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Die Sternkammer – Band 3 – Kapitel 13

William Harrison Ainsworth
Die Sternkammer – Band 3
Ein historischer Roman
Christian Ernst Kollmann Verlag, Leipzig, 1854

Dreizehntes Kapitel

Der ehrlose Ritter

Einige Sätze seines Rosses brachten Sir Jocelyn zu der königlichen Galerie, wo er abstieg. Sein Pferd einen Knappen übergebend ging er, von den Marschällen begleitet, die Stufen hinauf und befand sich gleich darauf in der Nähe des Königs. Jakob empfing ihn sehr gnädig. Zur Rechten des Monarchen stand der Graf von Gondomar, welcher seinem Schützling, als er sich näherte, zulächelte und auf ein silbernes Kästchen blickte, welches mit Diamanten, Perlen, Smaragden, Amethysten und anderen Edelsteinen angefüllt war und von einem Diener in der prächtigen Livree des Marquis von Buckingham getragen wurde.

»Wir begrüßen Euch als Sieger, Sir Jocelyn«, sagte Jakob, als der junge Ritter ihm eine tiefe Verbeugung machte, »und es freut uns, zu sagen, dass Ihr Euch ehrenvoll und gut auf dem Kampfplatz benommen habt. Was sagt Ihr, meine Herren?«, fügte er zu den Marschällen und den Übrigen gewendet hinzu, »soll nicht der Preis des Tages Sir Jocelyn zuerkannt wer­den?«

»Es muss von Rechtswegen geschehen, Eure Majestät«, versetzte der Erste von ihnen. »Der Ring konnte nicht besser genommen werden, wie Sir Jocelyn es tat, auch konnte kein größerer Vorteil im Turnier gewonnen werden, wie er über den Marquis von Bucking­ham erlangte. Er hat alles in Übereinstimmung mit den Regeln der Ehre und ohne Trug oder Überlistung getan.«

»Genug, Ihr Herren«, sagte Jakob. »Graf, Ihr habt Eure Wette gewonnen, und was Euch betrifft, Sir Jocelyn, Ihr habt Euch als einen wahren Spie­gel der Ritterschaft – exemplar antiquae fortitudinis et magnanimitatis (als ein Muster der alten Tapferkeit und Hochherzigkeit – nach dem Vorbild Bayards, des Ritters ohne Furcht und Tadel, und wie wir in diesen späten Tagen kaum einen zu sehen erwarteten, ge­zeigt. Ihr seid vollkommen berechtigt zu dem Preis, den Ihr gewonnen habt, und den seine Exzellenz Euch so freigebig überlässt.«

»Mit Eurer Erlaubnis will ich noch die Diaman­tenagraffe hinzufügen, die ich gegen die Edelsteine des Marquis wettete!«, sagte Gondomar, »und ich will Sir Jocelyn bitten, sie als ein Zeichen meiner Aner­kennung seiner Verdienste als Ritter zu tragen. Es ist kaum zu viel gesagt nach seinen letzten glänzenden Er­rungenschaften, dass er seinen Platz unter den Ersten der ausgezeichneten Ritter einnimmt, die den Thron Eurer Majestät umgeben.«

»Er nimmt seinen Platz als der Erste und Beste ein«, sagte Jakob mit Nachdruck. »Da er Buckingham überwunden hat, der bis heute den vorzüglichsten Platz unter unserer Ritterschaft eingenommen hat.«

»Eure Majestät überschütten mich mit Lobsprüchen«, versetzte Sir Jocelyn, »und ich kann nur dagegen sagen, dass meine besten Kräfte Eurem Dienst gewidmet sein sollen, wann und wie ich dazu aufgefordert werden mag. Was das Geschenk Eurer Exzellenz betrifft«, fügte er zu Gondomar gewendet hinzu, der den schimmernden Schmuck abnahm und ihm denselben überreichte, »werde ich es so sorgfältig aufbewahren, wie ein From­mer in Eurem Vaterland Spanien die kostbarste Reliquie aufbewahren würde.«

Dann wurde das Kästchen, welches die Edelsteine enthielt, auf einen Wink des Königs Sir Jocelyn über­liefert, der es von dem Diener empfing, eine Perlenschnur herausnahm, sie dem Marschall übergab und ihn bat, sie den Herolden als Geschenk zu überliefern, worauf der Beamte seinen Wunsch zu erfüllen versprach. Nachdem er jedem der Marschälle ein ähnliches Geschenk gewährt hatte, bat Mounchensey, das Kästchen seinem Knappen in Verwahrung zu geben, was auch sogleich geschah. »Ist alles beendet?«, fragte der König.

»Der Kampf um den Preis ist völlig entschieden«, entgegnete der Marschall, »aber es ist noch der Schwertkampf zu Pferd übrig, wenn es Sir Jocelyn gefällig ist, daran teilzunehmen.«

»Was sagt unser junger Ritter?«, fragte der Kö­nig. »Ist er bereit, die Lorbeeren aufs Spiel zu setzen, die er so trefflich gewonnen hat? Es dürfte ein gefährlicheres Zusammentreffen sein. Was er bereits getan hat, dürfte ihn wohl berechtigen, die weitere Gefahr abzulehnen, wenn er dazu geneigt ist.«

»Ich würde Eurer Majestät hohes Lob schlecht verdienen, wenn ich einen Augenblick zauderte«, versetzte Mounchensey, »aber so weit entfernt, Abneigung gegen den Kampf zu empfinden, würde ich bedauern, wenn mir diese Gelegenheit zur weiteren Auszeichnung verwei­gert würde. Mit Eurer Majestät gnädiger Erlaubnis will ich die Marschälle bitten, es durch die Herolde ver­künden zu lassen, dass ich jeden wahren Ritter zum Schwertkampf zu Pferd herausfordere.«

»Ihr werdet mit einem stumpfen Schwert fechten, Sir Jocelyn!«, rief der König. »Wir wollen nicht, dass das Leben aufs Spiel gesetzt werde. Unser lieber Junge, Steenie, hätte sich beinahe seinen lieben Schädel zerbrochen und wir wollen nicht, dass noch mehr Unheil angerichtet werde.«

»Die Turniergesetze, womit Sir Jocelyn ohne Zweifel bekannt ist«, sagte der Marschall, »fordern, dass das Schwert abgestumpft sei, wie Eure Majestät angegeben, und dass kein Schlag mit der Spitze der Waffe geführt werde. Diese Bedingungen müssen streng beobach­tet werden.«

»Es soll geschehen«, versetzte Sir Jocelyn, »und ich bitte Euch, Eure Pflicht zu tun und die Aufforde­rung zu machen.«

Hierauf entfernten sich der Marschall und seine Begleiter. Sir Jocelyn verneigte sich ehrerbietig vor dem König, ging ihnen nach, stieg die Stufen hinunter und schwang sich dann wieder in den Sattel.

Bald darauf und während ein auf die vorgeschrie­bene Weise abgestumpftes Schwert von seinem Knappen um seinen Leib geschnallt wurde, bliesen die Trompeten und die Herausforderung wurde vom Marschall ver­kündet. Sogleich wurde vom entgegengesetzten Ende des Kampfplatzes mit einem Trompetenstoß geantwortet und ein Herold, der auf diesem Punkt stand, rief mit lauter Stimme, dass die Herausforderung angenommen sei. Wieder steigerte sich die Aufregung unter den Zuschauern, wieder wurden die Augen aller auf Sir Jocelyn gerich­tet und wieder wurden manche inbrünstige Gebete von seinen zahlreichen schönen Zuschauerinnen für seinen günstigen Erfolg ausgesprochen – obwohl keine so inbrünstig wie das, welches Aveline aussprach. Sir Jocelyn warf einen Blick auf jenen Teil der Damengalerie, wo er wusste, dass sie sich befinde, und bereitete sich dann auf seinen letzten Versuch vor. Bisher wusste er noch nicht, wer sein Gegner sei; aber als ein Ritter in schwarzer Rüstung und mit schwarzem Federbusch auf seinem Helm unter dem Gerüst hervorritt, entdeckte er zu seinem großen Unwillen, dass es Sir Giles Mompesson sei. Nach augenblicklichem Nachdenken entschloss er sich, wie er handeln wollte. Als der Marschall das Signal zu Kampf gegeben hatte und Sir Giles, das Schwert in der Hand, auf den Kampfplatz stürzte, ritt Mounchensey auf ihn zu, aber ohne sein Schwert zu ziehen, erhob er sich im Sattel und gebot ihm mit Donnerstimme, sich zurückzuziehen. Bei der Heftigkeit, womit Sir Giles auf den Kampplatz stürmte, wurde er an seinem Gegner vorübergeführt, doch lenkte er herum und sah Mounchensey durch die Öffnungen seines Helmes wild an.

»Zurück, sagt Ihr?«, rief er. »Nicht anders, wenn Ihr Euch für überwunden erklärt. Ich gebiete Euch dagegen, kehrt zu dem Punkt zurück, von dem Ihr ausgegangen seid und beginnt den Kampf in gehöriger Form, oder ich werde Euch für besiegt halten und Euch nötigen, Euren Helmbusch zu senken.«

»Hört mich an«, rief Sir Jocelyn, »und lasst alle es hören. Ich forderte jeden wahren Ritter zum Kampf, aber Ihr gehört nicht dazu. Ich erkläre Euch hier öffentlich für einen falschen und ehrlosen Ritter und behaupte, dass Ihr meines Schwertes völlig unwürdig seid. Zurück an dem Platz, von dem Ihr ausgegangen seid, und wenn die Herolde ihre Pflicht tun, werden sie Euch die Sporen abhacken und Euch mit Schimpf und Schande aus den Schranken treiben.«

»Und denkt Ihr, ich werde mich dieser Beleidigung fügen?«, brüllte Sir Giles. »Zieht sogleich Euer Schwert und lasst uns einen tödlichen Kampf begin­nen.«

»Niemals«, versetzte Sir Jocelyn verächtlich. »Ich werde mich nicht mit Eurer Schande auf gleiche Linie stellen.«

»Dann beugt Euch zur Erde«, rief Sir Giles, einen furchtbaren Schlag mit seinem Schwert auf ihn führend.

Wenn der Streich getroffen hätte, wie es die Absicht war, so würde wahrscheinlich Mompessons Dro­hung bestätigt werden sein, aber Sir Jocelyn war selbst für seinen mächtigen Gegner zu vorsichtig und gewandt. Ehe das Schwert niederfallen konnte, ergriff er seines Gegners Handgelenk und im nächsten Augenblick bemächtigte er sich seiner Klinge. Dies geschah ohne Verletzung, da das Schwert abgestumpft war. Die Waffe noch festhaltend, erhob er sich in seinen Steigbügeln, um dem Schlag noch größere Gewalt zu verleihen, und verletzte Sir Giles mit dem Schwertknopf einen Schlag mit solcher Heftigkeit auf den Helm, dass er, wie von einer Kugel getroffen, aus dem Sattel stürzte.

Während dieser seltsamen Szene sprachen die Zuschauer kein Wort, sondern sahen nur mit großer Neugierde zu und wunderten sich, wie die Sache enden werde. Als Sir Giles von seinem Pferd stürzte und in völliger Bewusstlosigkeit am Boden ausgestreckt lag, wurde ein furchtbarer Ruf erhoben und Sir Jocelyn er­hielt ebenso viel Beifall, als ob er eine außerordentliche Waffentat verrichtet hätte – so allgemein war der Erpresser verabscheut. Auch gab man seine Teilnahme zu erkennen, als einige Augenblicke später Sir Giles von den Herolden vom Boden erhoben wurde. Als man ihm seinen Helm abnahm, zeigte er ein totenblasse Gesicht und ein Blutstrom lief langsam an seinen Schläfen herunter. Manche wären erfreut gewesen, wenn er getötet worden wäre, aber die Wundärzte erklärten, dass er nur von dem Schlag betäubt sei.

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