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Ein Ostseepirat Band 1 – Ein Geständnis

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman
Erster Band
XXV.

Ein Geständnis

Es waren einige Stunden seit dem gestörten Früh­stück im Griebenschen Haus vergangen. Der Schoner war nordwärts mit seinem wieder eingeschifften Kapitän verschwunden. Die Brigg lag unterm Entenborn auf dem Strand, glücklicherweise so, dass sie Überlandwind und schwaches Wasser hatte. Auf ihrem Deck waren einige Leute beschäftigt, die Wunden anderer zu ver­binden. Eine Anzahl Matrosen wand die Geschütze aus dem Zwischendeck empor, um sie an Land zu bringen.

Auf dem Strand standen der Baron Staelswerd und der Leutnant Dalström in lebhafter Unterhaltung begriffen. In ihrer Nähe befand sich der alte Lotse Nehls. Niemand hatte bemerkt, dass er beim Abgang des Kapitäns Jacobson einige Worte mit demselben gewechselt hatte. Eine Menge Neugieriger umstand jene Gruppe. Im Schloss Grieben gab es dagegen eine etwas stürmische Szene. Die Glieder der kleinen Familie hatten sich in dem gewöhnlichen Wohnzimmer versam­melt und der Major durchmaß dasselbe mit großen Schritten.

Die Frau saß auf einem Stuhl am Fenster und das in ihrer Hand befindliche, feuchte Tuch deutete an, dass sie geweint habe.

Clara und Sophie saßen eng aneinander ge­schmiegt auf dem Sofa. Clara sah blass und leidend aus.

»Es ist eine Schmach für mein Haus!«, sagte der Major, »und ich bleibe dabei, es ist eine Schande für uns, einen solchen Menschen sozusagen in die Fa­milie förmlich aufzunehmen!«

»Dennoch …!«, meinte die Frau leise.

»Ja eben dennoch!«, fuhr der Major heftig fort. »das ist es ja, was ich sage, dennoch hat sich dieser Jacobson in einer Weise benommen, die man ritterlich nennen könnte. Wir sind ihm Dank schuldig!«

»Übrigens hast du ihn selbst eingeladen«, begann die Frau wieder, »er würde ohne deine Einladung sich sicher nicht aufgedrängt haben!«

»Aber er ist in falscher Gestalt erschienen«, murrte der Major, »und das ist eine schwere Schuld. Na­türlich hätte sich der Baron sein Wild suchen können, wo er Lust hatte, nur nicht bei mir. Doch es wird ihm Vergnügen gemacht haben, mich so bloßzustellen!«

»Wir müssen milder über beide Männer denken!«, sagte die Frau. »Für den Baron spricht das Gebot seiner Pflicht!«

»Jawohl, Frau!«, rief Grieben ärgerlich, »es fehlte nur noch, dass ihn dieses Gebot veranlasste, mein Haus zum Kampfplatz zu machen. Ich kann ihm beim besten Willen für seine Handlungsweise keinen Dank wissen!«

»Dank und Entschuldigung ist zweierlei, lieber Mann!«

»Gut, es mag sein, aber womit entschuldigst du unser Töchterlein? Ha! Weiß Gott, Mädchen, ich könnte dich hassen, wenn ich dich nicht so lieb hätte!«

Der kleine Major nahm sich fast komisch aus in seinem Zürnen, obwohl zugegeben werden muss, dass er Ursache dazu hatte und in eine peinliche Lage ge­raten war.

»Ihre Aufregung …!«, sagte die Frau.

»Aufregung hin, Aufregung her«, sagte der Major heftig, »es fehlte nur noch, dass sich Clara dem Mann an die Brust geworfen hätte!«

»Grieben …!«, bat die Mutter mit flehendem Blick.

Seit einiger Zeit bereits hatte sie die Berührung dieser Seite befürchtet und gewiss wunderte sie sich zugleich darüber, dass ihrem Gemahl die wahren Empfindungen der Tochter entgangen waren. Clara ihrerseits bebte bei jedem Wort des Vaters zusammen und schmiegte sich enger an die Schwester, als müsse sie am Busen derselben Schutz suchen.

»Ich gebe es zu«, hob der Vater von Neuem an, »dass die Mädchen dem Mann dankbar sein mussten, wenn er für uns der Kapitän Dyk geblieben wäre, doch seit sein wahrer Name und sein gefährlicher, ver­brecherischer Charakter bekannt geworden ist, konnte es nicht anders sein, als dass jede Beziehung der Mäd­chen zu ihm aufhörte. Meine Sade war es, für sie einzutreten!«

»Der Kapitän ist kein Verbrecher!«, flüsterte Clara.

»Nicht!«, rief der Major erstaunt.

»Er hat es abgeleugnet!«, fuhr Clara lebhafter fort, »und sein ganzes Benehmen zeigt, dass er nicht lügen kann!«

»Dass dich …!«, stieß Grieben hervor, »und sein falscher Name, der Schein, den er sich gegeben hat, der ganz ehrenwerte Stand, unter dem er hier aufgetreten ist?« Clara errötete. »Es ist Krieg!«, flüsterte sie.

»Ein schöner Krieg, den diese Art von Leuten führt!«, rief der Major. »Doch zum Henker – da fällt mir etwas ein …! Frau, wo haben wir denn unsere Augen gehabt? Mädchen ich will doch nicht hoffen, und weiß Gott, in mir dämmert eine eigene Ahnung auf. Du hast die Hand des Barons, der, eine Klei­nigkeit abgerechnet, eine ganz angemessene Partie für dich war, ausgeschlagen, ohne eigentlich erkennbaren Grund … sollte etwa gar …!«

Clara erglühte dunkel und barg schluchzend ihr Gesicht an dem Busen der Schwester.

»Tod und Teufel!«, fuhr der Major auf.

»Väterchen!«, sagte die Frau sich erhebend, »mäßige dich, ich habe bereits früher erkannt, was dir jetzt klar wird, doch hier hilft kein Zürnen. Überlasse mir das Nötige!«

»Gott, wie strafst du mich!«, rief der Major in seiner Verzweiflung, »auch das noch … verwünscht sei diese Stockholmer Erziehung, die mir die Kinder verwirrt gemacht hat und mich zu verderben droht. In welchen Verhältnissen stehst du mit dem Freibeu­ter, Mädchen … hast du ihn öfter gesehen als wir?«

»Sicher nicht!«, antwortete die Mutter statt der Tochter.

»Nun denn … ist etwas zwischen euch gesprochen? Der Herr schütze mich, dass ich nicht noch den Verstand verliere!«

»Geht hinaus, Kinder!«, sagte die Mutter.

»Nicht von der Stelle!«, rief Grieben, »erst muss ich wissen, was ist es zwischen dir und dem Kapitän?«

Die Frau hatte sich zwischen den Major und die Kinder gestellt. Die beiden Mädchen hielten sich, heftig weinend, eng umschlungen.

»Frau!«, rief der Major, dessen einen Moment milder gewordener Zorn sich wieder steigerte, »soll unsere lange friedliche und zufriedene Ehe an der Klippe, die eine tolle Mädchenlaune bildet, scheitern?«

»Teurer Mann!«, sagte die Frau, ebenfalls in Tränen ausbrechend.

Plötzlich jedoch erhob sich Clara. »Verzeihung, teure Eltern!«, sagte sie mit fast von Schluchzen unterdrückter Stimme, »ich mag un­dankbar erscheinen, ich mag nicht länger wert sein, Ihr Kind zu heißen, aber Sie wollen die Wahrheit wissen, mein Vater. Hier ist sie: Ich liebe den Mann, habe ihn in mein Herz geschlossen vom ersten Moment unserer Begegnung an!«

Clara endete ihr Geständnis mit einem lauten Schrei, bedeckte ihr Gesicht mit den Händen und eilte hinaus. Der Vater wollte folgen, doch die Frau trat ihm wiederum in den Weg.

»Mir aus den Augen!«, schrie der Major seiner nicht mehr mächtig, sich auf einen Stuhl werfend, »das ist mein Ende, hätte ich solches nimmer erlebt!«

Es schien einen Moment, als ob die heftige Erregung des Mannes ihn in einen gefahrdrohenden krampfhaften Zustand versetzte.

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