie so lange auf gehalten und sich umständlich über das Befinden des Fräuleins erkundigt. Die leichtgläubige Adelheid freute sich herzlich über die Teilnahme ihres Geliebten an ihrem Schicksals. Übrigens fing sie schon während Leonores Abwesenheit an, in ihrem Vornehmen wankend zu werden. Die Furcht, sich durch ihre Verbindung mit Busso gegen ihres Vaters Willen eines Versehens schuldig zu machen, hatte sie beinahe bestimmt, zu bleiben und ihr Glück der Pflicht aufzuopfern. Leonores mächtige Worte aber reizten ihren Abscheu gegen den Grafen dergestalt und nahmen ihr Herz hingegen für Busso so ein, dass sie sich von Neuem fest entschloss, ihren Vorsatz auszuführen. Mit der größten Ungeduld erwartete sie nun die zur Abreise bestimmte Stunde, um nicht etwa durch reiflichere Überlegung nochmals gegen den gemachten Plan eingenommen zu werden.

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