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Ein Ostseepirat Band 1 – Das Signal

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band

XXVII. Das Signal

Die Küste von Wittow beginnt sich bei dem Dorf Dranske zu heben; ebenso auf der anderen Seite hinter der Düne Schaabe und dem Dorf Drewoldke. Sie steigt dann von beiden Seiten allmählich höher und bildet steile, zerklüftete Wände von Ton und Mergelstoff mit mächtigeren und kleineren Granitblöcken auf der Sohle, die am Vorgebirge Arkona die Höhe von zweihundertsiebzig und einigen Fuß erreichen.

Arkona, auf dem nun ein Leuchtturm steht, ist derselbe Fleck Erde, auf dem dich einst die mächtige wendische Burg des Götzen Swantowit erhob. Noch befindet sich dort ein Wall gegen hundert Fuß Höhe aus jener Zeit.

Südwärts von diesem Burgwall bildet die steile, den Wogen und Stürmen entgegenstrebende Küste scharfe Ecken, besonders bei den Dörfern Vitt, Goor und Nobbin, die zugleich Einbuchtungen haben.

Hinter der scharfen Ecke von Goor befindet sich deshalb bei Nordostwind ein völlig geschützter Fleck, der zugleich ein hübsches Versteck abgibt, in den man nur von der Schaabe und den ihr nahen Gewässern aus einen Blick werfen kann.

Es ist ein einsamer Platz, ein wüster, wilder Ort zugleich, und alles Leben, welches man meistens hier unten wahrnimmt, besteht in den Möwen, welche über der See schweben, oder den Seehunden, die träge auf den Felsen umherliegen.

Obwohl die durch den Nordoststurm noch immer aufgeregte See ihre langen gewaltigen Wogen durch die Tromper Wiek der Schaabe zurollte, war unter Goor doch fast glattes Wasser. Hier finden wir gegen Abend den Schoner Merkur vor Anker liegend wieder.

Es war sicher eine große Kühnheit vom Kapitän desselben, sich nach dem Vorgefallenen hier an dieser Stelle aufzuhalten. Doch ein bedeutender Grad von Verwegenheit war der Hauptzug in dem Charakter Jacobsons, und wie er richtig geschlussfolgert hatte, suchten ihn seine Verfolger hier nicht.

Im Übrigen waren alle Hände tätig am Bord des Schiffes, denn auch der Schoner hatte bei dem kurzen Kampf gelitten, obwohl sein Verlust gegen den der Brigg nicht in Anschlag gebracht werden konnte.

Oben auf dem Ufer stand indessen ein Mann als Ausguck und spähte auf See und Land hinaus, um zur rechten Zeit etwa nahende Gefahr zu entdecken.

Unter Swietens Leitung war eine neue Stenge bereits wieder emporgebracht worden, und man war eifrig dabei, die Takelage aufzusetzen.

Jacobson beschäftigte sich dagegen mit der Ausrüstung der beiden Boote des Schoners, als wollte er eine Landexpedition vornehmen.

»Nun, mich soll wundern«, sagte er nach einiger Zeit, »ob der alte Nehls Wort halten wird. Es beginnt zu dämmern!«

»Ja, und wir werden mit der Dämmerung fertig sein«, antwortete Swieten. »Also, Sie wollen wirklich das Mädchen entführen, Kapitän?«

»Wer hat Euch das gesagt, Swieten?«, fragte Jacobson überrascht.

»Hm!«, meinte dieser lächelnd, »das ist nicht schwer zu erraten. Ich habe noch nicht wahrgenommen, dass Kapitän Jacobson sich viel aus Frauenzimmern machte, doch denke ich, dass, wenn er sich eine Braut oder Frau wünscht, er dieselbe nimmt, wo er sie eben findet, ohne eben viel zu fragen, ob man sie ihm geben will!«

»Nun ja, Swieten«, antwortete der Kapitän, »es ist etwas an Eurer Vermutung, doch will ich nicht grade eine Entführungsgeschichte ins Werk setzen. Nach dem, was vorgefallen ist, muss ich befürchten, dass das Mädchen einen schweren Stand haben wird. Ich bin es ihr daher schuldig, dem Vater einigen Aufschluss über meine Person zu geben, und ist derselbe dann nicht vernünftig oder will mir das Mädchen folgen, so weiß ich allerdings nicht, was geschehen kann.«

»Ganz gut!«, erwiderte Swieten, »doch werden nicht die Schweden, welche wie die toll gewordenen Stiere da hinauf gerannt sind, zurückkommen?«

»Bis dahin hoffe ich zu Stande zu sein!«, sagte der Kapitän. »Sagt einmal, Swieten, ob wir nicht völlig in preußische Dienste treten?«

»Ich nicht!«, brummte Swieten, »und Sie auch nicht, sollte ich denken!«

»Gut, wir werden sehen!«, murmelte Jacobson, augenscheinlich unzufrieden, dass der Steuermann nicht Lust hatte, auf das Thema einzugehen. »Schickt die Leute in die Boote, ich will abgehen!«

Beide Boote wurden schnell bemannt, während der Kapitän in die Kajüte ging, um sich zu dem beabsichtigten Ausflug umzuziehen.

Als er wieder heraufkam, empfahl er dem Steuermann Wachsamkeit, stieg in die Schaluppe hinab, und beide Fahrzeuge segelten, hart am Ufer entlang steuernd, davon.

Noch ehe sie über Dranske hinaus waren, herrschte vollkommene Finsternis. An dem flachen Sandstrand des Bug ließ Jacobson anlegen und wartete hier bis Mitternacht. Seine Unruhe stieg sichtlich mit jeder Minute, als er immer noch nicht das mit dem alten Nehls verabredete Signal erblickte. Jedoch fast pünktlich um zwölf Uhr stieg in West-Süd-West ein Licht empor und sank ebenso schnell wieder. Gleich darauf erschienen zwei übereinander und zuletzt wieder ein einzelnes.

»Auf, Jungen!«, rief Jacobson seinen Leuten zu, »es ist Zeit. Das andere Boot folgt hart hinter meinem Spiegel, bis ich es anders bestimme!«

Die Matrosen verrichteten lautlos die Arbeit des Segelsetzens, machten ihre Waffen handlich, und die Boote schossen von Neuem in die See und die Dunkelheit hinein und gerade auf den Dornbusch zu.

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