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Abenteuer des Captains Bonneville 47

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Sechundvierzigstes Kapitel

Die Skynse – Ihr Handel – Ihre Jagd – Ihre Nahrung – Pferde – Pferderennen – Frömmigkeit der Skynse, der Nez Percé und Flathead – Gebete – Ermahnungen – Ein Prediger zu Pferde – Wirkung der Religion auf die Sitten der Stämme – Ein neues Licht.

Während der Abwesenheit dieser Partie war ein geselliger Umgang zwischen der Hauptpartie und den Skynse unterhalten worden, die sich in die Nähe des Lagers begeben hatten. Dieses Volk wohnt um die oberen Gewässer des Way-lee-way und die umliegende Gegend und handelt regelmäßig mit der Hudson’s Bay Company, der sie gewöhnlich Pferde für die benötigten Artikel geben. Sie bringen auch Biberfelle zu den Handelsposten, die sie sich nicht durch das Fangen derselben, sondern durch den inneren Handel mit den menschenscheuen und unwissenden Shoshone und Too-el-ican verschaffen, die sich in fernen und unbesuchten Teilen des Landes aufhalten und sich nicht bis zu den Handelsposten wagen wollen.

Die Skynse jagen bisweilen Rotwild und Elentiere und leben einen Teil des Jahres vom Fischen. Ihre Hauptnahrung besteht aber in Wurzeln, vorzüglich in der Camaschwurzel. Diese zwiebelähnliche Wurzel soll von köstlichem Geschmack und äußerst nahrhaft sein.

Die Frauen graben solche in großer Menge aus, sieden sie ab und verwahren sie in Gruben für den Winter. Sie wächst wild und bedeckt die Ebenen ganz.

Die Menschen dieses Stammes waren wohl gekleidet und ausgestattet. Sie führten einige Büchsen bei sich und waren außerordentlich verlegen, welche von den Leuten des Captain Bonneville einzuhandeln, und boten ein Paar gute Renner für eine leichte Büchse.

Ihre besten Pferde waren aber für keinen Preis von ihnen zu erhalten. Sie bedienen sich fast durchgängig der Reitklepper, die aber von einer unendlich besseren Zucht wie jene der Vereinigten Staaten sind. Sie erproben gern ihre Geschwindigkeit und Stärke und wetten gern auf sie.

Da Captain Bonneville die Güte ihrer Pferde zu beurteilen wünschte, so kaufte er einen ihrer Renner und stellte ein Wettrennen zwischen diesem, einem amerikanischen und einem Pferd der Shoshone an, die ungefähr für gleich geachtet wurden. Die Bahn war ungefähr eineinhalb Meilen hin und zurück. In der ersten halben Meile behielt der Amerikaner um einige Spannen die Vorhand. Da er aber den Atem verlor, so blieb er hinten und über ließ dem Shoshone und dem Skynse den Wettkampf. Die anderthalb Meilen blieben sie sich gleich, aber auf dem Rückweg kam der Skynse vor und gewann die Wette mit großer Leichtigkeit, kaum dass er schnaufte, als alles vorüber war.

Die Skynse besitzen wie die Nez Percé und die Flathead eine ausgezeichnete Frömmigkeit, die mit vielem Erfolg von einigen Residenten der Hudson’s Bay Company kultiviert worden ist. Der Sonntag wird bei diesen Stämmen ohne Unterschied gefeiert. An diesem Tag werden sie nie mit ihrem Lager aufbrechen, wenn nicht die äußerste Gefahr oder Hunger vorhanden ist; noch werden sie jagen oder fischen, handeln oder irgendeine Art von Arbeit an diesem Tag verrichten. Ein Teil davon wird mit Gebeten und religiösen Zeremonien hingebracht.

Ein Häuptling, der gewöhnlich auch ein, wie sie ihn nennen, Mediziner ist, versammelt die Gemeinde.

Nachdem er den Segen der Gottheit erbeten hat, wendet er sich an die Versammlung, ermahnt sie zur guten Aufführung, fleißig für ihre Familien zu sorgen, sich des Lügens und Stehlens zu enthalten, sich nicht im Spiel zu streiten und zu betrügen, gerecht und gastfreundlich gegen alle fremden Menschen zu sein, die unter sie kämen. Gebete und Ermahnungen werden auch früh am Morgen an Wochentagen gehalten. Bisweilen geschieht dies alles von dem Häuptling zu Pferd, indem er mit dem Hut auf dem Kopf langsam im Lager umherreitet und seine Ermahnungen mit lauter Stimme ausruft. Jedes Mal hören die Umstehenden mit großer Aufmerksamkeit zu und antworten am Ende einstimmig mit einem einzigen Wort, das wahrscheinlich so viel wie Amen sagen will.

Während diese Gebete und Ermahnungen gehalten werden, hört jede Beschäftigung im Lager auf. Wenn ein Indianer an dem Platz vorbeireitet, dann steigt er ab, hält sein Pferd und wartet mit Ehrerbietung, bis alles vorbei ist. Wenn ein Häuptling sein Gebet oder seine Ermahnungen beendet hat, dann sagt er: »Ich bin fertig!« Worauf alle laut antworten.

Mit diesem, wahrscheinlich von den weißen Menschen herkommenden Gottesdienst vermischen oben erwähnte Stämme einige ihrer alten indianischen Gebräuche, wie zum Beispiel, dass sie nach dem Takt eines Gesanges oder einer Ballade tanzen, was gewöhnlich in einer, zu diesem Zweck bestimmten Zelthütte geschieht.

Außer dem Sonntag halten sie auch die Hauptfeiertage der römisch-katholischen Kirche.

Wer auch immer diese einfachen Formen der Religiosität unter diese armen Wilden eingeführt haben mag, offenbar erkannte er ihren Charakter und ihre Fähigkeiten und hat eine große Verbesserung in ihren Sitten bewirkt. Wir beurteilen dies nicht allein nach dem Zeugnis des Captains Bonneville, sondern auch nach dem des Captains Wyeth, der mehrere Monate in einem herumziehenden Lager der Flathead zubrachte.

»Die Zeit über, dass ich bei ihnen war«, sagt er, »habe ich kein Beispiel eines Diebstahls unter ihnen erlebt. Auch der geringste Gegenstand, sei es ein Knopf oder eine Nadel, wird euch überbracht, wenn er gefunden wird, und öfters weggeworfene Dinge; noch ist mir ein Streit oder eine Lüge vorgekommen. Dieses Enthalten von allen Streitigkeiten überraschte mich desto mehr, wenn ich die vielen Veranlassungen sah, die bei den Weißen solche erregt haben würde. Das Zusammentun zum Beispiel von zwölf- bis achtzehnhundert Pferden, die bei Nacht ins Lager getrieben worden waren, um angebunden und morgens bepackt zu werden; wie das Sammeln von Brennmaterial, wo es außerordentlich rar ist; und doch geschieht dies ohne Verwirrung und Störung. Sie haben eine sanfte, mutwillig frohe Gemütsstimmung, die sich in ihren Gesichtszügen ausdrückt. Sie sind höflich und anspruchslos. Wenn einer spricht, so hören die anderen aufmerksam zu; ist er fertig, so gibt der andere seine Beistimmung durch ein Ja zu erkennen. Stimmt er nicht bei durch ein Nein und fügt seine Gründe an, die man mit gleicher Aufmerksamkeit anhört. Selbst ihre Kinder sind friedlicher als andere Kinder. Ich hörte nie ein zorniges Wort von ihnen, noch ein Gezänke; ob ihrer gleich wenigstens fünfhundert beisammen waren, die sich mit Spielen beschäftigten. Bei all dieser Ruhe des Geistes sind sie tapfer, wenn sie auf die Probe gestellt werden, und in gleicher Anzahl den Blackfeed überlegen.«

Die vorstehenden Bemerkungen des Captains Wyeth über die Flathead sind in der Hauptsache auch auf die Skynse anwendbar. Captain Bonneville nahm während seines Aufenthaltes unter ihnen beständig Veranlassung, in seinen Unterredungen mit den Vornehmsten unter ihnen sie zu Ausübung der Moral und religiöser Gebräuche zu ermuntern, indem er ihnen einen Vergleich zwischen ihrem friedlichen und gemächlichen Leben und dem anderer Stämme aufstellte und dies ihrem höheren Sinn für Moralität und Religion beimaß. Er wohnte oft mit seinen Leuten ihrem Gottesdienst bei, denen er stets ein ehrerbietiges Betragen empfahl.

Er bemerkte, dass den Indianern die Gegenwart der weißen Menschen immer Vergnügen machte.

Offenbar sind diese Stämme für einen hohen Grad der Zivilisation sehr empfänglich. Captain Bonneville ist der Meinung, dass einige Pächter, die sich unter ihnen niederließen, sie zu Bebauung der Erde und zum Anbau von Früchten führen könnten. Das Land der Skynse und der Nez Percé ist wunderbar zur Viehzucht geeignet. Ein christlicher Missionär oder zwei, mit einem geringen Beistand der Regierung, um sie vor der Raubsucht der kriegerischen Stämme zu schützen, könnte den Grund zu einem christlichen Volk mitten in den großen westlichen Wildnissen legen, das die Amerikaner nahe am Herzen trüge.

Wir dürfen jedoch nicht unterlassen, hinsichtlich der Heilighaltung des Sabbats in der Wildnis zu bemerken, dass diese Völkerstämme, die so erpicht auf das Spiel und Pferderennen sind, den Sonntag zu einem besonders zu Belustigungen dieser Art bestimmten Tag machen und solche keineswegs für außer der Zeit halten.

»Wenn die Gebete vorüber und die frommen Gebräuche vollzogen sind«, sagt Captain Bonneville, »so vergeht keine Stunde des Tages, dass man nicht mit mehreren Pferden in vollem Galopp Wettrennen halten und in jeder Ecke des Lagers Gruppen von Spielern sitzen sieht, die bereit sind, alles auf das allverschlingende Handspiel zu setzen.«

»Die Indianer«, sagt Captain Wyeth, »scheinen ihre Vergnügungen mit mehr Geschmack zu genießen als die Weißen. Sie sind große Liebhaber vom Spiel und spielen im Verhältnis ihrer Mittel gewagter und höher als Letztere.«

Die oben erwähnten religiösen Gesinnungen der Wilden sind bisweilen von verschmitzten Handelsleuten schlau benutzt worden, um sich einen großen Kredit und Einfluss unter ihnen zu verschaffen, indem sie sich das Ansehen gaben, Mediziner, das heißt, mit geheimen Wissenschaften begabte Menschen zu sein. Auch religiöse Marktschreier, die man in der Wildnis so gut wie im zivilisierten Leben findet, suchen durch ihre Gesinnungen Einfluss bei ihnen zu erlangen. Ein solcher wurde von Captain Wyeth während seines Aufenthaltes unter den Flathead bemerkt.

»Ein neuer großer Mann«, sagt er, »erhebt sich im Lager, der nach Macht und Ansehen strebt. Er verbirgt seine Absichten unter dem weiten Mantel der Religion, trägt ihnen neue Lehren vor und führt neue Zeremonien bei denen ein, die noch einfältiger sind als er selbst. Er hat bereits ein Fünftel des Lagers zu Proselyten gemacht, indem er damit anfing, auf Frauen, Kinder und Schwachköpfe zu wirken. Seine Anhänger tanzen alle auf der Ebene zu ihrer eigenen Vokalmusik. Die Einsichtsvolleren sehen zu und lachen, da sie das Ding für eine zu große Torheit ansehen, um Schaden zu tun. Sie werden aber bald finden, dass Frauen, Kinder und Toren die Mehrzahl einer jeden Gemeinde ausmachen, und werden mutmaßlich dem neuen Licht folgen müssen, wenn sie nicht für profane Menschen angesehen sein wollen. Sobald ein Prediger oder Pseudoprophet dieser Art Anhänger genug erlangt hat, übernimmt er entweder den Oberbefehl über den Stamm oder trennt sich und wirft sich zum unabhängigen Häuptling oder Mediziner auf.«

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