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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – 4. – 6. Bändchen – Kapitel II

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Viertes bis drittes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

II. Der Abbé Scarron

Es gab in der Rue des Tournelles eine Wohnung, welche alle Sänftenträger und alle Lakaien von Paris kannten, und dennoch war diese Wohnung weder die eines vornehmen Herrn noch die eines Finanzmannes. Man speiste daselbst nicht, man spielte nicht und man tanzte wohl auch nicht.

Dennoch war es der Sammelplatz der schönen Welt und ganz Paris begab sich dahin.

Diese Wohnung war die des kleinere Scarron.

Man lachte so viel bei diesem witzigen Scarron, man gab so viele Neuigkeiten zum Besten, diese Neuigkeiten waren so schnell kommentiert, zerrissen und in Märchen oder Epigramme verwandelt, dass jedermann eine Stunde bei dem kleinen Scarron zubringen, was er sagte, hören, und was er gesagt hatte, anderswohin verbreiten wollte. Viele brannten vor Begierde, ihren Witz dort anzubringen; war er gut, so konnten sie sich auf eine freundliche Aufnahme gefasst machen.

Der kleine Abbé Scarron, welcher nicht Abbé war, weil er eine geistliche Pfründe besaß, und ebenso wenig, weil er zu einem geistlichen Orden gehörte, war einst einer der zierlichsten Präbendare der Stadt Mans gewesen, wo er wohnte. An einem Karnevalstag aber wollte er über die Maßen diese gute Stadt genießen, deren Seele er war. Er ließ sich daher von seinem Bedienten mit Honig überstreichen, öffnete sodann ein Federbett, in welchem er sich umwälzte, und wurde so der groteskeste Vogel, den man sehen konnte. Er fing damit an, dass er Besuche bei seinen Freunden und Freundinnen in diesem seltsamen Kostüm abstattete. Anfangs folgte man ihm mit Verwunderung, dann mit Gezische, dann beleidigten ihn die Arbeiter auf den Straßen, dann warfen die Kinder Steine nach ihm, und endlich war er genötigt, die Flucht zu ergreifen, um den Wurfgeschossen zu entgehen. Von dem Augenblick an, wo er floh, wurde er von allen Seiten verfolgt, gedrängt, beworfen. Scarron fand kein anderes Mittel, seinem Geleit zu entkommen, als sich in den Fluss zu werfen. Er schwamm wie ein Fisch, aber das Wasser war eisig. Scarron troff von Schweiß. Die Kälte ergriff ihn, und als er das andere Ufer errichte, war er gliederlahm.

Man versuchte es durch alle mögliche bekannte Mittel, ihm den Gebrauch seiner Glieder wieder zu geben. Er hatte durch die Behandlung so viel auszustehen, dass er alle Ärzte fortschickte, mit der Erklärung, er wolle lieber krank sein und krank bleiben. Dann kam er nach Paris, wo sein Ruf als Mann von Geist bereits gegründet war. Hier ließ er sich einen Stuhl von seiner eigenen Erfindung anfertigen, und als er eines Tages in diesem Stuhl der Königin Anna von Österreich einen Besuch machte, fragte ihn diese, entzückt über seinen Witz, ob er nicht irgendeinen Titel wünsche?

»Ja, Eure Majestät, es gibt einen, nach welchem ich von ganzer Seele trachte«, antwortete Scarron.

»Und welcher ist dies?«, fragte Anna von Österreich.

»Der Eures Kranken«, erwiderte der Abbé.

Und Scarron wurde zum Kranken der Königin mit einer Pension von 1500 Livres ernannt.

Von diesem Augenblick an führte Scarron, dem seine Zukunft keine Sorgen mehr machte, ein lustiges Leben und verspeiste Kapital und Zins.

Eines Tags jedoch gab ihm ein Emissär des Kardinals zu verstehen, er hätte unrecht, den Monsieur Koadjutor zu empfangen.«

»Und warum dies?«, fragte Scarron, »ist es nicht ein Mann von Geburt?«

»Allerdings.«

»Liebenswürdig?«

»Unbestreitbar.«

»Witzig?«

»Er hat leider nur zu viel Witz.«

»Nun wohl«, versetzte Scarron, »warum soll ich einen solchen Mann nicht ferner sehen?«

»Weil er schlecht denkt.«

»Wirklich? Und von wem?«

»Vom Kardinal.«

»Wie!«, rief Scarron, »ich sehe fortwährend Monsieur Giles Depréaux und Ihr wollt, ich solle aufhören, den Monsieur Koadjutor zu sehen, weil er schlecht von einem anderen denkt? Unmöglich!«

Hiermit endete das Gespräch, und Scarron sah aus Widerspruchsgeist Monsieur von Koadjutor noch öfter.

An dem Morgen aber, zu welchem wir gelangt sind, war der Verfalltag seiner vierteljährigen Pension. Scarron schickte seiner Gewohnheit gemäß durch seinen Bedienten den Empfangsschein ab, um das betreffende Geld bei der Pensionskasse einziehen zu lassen; aber man antwortete ihm, der Staat hätte kein Geld für den Monsieur Abbé Scarron.

Als der Lakai diese Antwort Scarron brachte, war gerade der Herzog von Lougueville bei ihm, der ihm eine Pension doppelt so groß anbot, als die von Mazarin entzogene gewesen war, aber der schlaue Gliederlahme hütete sich wohl, sie anzunehmen. Er machte seine Sache so gut, dass um vier Uhr nachmittags die ganze Stadt die Weigerung des Kardinals kannte. Es war gerade Donnerstag, Empfangstag beim Abbé. Man kam in Masse zu ihm und schmähte wütend in der ganzen Stadt.

Athos traf in der Rue Saint-Honoré zwei Edelleute, die er nicht kannte, zu Pferde, wie er, gefolgt von einem Lakai, wie er, und denselben Weg machend, wie er.

Der eine von ihnen nahm den Hut in die Hand und sagte zu ihm: »Solltet Ihr wohl glauben, Monsieur, dass der Knauser Mazarin dem armen Scarron die Pension entzogen hat?«

»Das ist abscheulich«, sprach Athos, die zwei Kavaliere ebenfalls begrüßend.

»Man sieht, dass Ihr ein ehrlicher Mann seid, Monsieur«, erwiderte derjenige, welcher bereits das Wort an Athos gerichtet hatte. »Dieser Mazarin ist eine wahre Geißel.«

»Ach! Monsieur«, sprach Athos, »wem sagt Ihr dies?«

Und sie trennten sich unter vielen Höflichkeitsbezeigungen.

»Es kommt gerade recht, dass wir diesen Abend dahin gehen sollen«, sprach Athos zu dem Vicomte. »Wir machen dem armen Mann unser Kompliment.«

»Aber wer ist denn dieser Monsieur Scarron, der ganz Paris in Aufruhr bringt?«, fragte Raoul. »Irgendein in Ungnade gefallener Minister?«

»Nein, o mein Gott, nein, Vicomte, es ist ganz einfach ein kleiner Edelmann von großem Geist, welcher bei dem Kardinal in Ungnade gefallen sein wird, weil er wahrscheinlich irgendeine gereimte Strophe gegen ihn geschrieben hat.«

»Schreiben denn Edelleute Verse?«, fragte Raoul naiv. »Ich glaubte, es wäre wider ihre Standesgesetze.«

»Ja, mein lieber Vicomte«, versetzte Athos lachend, »wenn man sie schlecht macht; aber wenn man sie gut macht, so adelt es noch mehr. Schaut nur Monsieur von Rotrou an. Doch«, fuhr Athos in dem Ton fort, mit welchem man einen heilsamen Rat gibt, »ich glaube, es ist besser, keine zu machen.«

»Dieser Monsieur Scarron ist also Dichter?«, fragte Raoul.

»Ja, Ihr wisst es nun, Vicomte. Gebt wohl Acht in diesem Haus. Sprecht nicht durch Gebärden, sondern hört vielmehr.«

»Ja, Monsieur«, antwortete Raoul.

»Ihr werdet mich viel mit einem mir befreundeten Edelmann plaudern sehen: Das ist der Abbé d’Herblay, von dem ich oft mit Euch sprach.«

»Ich erinnere mich.«

»Nähert Euch zuweilen, als ob Ihr mit uns sprechen wolltet, sprecht aber nicht, hört auch nicht. Dieses Spiel soll dazu dienen, dass nicht Ungelegene uns stören.«

»Sehr gut, ich werde Euch Punkt für Punkt gehorchen.«

Athos machte noch zwei Besuche in Paris. Um sieben Uhr wandten sie sich gegen die Rue des Tournelles. Die Straße war beinahe versperrt durch Sänftenträger, Pferde und Bedienten. Athos bahnte sich einen Weg und trat, gefolgt von dem jungen Menschen, ein. Die erste Person, welche er beim Eintritt erblickte, war Aramis, der sich neben einem weiten, mit einem Tapetenhimmel bedeckten Rollstuhl aufhielt, unter welchem sich, in eine Brokatdecke gehüllt, ein ziemlich junges, ziemlich lachendes Gesicht bewegte, das jedoch zuweilen erbleichte, ohne dass seine Augen ein lebhaftes, witziges oder anmutiges Gefühl auszudrücken aufhörten. Das war der Abbé Scarron, beständig lachend, spottend, komplimentierend, leidend und sich mit einem kleinen Stäbchen kratzend.

Um dieses Rollzelt drängte sich eine Menge von Messieurs und Damen. Das Zimmer war sehr reinlich und anständig ausgestattet. Große seidene, mit Blumen gestickte, Vorhänge, welche einst lebhafte Farben gehabt hatten, nun aber etwas verschossen waren, fielen an beiden Fenstern herab. Die Tapezierung war bescheiden, zeugte aber von gutem Geschmack. Zwei sehr artige, zu guten Manieren abgerichtete Bediente versahen den Dienst im Salon.

Sobald Aramis Athos erblickte, ging er auf ihn zu, nahm ihn bei der Hand und stellte ihn Monsieur Scarron vor, welcher dem neuen Gast ebenso viel Freude wie Achtung bezeigte und ihm ein sehr geistreiches Kompliment über den Vicomte machte. Raoul blieb verblüfft, denn er hatte sich nicht auf die Majestät des schönen Geistes vorbereitet. Er verbeugte sich jedoch mit viel Anmut. Athos empfing sodann die Komplimente von mehreren adeligen Messieurs, welchen Aramis ihn vorstellte. Bald aber verwischte sich das kleine Geräusch bei seinem Eintritt wieder und das Gespräch wurde allgemein.

Nach vier oder fünf Minuten, welche Raoul dazu anwandte, Ruhe zu gewinnen und topografische Kenntnisse von der Versammlung zu erlangen, öffnete sich die Tür wieder und ein Lakai kündigte Fräulein Paulet an.

Athos berührte mit der Hand die Schulter des Vicomte.

»Schau diese Frau an, Raoul«, sagte er; »es ist eine historische Person. Zu ihr begab sich König Heinrich IV., als er ermordet wurde.«

Raoul bebte. Seit einigen Tagen hob sich vor ihm jeden Augenblick irgendein Vorhang, der ihm einen heroischen Anblick enthüllte. Die noch junge und hübsche Frau, welche eben eintrat, hatte Heinrich IV. gekannt und mit ihm gesprochen!

Jedermann drängte sich um die Ankommende, denn sie war immer noch sehr in der Mode. es war eine große Person von feiner, wellenförmiger Taille, mit einem Wald goldener Haare, wie sie Raphael liebte und Titian allen seinen Magdalenen gab. Diese gelbliche Farbe oder vielleicht auch die Königswürde, die sie den anderen Frauen gegenüber erlangt hatte, brachte ihr den Beinamen: die Löwin.

Unsere schönen Damen von heute, welche nach diesem fashionalen Titel trachten, wissen nun, dass er ihnen nicht von England zukommt, sondern von dem schönen und geistreichen Fräulein Paulet.

Mademoiselle Paulet ging mitten unter dem Gemurmel, das sich von allen Seiten bei ihrer Ankunft erhob, gerade auf Scarron zu.

»Nun, mein lieber Abbé«, sprach sie mit ihrem ruhigen Ton, »Ihr seid also arm? Wir haben es heute Nachmittag bei Frau von Rambouillet erfahren. Monsieur von Grasse erzählte es uns.«

»Ja, aber der Staat ist jetzt reich«, erwiderte Scarron; »man muss sich dem Vaterland zu opfern wissen.«

»Der Monsieur Kardinal wird sich um 1500 Livres mehr Pomaden und Parfüms jährlich kaufen«, sprach ein Frondeur, in welchem Athos den Edelmann erkannte, den er in der Rue Saint-Honoré getroffen hatte.

»Aber die Muse, was wird die Muse sagen?«, versetzte Aramis mit seiner Honigstimme. »Die Muse, welche der goldenen Mittelstraße bedarf? Denn im Ganzen:

Si Virgilio puer aut tolerabile desit,
Hospitium caderent omnes a crinibus hydri.
«

»Gut«, sprach Scarron und reichte Fräulein Paulet die Hand. »Aber wenn ich meine Schlange nicht mehr habe, so bleibt mir wenigstens meine Löwin.«

Alle Worte von Scarron, alle seine Witze erschienen diesen Abend vortrefflich; das ist das Vorrecht der Verfolgung. Monsieur Menage machte Sprünge vor Begeisterung.

Fräulein Paulet nahm ihren gewöhnlichen Platz wieder ein. Ehe sie sich aber setzte, ließ sie von ihrer Höhe herab einen Blick über die ganze Versammlung spazieren und ihre Augen hefteten sich auf Raoul.

Athos lächelte und sagte zu Raoul: »Ihr seid von Fräulein Paulet bemerkt worden, Vicomte, geht hin und begrüßt sie. Gebt Euch als das, was Ihr seid, als ein offenherziger Provinzmensch, aber hütet Euch wohl, von Heinrich IV. mit ihr zu sprechen.«

Der Vicomte näherte sich errötend der Löwin und vermischte sich bald mit den Messieurs, welche ihren Stuhl umgaben.

Dies bildete bereits zwei sehr ausgezeichnete Gruppen, diejenige, welche Monsieur Menage umgab, und die, welche sich um Fräulein Paulet aufgestellt hatte. Scarron lief von der einen zu der andern, indem er seinen Rollstuhl mitten durch die Gesellschaft mit so viel Geschicklichkeit manövrierte, wie dies ein erfahrener Lotse mit einer Barke durch ein mit Klippen durchstreutes Meer machen würde.

»Wann sprechen wir miteinander?«, sagte Athos zu Aramis.

»Sogleich«, antwortete dieser, »es sind noch nicht Leute genug vorhanden und man würde uns bemerken.«

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und der Lakai kündigte den Monsieur Koadjutor an.

Bei diesem Namen wandte sich jedermann um, denn es war ein Name, welcher sehr berühmt zu werden anfing.

Athos machte es wie die anderen. Er kannte den Abbé von Conti nur dem Namen nach.

Er sah eine kleinen, schwarzen, schlecht gewachsenen Mann eintreten, dessen Hände zu allem ungeschickt waren, außer um damit den Degen zu ziehen oder mit Pistolen zu schießen. Der Ankömmling ging anfangs gerade auf einen Tisch zu, welchen er beinahe umgeworfen hätte. Bei all dieser Ungeschicklichkeit aber besaß er etwas Erhabenes, Stolzes in seinem Gesicht.

Scarron wandte sich nach ihm um und kam ihm in seinem Stuhl entgegen. Fräulein Paulet begrüßte ihn von ihrem Platz aus mit der Hand.

»Nun«, sprach der Koadjutor, welcher Scarron erst erblickte, als er ganz vor ihm stand, »Ihr seid also in Ungnade, Abbé?«

Dies war eine Phrase, welche man an diesem Abend wohl hundertmal ausgesprochen hatte, und Scarron war bereits an seinem hundertsten Bonmot über denselben Gegenstand. Beinahe wäre ihm auch nichts mehr eingefallen, aber eine verzweifelte Anstrengung rettete ihn.

»Der Monsieur Kardinal hat die Güte gehabt, an mich zu denken«, sagte er.

»Vortrefflich!«, rief Menage.

»Aber wie wollt Ihr uns noch fernerhin empfangen?«, fuhr der Koadjutor fort. »Wenn Eure Renten sinken, so werde ich genötigt sein, Euch zum Canonicus von Notar-Dame zu ernennen.«

»Oh! Nein«, versetzte Scarron, »ich würde Euch zu sehr kompromittieren.«

»Dann habt Ihr Quellen, die wir nicht kennen.«

»Ich entlehne von der Königin.«

»Aber Ihre Majestät hat selbst nichts«, sprach Aramis. »Lebt sie nicht unter der Verwaltung der Gemeinheit!«

Der Koadjutor wandte sich um und lächelte Aramis zu, indem er ihm zugleich mit der Fingerspitze ein Freundschaftszeichen machte.

»Verzeiht, mein lieber Abbé«, sagte er zu ihm, »Ihr seid im Rückstand und ich muss Euch ein Geschenk machen.«

»Womit?«, fragte Aramis.

»Mit einer Hutschnur.«

Jedermann wandte sich zu dem Koadjutor um, der aus seiner Tasche eine seidene Schnur von sonderbarer Form zog.

»Das ist eine Schleuder [Une fronde.]«, sagte Scarron.

»Ganz richtig«, erwiderte der Koadjutor, »man macht gegenwärtig alles à la fronde. Fräulein Paulet, ich habe für Euch einen Fächer à la fronde. Ich gebe Euch meinen Handschuhhändler, d’Herblay, er macht Handschuhe à la fronde; und Euch, Scarron, meinen Bäcker mit einem unbeschränkten Kredit, er macht vortreffliche Brote à la fronde

Aramis nahm das Band und knüpfte es um seinen Hut.

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür und der Lakai rief mit lauter Stimme:

»Die Frau Herzogin von Chevreuse.«

Bei dem Namen von Frau von Chevreuse erhoben sich alle Anwesende. Scarron wandte rasch seinen Stuhl der Tür zu. Athos machte Aramis ein Zeichen, und dieser stellte sich in eine Fenstervertiefung.

Mitten unter diesen achtungsvollen Begrüßungen, welche man der Herzogin zollte, suchte sie irgendjemand oder irgendetwas. Endlich bemerkte sie Raoul und ihre Augen funkelten. Sie erblickte Athos und wurde träumerisch, sie sah Aramis in seiner Fenstervertiefung und machte eine kaum wahrnehmbare Bewegung des Erstaunens hinter ihrem Fächer.

»Ei, sagt doch«, sprach sie, als wollte sie die Gedanken vertreiben, die sich ihrer unwillkürlich bemeisterten, »wie geht es dem armen Voiture? Wisst Ihr es vielleicht, Scarron?«

»Wie, Monsieur Voiture ist krank?,« fragte der Monsieur, der mit Athos in der Rue Saint-Honoré gesprochen hatte. »Wie ist das gekommen?«

»Er spielte, ohne so vorsichtig zu sein, von seinem Bedienten Hemden zum Wechseln mitnehmen zu lassen«, erwiderte der Koadjutor; »so hat er sich erkältet und liegt auf den Tod krank.«

»Wo dies?«

»Ei, mein Gott, bei mir. Denkt Euch, der arme Voiture hatte ein feierliches Gelübde getan, nicht mehr zu spielen. Nach drei Tagen konnte er es nicht mehr aushalten und begab sich zum erzbischöflichen Palast, um sich von seinem Gelübde entbinden zu lassen. Zum Unglück war ich in diesem Augenblick in sehr wichtigen Angelegenheiten mit dem guten Rat Broussel im Innersten meiner Wohnung beschäftigt, als Voiture den Marquis von Luynes, an einem Tisch einen Spieler erwartend, erblickte. Der Marquis rief ihn und lud ihn ein, sich an den Tisch zu setzen. Voiture antwortete, er könne nicht eher spielen, bis ich ihn seines Gelübdes entbunden habe. Luynes machte sich in meinem Namen hier anheischig und nahm die Sünde vorläufig auf sich. Voiture setzte sich an den Tisch und verlor vierhundert Taler, erkältete sich bei seinem Abgang und legte sich nieder, um nie mehr aufzustehen.«

»Steht es so schlimm mit dem lieben Voiture?«, fragte Aramis, halb hinter seinem Fenstervorhang verborgen.

»Ach!«, antwortete Monsieur Menage, »es steht sehr schlimm, der große Mann wird uns wahrscheinlich verlassen, deseret orbeum

»Gut!«, sprach Fräulein Paulet mit einer gewissen Bitterkeit, »er sterben? Das hat keine Not! Er ist umgeben von Sultaninnen wie ein Türke. Frau von Saintot ist herbeigelaufen und gibt ihm Fleischbrühe, die Renaudot wärmt ihm seine Tücher, und alle Welt, unsere Freundin, die Marquise von Rambouillet, nicht ausgenommen, schickt ihm Tisanen.«

»Ihr liebt ihn nicht, meine liebe Parthenie«, sagte Scarron lachend.

»O! Welche Ungerechtigkeit, mein lieber Kranker, ich hasse ihn so wenig, dass ich mit Vergnügen Messen für die Ruhe seiner Seele lesen lassen würde.«

»Nicht umsonst nennt man Euch die Löwin, meine Liebe«, sagte Frau von Chevreuse, »Ihr beißt scharf.«

»Ihr misshandelt einen großen Dichter, wie es mir scheint«, wagte Raoul zu bemerken.

»Ein großer Dichter, er? … geht; man sieht wohl, Vicomte, dass Ihr aus der Provinz kommt, wie Ihr mir vorhin sagtet, und dass Ihr ihn nie gesehen habt. Er! Ein großer Dichter? Er misst kaum fünf Fuß.«

»Bravo! bravo!«, rief ein langer, vertrockneter, schwarzer Mann mit einem stolzen Schnurrbart und einem ungeheuren Raufdegen. »Bravo, schöne Paulet; es ist endlich Zeit, diesen kleinen Voiture auf seinen Platz zu verweisen. Ich erkläre unumwunden, dass ich mich auf die Poesie zu verstehen glaube und dass ich die seine immer abscheulich gefunden habe.«

»Wer ist denn dieser Großsprecher?«, fragte Raoul Athos.

»Monsieur von Scudery.«

»Der Verfasser der Clélin und des Grand Cyrus

»Werke, die er auf halbe Rechnung mit seiner Schwester gemacht hat, welche in diesem Augenblick mit der hübschen Person da unten neben Monsieur Scarron plaudert.«

Raoul wandte sich lebhaft um und sah wirklich zwei neue Erscheinungen, die er zuvor nicht bemerkt hatte. Die eine war reizend, aber schwächlich und traurig, von hübschen schwarzen Haaren umrahmt, mit blauen, samtartigen Augen, den schönen Dreifaltigkeitsblumen ähnlich, unter denen ein goldener Kelch glänzte. Die andere Frau schien diese gleichsam zu bevormunden, sah kalt, vertrocknet und gelb aus, ein wahres Dünnen- oder Andächtlerinnengesicht.

Raoul gelobte sich, den Salon nicht zu verlassen, ohne mit dem hübschen jungen Mädchen mit den Samtaugen gesprochen zu haben, das ihn durch ein seltsames Gedankenspiel, obwohl es ihr nicht ähnlich war, an seine arme kleine Louise erinnerte, die er leidend im Schloss la Vallière zurückgelassen und mitten unter dieser Welt einen Augenblick vergessen hatte.

Während dieser Szene näherte sich Aramis dem Koadjutor, der ihm mit lachender Miene ein paar Worte in das Ohr sagte. Aramis konnte sich trotz seiner Selbstbeherrschung einer leichten Bewegung nicht enthalten.

»Lacht doch«, sagte Monsieur von Retz, »man beobachtet uns.« Und er verließ ihn, um mit Frau von Chevreuse zu plaudern, welche einen großen Kreis um sich versammelt hatte.

Aramis stellte sich, als lachte er, um die Aufmerksamkeit einiger neugierigen Zuhörer abzulenken. Da er bemerkte, dass Athos sich in die Vertiefung des Fensters zurückgezogen hatte, an welchem er einige Zeit geblieben war, so schleuderte er ein paar Worte rechts und links und ging dann wieder zu ihm, mit einem Wesen, als ob dies ohne irgendeine Absicht geschähe.

Sobald sie wieder beisammen waren, knüpften sie ein von vielen Gebärden begleitetes Gespräch an.

Raoul näherte sich ihnen, wie ihm Athos aufgetragen hatte.

»Der Monsieur Abbé gibt mir ein Ringelgedicht von Voiture zum Besten«, sagte Athos mit lauter Stimme, »und ich finde es ganz unvergleichlich.«

Raoul blieb einige Augenblicke in ihrer Nahe und vermischte sich dann mit der Gruppe von Frau von Chevreuse, zu der Fräulein Paulet von der einen Seite und Fräulein von Scudery von der andern getreten waren.

»Ich, meines Teils«, sagte der Koadjutor, »ich würde mir die Freiheit nehmen, nicht ganz der Meinung von Monsieur von Scudery zu sein. Ich finde im Gegenteil, dass Monsieur von Voiture ein Dichter ist, aber ein reiner Dichter. Die politischen Gedanken fehlen ihm ganz und gar.«

»Also?«, fragte Athos.

»Morgen«, erwiderte Aramis hastig.

»Um wie viel Uhr?«

»Um sechs Uhr.«

»Wo?«

»In Saint-Mandé.«

»Wer hat es Euch gesagt?«

»Der Graf von Rochefort.«

Es näherte sich jemand.

»Und die philosophischen Ideen? Sie fehlten diesem atmen Voiture ebenfalls. Ich schließe mich der Ansicht des Monsieur Koadjutor an: ein reiner Dichter.

»Ja, gewiss, in der Poesie war er vortrefflich«, sprach Menage, »und doch wird ihm die Nachwelt, während sie ihn bewundert, eines zum Vorwurf machen, dass er in das Versedichten zu große Freiheit brachte. Er hat die Freiheit getötet, ohne es zu wissen.«

»Getötet? Das ist das richtige Wort«, sagte Scudery.

»Doch welche Meisterwerke sind seine Briefe?«, sprach Frau von Chevreuse.

»Oh! In dieser Beziehung«, versetzte Fräulein von Scudery, »ist er eine wahre Erhabenheit.«

»Allerdings«, sprach Fräulein Paulet, »aber nur solange er scherzte, denn im ernsten Brief ist er in der Tat höchst kläglich, und wenn er die Dinge nicht auf eine raue, grobe Weise sagen darf, so müsst Ihr zugestehen, dass er sie sehr schlecht sagt.«

»Aber Ihr müsst auch wenigstens bekennen, dass er im Scherz unnachahmlich ist.«

»Ja, gewiss«, rief Scudery, seinen Schnurrbart drehend, »aber ich finde nur seine somit gezwungen und seinen Scherz zu vertraulich. Man sehe seinen Brief des Karpfen am Spieß.«

»Abgesehen davon«, versetzte Menage, »dass seine besten Eingebungen ihm vom Villa Rambouillet zukamen. Lest nur Zelide und Alcidolée.«

»Was mich betrifft«, sprach Aramis, indem er sich dem Kreis näherte und sich ehrfurchtsvoll vor Frau von Chevreuse verbeugte, welche seinen Gruß mit einem ehrfurchtsvollen Lächeln erwiderte, »was mich betrifft, so klage ich ihn noch an, dass er sich zu frei gegen die Großen benommen hat. Er verfehlte sich oft gegen die Frau Prinzessin, gegen den Monsieur Marschall d’Albret, gegen Monsieur von Schomberg und sogar gegen die Königin.«

»Wie, gegen die Königin?«, fragte Scudery, das rechte Bein ausstreckend, als wollte er in einem Zweikampf ausfallen. »Mord und Tod! Das wusste ich nicht! Und wie hat er sich gegen die Königin verfehlt?«

»Kennt Ihr nicht sein Gedicht Je pensais

»Nein«, sagte Frau von Chevreuse.

»Nein«, sagte Fräulein von Scudery.

»Nein«, sagte Fräulein Paulet.

»In der Tat, ich glaube, die Königin hat es nur wenigen Personen mitgeteilt, aber ich habe es aus sicheren Händen.«

»Und Ihr wisst es auswendig?«

»Ich werde mich, glaube ich, erinnern.«

»Lasst hören, lasst hören!«, riefen alle Stimmen.

»Man vernehme, bei welcher Gelegenheit es gemacht wurde«, sagte Aramis. »Monsieur von Voiture befand sich im Wagen der Königin, welche unter vier Augen mit ihm im Wald von Fontainebleau spazieren fuhr. Er stellte sich, als dächte er, damit ihn die Königin frage, woran er dächte, was auch nicht ausblieb.

›Woran denkt Ihr, Monsieur Voiture?‹, fragte Ihre Majestät.

Voiture lächelte, gab sich den Anschein, als überlegte er fünf Sekunden, damit man glauben möchte, er improvisiere und erwiderte:

Je pensais que la destinée,
Après tant d’injustes malheurs,
Vous a justement couronnée
De gloire, d’écla et d’honneurs;
Mais que vous étiez plus hereuse
Lorsque vous étiez autrefois,
Je ne dirai pas amoureuse …
La reine le veut toutefois.

[Ich dachte, schöne Königin,
Dass nach so vielen Schicksalsdunkeln
Nun endlich Glanz und Ruhm und Ehr’
Um Eure würdige Krone funkeln.
Doch schöner waren Eure Tage,
Dem Herzen süßeren Gewinn
Bot dir — ich will nicht Liebe sagen
Doch selber will’s die Königin.]

Scudery, Menage und Fräulein Paulet zuckten die Achseln.

»Geduld, Geduld«, sprach Aramis, »es hat drei Strophen.«

»Oh, sagt lieber drei Couplets«, verfehle Fräulein von Scudery, »es ist höchstens ein Lied.«

Je pensais que ce pauvre Amor,
Qui toujours vous prêta ses armes,
Est banni loin de votre cour,
Sans ses traits, son arc et ses charrnes;
Et de quoi je puis profiter
En passant près de vous, Marie,
Si vous pouvez si maltraiter
Ceux qui vous ont si bien servie.

[Ich dachte, ach, der arme Amor
Ist weit verbannt von Euch gezogen,
Einst wohl der treue Waffenknecht
Irrt er jetzt ohne Pfeil und Bogen;
Und was als Waffe mir soll dienen,
Wenn ich Euch nahe, Königin,
Da Ihr der treusten Diener Herzen
So oft gequält mit stolzem Sinn.]

»Oh, was den letzten Zug betrifft«, sprach Frau von Chevreuse, »so weiß ich zwar nicht, ob er den Regeln der Poesie entspricht, aber ich bitte dafür am Gnade, weil es eine Wahrheit ist. Und Frau von Hautefort und Frau von Scudery werden sich mit mir, abgesehen von Monsieur von Beaufort, nötigenfalls verbinden.«

»Geht, geht«, sprach Scarron, »das kümmert mich nicht. Seit diesem Morgen bin ich nicht mehr ihr Kranker.«

»Und das letzte Couplet?«, fragte Fräulein von Scudery, »lasst das letzte Couplet hören.«

»Sogleich«, erwiderte Aramis, »es hat dieses den Vorteil, dass es sich der Eigennamen bedient, weshalb man sich nicht täuschen kann.«

Je pensais — nous autres poètes,
Nous pensons extravagammant, —
Ce que dans l’humeur où vous êtes
Vous feriez si dans ce moment
Vous avisiez en cette place
Venir le duc de Buckingham,
El lequel serait en disgrâce
Du doc ou du père Vincent.

[Ich dachte, wir Poeten folgen
Der wilden Fantasien Spiel,
Was in der Laune heitrem Treiben
Euch wohl zu wählen jetzt gefiel:
Wenn plötzlich Buckingham hier stünde,
Wer mehr verpönt an diesem Ort,
An dem zu weilen mir vergönnt,
Ob Pater Vincent, [Der Beichtvater der Königin.] ob der Lord.

Bei dieser letzten Strophe erscholl nur ein Schrei über die Unverschämtheit von Voiture.

»Ich hebe das Unglück, diese Verse reizend zu finden«, sprach das junge Mädchen mit den Samtaugen.

Das war auch die Meinung von Raoul, der sich Scarron näherte und errötend zu ihm sprach: »Monsieur Scarron, erweist mir die Ehre und sagt mir gefälligst, wer die junge Dame ist, die allein ihre Meinung gegen diese ganze erhabene Versammlung ausspricht.«

»Ah, ah, mein junger Vicomte«, erwiderte Scarron, »ich glaube, Ihr habt Lust, ihr eine Verteidigungs- und Angriffsallianz anzubieten.«

Raoul errötete abermals und sagte: »Ich gestehe, ich finde diese Verse sehr hübsch.«

»Sie sind es auch«, versetzte Scarron, »aber still; unter Dichtern spricht man solche Dinge nicht aus.«

»Aber ich bin kein Dichter«, entgegnete Raoul, »und ich fragte Euch …«

»Es ist wahr, wer die junge Dame wäre; nicht so? Es ist die schöne Indianerin.«

»Wollt mich entschuldigen, Monsieur«, sagte Raoul errötend, »aber ich weiß nicht mehr als zuvor. Ach, ich bin ein Provinzbewohner.«

»Womit Ihr sagen wollt, Ihr versteht nicht viel von dem Bombast, der hier von allen Lippen fließt. Desto besser, junger Mann, desto besser! Versucht es nicht zu verstehen, Ihr verliert dabei nur Eure Zeit, und wenn Ihr es einmal versteht, wird man hoffentlich nicht mehr so sprechen.«

»Ihr verzeiht mir also, Monsieur«, versetzte Raoul, »und habt die Güte, mir zu sagen, wer die Person ist, die Ihr die schöne Indianerin nennt.«

»Ja, gewiss, es ist einen von den reizendsten Geschöpfen, die da leben: Fräulein Francoise d’Aubigné.«

»Gehört sie zu der Familie den bekannten Agrippa, den Freunden von König Heinrich IV.?«

»Sie ist seine Enkelin und kommt von Martinique, weshalb ich sie die schöne Indianerin nenne.«

Raoul öffnete weit seine großen Augen und sie begegneten denen der jungen Dame, welche lächelte.

Man sprach immer noch von Voiture.

»Monsieur«, sagte Fräulein d’Aubigné, sich ebenfalls an Scarron wendend, als wollte sie in das Gespräch eintreten, das er mit dem jungen Vicomte führte, »bewundert Ihr nicht die Freunde den armen Voiture? Aber hört doch, wie sie ihm die Federn ausrupfen, während sie ihn loben! Der eine nimmt ihm den gesunden Menschenverstand, der andere die Poesie, der Dritte die Originalität, ein anderer die Komik, und wieder ein anderer die Unabhängigkeit usw. Ei, mein Gott, was werden sie dieser vollkommenen Erhabenheit, wie ihn Fräulein von Scudery nannte, noch lassen?«

Scarron lachte und Raoul ebenfalls. Erstaunt über die Wirkung, die sie hervorgebracht hatte, schlug die schöne Indianerin die Augen nieder und nahm wieder ihre naive Miene an.

»Das ist eine geistreiche Person«, sagte Raoul.

Immer noch in der Fenstervertiefung schweifte Athos, ein verächtlichen Lächeln auf den Lippen, mit den Augen über diese Szene hin.

»Ruft doch den Monsieur Grafen de la Fère«, sagte Frau von Chevreuse zu dem Koadjutor, »ich muss ihn sprechen.«

»Und ich«, erwiderte der Koadjutor, »muss glauben machen, ich spreche nicht mit ihm. Ich liebe und bewundere ihn, denn ich kenne seine früheren Abenteuer, wenigstens einige davon; aber ich kann ihn nicht wohl vor übermorgen begrüßen.«

»Und warum übermorgen?«, fragte Frau von »Chevreuse.

»Ihr sollt es morgen Abend erfahren«, antwortete der Koadjutor lachend.

»In der Tat, mein lieber Conti«, sagte die Herzogin, »Ihr sprecht wie die Apokalypser. Monsieur d’Herblay«, fügte sie, sich nach Aramis umwendend, bei, »wollt Ihr wohl diesen Abend noch einmal mein Diener sein …?«

»Wie, Herzogin«, sagte Aramis, »diesen Abend? Morgen, immer, befehlt!«

»Wohl, so holt mir den Grafen de la Fère, ich will mit ihm sprechen.«

Aramis näherte sich Athos und kehrte mit ihm zurück.

»Monsieur Graf«, sagte die Herzogin, Athos einen Brief zustellend, »hier ist das, was ich Euch versprochen habe. Unser Schützling wird eine vortreffliche Aufnahme finden.«

»Madame«, sprach Athos, »er ist sehr glücklich, dass er Euch etwas zu verdanken hat.«

»Ihr habt ihn in dieser Beziehung nicht zu beneiden, denn ich verdanke Euch seine Bekanntschaft«, versetzte die boshafte Frau mit einem Lächeln, das Athos und Aramis an Marie Michon erinnerte.

Bei diesen Worten stand sie auf und befahl ihren Wagen. Fräulein Paulet war bereits weggegangen, Fräulein von Scudery ging eben weg.

»Vicomte«, sagte Athos, sich an Raoul wendend, »folgt der Frau Herzogin von Chevreuse, bittet sie um die Gnade, beim Hinabsteigen Eure Hand zu nehmen und bedankt Euch bei ihr.«

Die schöne Indianerin näherte sich Scarron, um sich von ihm zu verabschieden.

»Ihr geht schont?«, sagte er.

»Ich bin eine von den Letzten, wie Ihr seht. Wenn Ihr Nachricht von Monsieur Voiture bekommt und dieselbe erfreulich ist, so habt die Güte, mir sie morgen zukommen zu lassen.«

»Oh, nun kann er sterben!«, rief Scarron.

»Wieso?«, fragte das Mädchen mit den Samtaugen.

»Ganz gewiss; seine Lobrede ist gemacht.«

Und man trennte sich lachend. Das junge Mädchen wandte sich, um den armen Lahmen teilnehmend anzuschauen. Der arme Lahme folgte ihr voll Liebe mit den Augen.

Allmählich lichteten sich die Gruppen. Scarron stellte sich, als bemerkte er nicht, dass einige von seinen Gästen geheimnisvoll miteinander gesprochen halten, dass Briefe für mehrere gekommen waren und dass seine Abendgesellschaft überhaupt einen geheimen Zweck gehabt zu haben schien, der sich weit von der Literatur entfernte, über die indessen so viel Lärm gemacht worden war. Aber was lag Scarron daran, man konnte nun in seinem Haus nach Gefallen schmähen und intrigieren. Seit diesem Morgen war er, wie er gesagt hatte, nicht mehr der Kranke der Königin.

Raoul begleitete die Herzogin zu ihrem Wagen, wo sie Platz nahm, indem sie ihm ihre Hand zu küssen gab. Dann aber ergriff sie ihn in einer von den tollen Launen, die sie so anbetungswürdig und besonders so gefährlich machten, plötzlich beim Kopf, küsste ihn auf die Stirn und sprach: »Vicomte, möchten Euch meine Wünsche und dieser Kuss Glück bringen.«

Hiernach stieß sie ihn wieder zurück und befahl ihrem Kutscher, zur Villa Luynes zu fahren. Der Wagen entfernte sich. Frau von Chevreuse machte dem jungen Mann ein letzten Zeichen durch den Schlag, und Raoul stieg ganz verblüfft wieder die Treppe hinauf.

Athos begriff, was vorgegangen war.

»Kommt, Vicomte«, sagte er, »es ist Zeit zum Rückzug. Ihr reist morgen zu der Armee des Monsieur Prinzen ab; schlaft Eure letzte bürgerliche Nacht gut.«

»Ich werde also Soldat«, sagte der Jüngling.

»Oh! Monsieur, Dank, aus vollem Herzen Dank!«

»Adieu, Graf«, sprach der Abbé d’Herblay, »ich kehre in mein Kloster zurück.«

»Adieu, Abbé«, sagte der Koadjutor, »ich predige morgen und habe mich diesen Abend noch über zwanzig Texte zu besinnen.«

»Adieu, Messieurs«, rief der Graf, »ich werde vierundzwanzig Stunden hintereinander schlafen, denn ich sinke vor Müdigkeit beinahe um.«

Die drei Männer verabschiedeten sich und gingen weg, nachdem sie einen letzten Blick gewechselt hatten.

Scarron folgte ihnen aus einem Winkel seiner Augen durch die Türvorhänge seines Salons.

»Keiner von ihnen tut, was er sagte«, murmelte er mit seinem affenartigen Lächeln, »aber sie mögen es so halten, die braven Leute! Wer weiß, ob sie nicht arbeiten, dass ich meine Pension zurückbekomme? Sie können die Arme bewegen, das ist viel! Ach! Ich habe nur die Zunge, aber ich werde zu beweisen versuchen, dass dies auch etwas ist. Holla! Champnois, es hat elf Uhr geschlagen, rolle mich zu meinem Bett. In der Tat, Fräulein d’Aubigné ist sehr reizend!

Hierauf verschwand der arme Lahme in seinem Schlafzimmer, dessen Tür sich hinter ihm schloss, und die Lichter erloschen allmählich im Salon der Rue des Tournelles.

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