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Nick Carter – Ein verhängnisvoller Schwur – Kapitel 2

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein verhängnisvoller Schwur
Ein Detektivroman

Das Geheimnis der Toten

In den frühen Morgenstunden desselben Tages hatte der zur Central Park Station gehörige Spezialpoliceman McAvoy, als er auf seinem üblichen Rundgang auch an dem Bauschuppen des Unternehmers Menasto vorübergekommen war, einen Blick durch ein kleines vergittertes Fenster in das Innere geworfen. Es war dies im direkten Auftrag des Baumeisters geschehen, welcher wertvolle Pläne und dergleichen im Baubüro verwahrte und er es darum dem besonderen Schutz der Parkpolizei unterstellt hatte.

So düster es in jener Stunde auch noch in der räumlich sehr beschränkten Hütte gewesen war, so hatte der Policeman immerhin eine weibliche Gestalt, welche, in einem Sessel liegend, halb zur Diele niedergesunken war, zu erkennen geglaubt. Zuerst hatte er seinen Augen nicht zu trauen gewagt, zumal er wusste, dass die einzige Zugangstür durch ein kunstvolles Schloss verwahrt wurde, zu welchem nur der Baumeister selbst den Schlüssel besaß. Außerdem waren die wenigen Fenster durch doppelte Drahtnetze verwahrt, die ein Eindringen völlig ausschlossen.

Natürlich verständigte Policeman McAvoy den gerade eintreffenden Maschinenmeister, welcher die für den gewaltigen Neubau erforderliche Dampfmaschine mit den durch sie bewegten Dampfkränen in Betrieb zu erhalten hatte, von seiner Wahrnehmung. Der Letztere suchte den in den Neubauten befindlichen Nachtwachmann auf, und es ergab sich, dass dieser im Besitz des die Officetür öffnenden Schlüssels war, da Baumeister Menasto schon tags zuvor nach Albany gereist war, um in der Hauptstadt des Staates New York in einem vor dem höchsten Gericht schwebenden wichtigen Prozess persönlich zu erscheinen.

Als die drei Männer nun das Office aufschlossen und betraten, fanden sie dort zu ihrem äußersten Entsetzen den Körper einer schönen, mit größter Eleganz gekleideten jungen Frau tot vor. Die Leiche war auf die Diele niedergesunken und musste ursprünglich in dem Armstuhl gesessen haben, der vor dem großen Arbeitstisch stand, auf welchem sich auch der Tischfernsprecher befand.

Wer die Unbekannte war und auf welche Weise sie in das Office gelangt und dort ihren Tod gefunden hatte, das hatte von den drei Männern ebenso wenig einer feststellen können, wie es den schleunigst unterrichteten Detektiven der Polizeistation und vom Polizei-Hauptquartier gelungen war, auch nur das Geringste zu ermitteln. Alles, was Nick Carter, noch ehe er das Innere der Bauhütte betrat, feststellen konnte, war, dass die Tote nicht allein den Raum betreten haben konnte, denn dieser war wieder ordnungsmäßig verschlossen worden, und bei der Beschaffenheit des Schlosses hatte dies nur von außen geschehen können.

Kopfschüttelnd betrachtete Nick Carter das Schloss, ehe er in die Hütte selbst trat. Die Wahrnehmung des Detektivs war richtig, nur von außen konnte die Tür wieder abgeschlossen worden sein – und nach den übereinstimmenden Aussagen der Beamten war dies augenscheinlich geschehen. Doch wer hatte alsdann Inez Navarro auf ihrem Todesgang begleitet, und wie war sie überhaupt in den Besitz des Schlüssels gelangt?

»Wissen Sie genau, dass nur ein einziger Schüssel existiert?«, fragte er den Nachtwächter.

»Gewiss«, antwortete dieser. »Mr. Menasto schärfte mir ausdrücklich ein, ja recht vorsichtig mit dem Schlüssel umzugehen, da er nur das eine Exemplar hier besäße.«

Immer betroffener schaute Nick Carter vor sich hin. Wie war alsdann Inez Navarro an einen anderen Schlüssel gelangt, wie war sie dazu gekommen, sich diese Bauhütte zur Begehung eines Selbstmordes zu erwählen – und auf welche Weise war der Selbstmord überhaupt begangen worden?

Unzufrieden mit sich selbst öffnete der Detektiv die Tür und trat in das Office ein. Was in aller Welt fiel ihm ein, hier zu stehen und zu träumen, wo doch die Zeit drängte … wusste er denn überhaupt, ob die Leiche drinnen identisch mit Inez Navarro, der schönen Verbrecherkönigin, war?

Doch kaum hatte er einen Blick auf die noch im Tod wunderbar schönen Züge der Entseelten, welche nun vom ersten Morgensonnenstrahl hell beleuchtet wurden, geworfen, als er auch schon volle Gewissheit hatte. Ja, diese so liebreizend und unschuldsvoll noch im Tod Erscheinende war Inez Navarro – eines der größten und unverständlichsten Rätsel, die ihm in seiner gesamten Laufbahn bisher vorgekommen waren.

Eine Frau, hold und schön wie ein Engel, umflossen von allem Liebreiz, den die gütige Natur in ihrer verschwenderischen Laune einer Frau nur zu spenden vermag … und unter dieser engelschönen Hülle verbarg sich das tigergleiche Herz eines der Hölle entsprossenen Dämons … eine verlorene Seele, die kein Mitleid, keinerlei Erbarmen kannte und mit raffinierter Grausamkeit einen so kühl wägenden und dabei scharf durchdringenden Verstand verband, dass selbst der viel erfahrenere Nick Carter beinahe schon an der Möglichkeit verzweifelt hatte, diesem trügerischen Doppelwesen die Larve vom Antlitz reißen und es der rächenden Justiz überantworten zu können.

Nun lag sie tot vor ihm. Es war Inez Navarro, daran konnte kein Zweifel sein … sie war es, Zug für Zug, Linie für Linie … nur dass diese durch den Tod milder und sanfter umgeschaffen worden waren, während in der Regel ein Totenantlitz einen schärferen Ausdruck als im Leben aufweist. Nick Carter hatte zu häufig schon mit der nun tot vor ihm Liegenden zu tun gehabt, als dass er an ihrer Identität mit der Toten hier auch nur den allerleisesten Zweifel haben konnte … Nick Carter war seiner Sache derart sicher, dass er sofort ohne jegliches Besinnen dies mit einem Eid bekräftigt haben würde.

Um so größer war das Erstaunen des berühmten Detektivs, als in diesem Moment der mit ihm in die Bauhütte getretene Nachtwächter, der sich gerade über das Angesicht der Toten gebeugt hatte, in den entsetzten Ruf ausbrach: »Allmächtiger, das ist ja Mrs. Menasto.«

»Um des Himmels willen!«, schrie nun auch der Maschinist. Dabei trat er gleichfalls nahe an die Tote heran und schlug die Sekunde darauf überrascht die Hände zusammen. »Ist es die Möglichkeit? Es ist wirklich Mrs. Menasto!«, ächzte er.

Aufgeregt wendete er sich an den kopfschüttelnd ihn betrachtenden Detektiv. »Sie müssen wissen, unser Chef hat die schönste Frau von ganz New York … Da, sehen Sie selbst … noch im Tod ist sie wunderschön, und Mr. Menasto trägt seine Frau auf Händen, sie hat wie eine Fürstin gelebt … und ihr Mann betete sie geradezu an … sie wird ihn durch diese Schreckenstat um den Verstand bringen … diesen Schlag überlebt der Ärmste nicht!«

»Still, Mann!«, unterbrach der Detektiv den Redefluss des Maschinisten. Diese neuerliche Enthüllung erschütterte selbst seine stählernen Nerven! Was sollte das nun wieder bedeuten … er wusste, dass die Tote mit Inez Navarro, der gefährlichsten Verbrecherin, welche jemals ihr Unwesen in New York getrieben hatte, identisch war … und diese Männer nun wollten in jener Leiche die Gattin ihres Brotherrn wiedererkennen … und zwar mit voller Sicherheit!

»Woher wissen Sie so genau, dass die Tote identisch mit Mrs. Menasto ist?«, fragte Nick den Maschinisten ungeduldig.

Dieser blickte verständnislos den Detektiv an. »Well, Sir, ich habe die Lady fast täglich gesehen, und sie hat sogar manchmal mit mir gesprochen, wenn auch nur kurz und flüchtig«, meinte er. »Ich werde doch die Frau meines Chefs kennen.«

»Wills meinen«, mischte sich nun auch der Nachtwächter ein. »Ich selbst habe sie nicht so oft zu Gesicht bekommen … aber so ein Engelsgesicht kann man gar nicht wieder vergessen, hat man es erst einmal gesehen.«

»Well, man muss Mr. Menasto sofort herbeischaffen – der wird seine Frau wohl am besten kennen und uns alle erforderliche Auskunft geben können«, entschied Nick Carter nach kurzem Nachdenken. »Sagten Sie nicht vorhin, er sei nach Albany gereist?«, wendete er sich an den Wächter.

»Jawohl, er hat einen Prozess wegen der Bauplätze da drüben«, erklärte der Wächter. »Die hiesige Stadt beansprucht plötzlich einen breiten Geländestreifen, und …«

»Das ist alles nebensächlich«, unterbrach ihn der Detektiv. »Sie sagten vorhin, Mr. Menasto ist gestern nach Albany gefahren … Da wird der Gerichtstermin vermutlich heute Vormittag stattfinden.«

»Ja, so sagte er«, bestätigte der Wächter. »Er reiste gestern mit dem Mittag-Express-Train, und er hofft, den gleichzeitig in entgegengesetzter Richtung fahrenden Schnellzug heute Mittag benutzen zu können, sodass er heute Abend wieder zu Hause gewesen wäre … O Gott, wird das ein trauriges Wiedersehen geben!«, setzte der Mann erschüttert hinzu.

»Ist denn gar keine Hilfe mehr möglich?«, fragte der gänzlich fassungslose Maschinist. »So jung, so schön – und nun eine starre Leiche … Wie soll sie nur zu Tode gekommen sein?«

Nick Carter schob die Achseln hoch und schwieg. Nach einer Weile bemerkte er: »Als Arzt kann hier nur der Coroner (Leichenbeschauer) infrage kommen, denn die Tote fühlt sich schon kalt an. Das Ende muss also bald nach Mitternacht eingetreten sein.«

»Wir wollen sie wenigstens auf das Ruhebett dort legen, Mr. Carter«, schlug der Maschinist vor. Er lag bereits auf den Knien, um den Kopf der Toten hochzuheben.

»Nicht doch«, wehrte Nick Carter ab, »alles, auch die Lage der Toten, muss bis zur Ankunft des Kriminalinspektors McClusky sowie des Leichenbeschauers, die ich beide ungesäumt benachrichtigen werde, unangetastet bleiben … Ich selbst will nur den Apparat hier auf dem Tisch benutzen.«

Doch er stand davon ab, als er wahrnahm, wie die Hand der Toten die seidenumwickelte, an dem ordnungsmäßig aufgehängten Hörrohr befestigte Drahtleitung gefasst hielt.

»Well, Mr. Carter«, bemerkte der Maschinist in diesem Moment. »Sehen Sie diese Ohrringe hier?« Er wies auf die prachtvollen Diamanten an den Ohren der Toten. »Sie wissen, Mr. Menasto ist ein schwerreicher Mann, und seine Frau musste immer das Teuerste tragen … Ich habe mir sagen lassen, dass er ihr die Diamantohrringe da für 20.000 Dollar gekauft hat … Man sah sie nie ohne die Dinger, und nun trägt sie diese noch im Tode.«

»Das lässt allerdings darauf schließen, dass diese Tote wirklich die Gattin des Baumeisters sein muss.«

»Daran ist gar kein Zweifel möglich … Hier ist zum Überfluss auch noch ihr Ehering am Finger.«

Nick Carter konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Ring von der erstarrten Hand abzuziehen, was ihm mühelos gelang. Er las die in den Reif eingravierte Inschrift Jul. Menasto sowie das Datum des Hochzeitstages. Kopfschüttelnd steckte er den Ring an den Finger der Toten zurück.

»Hören Sie, Mullen«, wendete er sich an einen der uniformierten Polizisten. »Ich gehe auf einen Augenblick weg. Sie sind mir persönlich dafür verantwortlich, dass hier alles so bleibt und nichts berührt wird … Ich will mich telefonisch mit Ihrem Chef in Verbindung setzen.«

Doch Nick Carter ging noch nicht. Noch einmal kehrte er zu dem Schreibtisch zurück, auf welchem der Fernsprechapparat stand. »Es sieht gerade so aus, als ob die Tote hätte telefonieren wollen«, bemerkte er nachdenklich. »Der Apparat ist übrigens beschädigt«, wendete er sich an den Maschinisten.

»Wieso und weshalb?«, gab dieser erstaunt zurück.

»Well, sehen Sie selbst: Die Isolierung der Drähte ist schadhaft, beinahe wie künstlich abgerieben … Gerade da, unmittelbar unter dem Empfänger, schaut durch die grüne Seidenschnur der blanke Draht hervor, welcher den Wechselstrom leitet.«

»Of course, ich sehe es jetzt auch«, bemerkte der Maschinist, indem er mit einem Stemmeisen an die schadhafte Stelle dicht unter dem aufgehängten Hörrohr tippte. »Unbegreiflich … Ich benutze den Apparat selbst täglich und möchte darauf schwören, dass gestern noch alles all right war. O mein Gott!«, stöhnte er plötzlich auf.

Die im Raum Anwesenden vermochten einen lauten Aufschrei nicht zu unterdrücken, so unvermutet und plötzlich war der sich ihnen nun darbietende Anblick.

Das achtlos an die beschädigte Isolierung gelegte Stemmeisen in der Hand des Maschinisten schien eine Feuergarbe aus dem Draht zu ziehen; wie ein Brillantfeuerwerk sprühten elektrische Entladungen in unaufhörlicher Folge aus dem Zuleitungsdraht des Fernsprechers. Der robuste Körper des Maschinisten wurde wie von Riesenfäusten hin- und hergeschüttelt und straffte sich dann wie in einem Muskelkrampf, während ein markerschütternder, grausiger Weheschrei von den dunkelblau gewordenen Lippen des Mannes ertönte.

Eine Sekunde stand Nick Carter wie vom Donner gerührt. Dann begriff er auch schon, um was es sich handelte. Der Fernsprecherdraht musste durch Zufall oder Absicht mit einer sogenannten Hochspannung oder Starkstrom in Verbindung gebracht worden sein. Die unvorsichtige Berührung der schadhaften Isolierungsstelle durch den Maschinisten hatte genügt, um dem Letzteren einen furchtbaren Schlag zu versetzen – offenbar so stark, dass er den Mann töten musste, blieb dieser seiner Einwirkung noch längere Zeit unterworfen.

Doch mit einem einzigen umherschweifenden Blick hatte Nick Carter in der einen Ecke auch schon einen am Boden liegenden dicken Gummihandschuh entdeckt, wie er von den an Starkströmen beschäftigten Arbeitern getragen zu werden pflegt. Ihn ergreifen, anziehen und den gepeinigten Maschinisten losreißen war für den geistesgegenwärtigen Mann das Werk eines Augenblicks!

Kaum war dies geschehen, als der Maschinist in völliger Erschöpfung in die Knie niederbrach und nahezu ohnmächtig wurde. Minuten vergingen, bevor er sich soweit erholt hatte, um wieder sprechen zu können.

»Allmächtiger!«, kam es über seine schreckensbleichen Lippen. »Das war gerade noch dem Tode entronnen! Aber wie ist das nur möglich gewesen, unser Dynamo im Keller ist dreißig Fuß davon entfernt … wie können die Drähte verbunden sein … und dieses muss der Fall sein … wie könnte ich sonst solch einen fürchterlichen Schlag …«

Er brach erschauernd ab und starrte wie Hilfe suchend um sich.

Nick Carter überließ die weitere Fürsorge um den immer noch halb betäubten Mann den übrigen Anwesenden. Er selbst war wieder an den Tischapparat herangetreten und betrachtete ihn aufmerksam.

Die beiden Leitungsdrähte führten in der üblichen Weise zu der einen Wand. Hier aber nahm Nick Carter zu seiner großen Überraschung wahr, dass ein weiterer Draht daran befestigt war, der nicht isoliert war und in den Keller des Bauschuppens führte.

»Was soll das heißen?«, wandte sich der Detektiv an den Maschinisten, der sich inzwischen wieder soweit erholt hatte, um notdürftige Auskunft geben zu können.

»Allmächtiger … welche Schurkerei! Rühren Sie den Draht nicht an, Mr. Carter!«, rief er beschwörend mit erhobenen Händen.

»Ich werde mich hüten«, bemerkte der Gewarnte gelassen. »Vermutlich mit Starkstrom geladen, eh?«, wendete er sich fragen an den Maschinisten.

»Mir unbegreiflich«, stöhnte dieser, nun den Gummihandschuh in der Rechten des Detektivs näher betrachtend. »Erlauben Sie mal, Mr. Carter … aber das ist ja mein Eigentum!«, rief er dann aufs Äußerste betroffen, indem er den Gummihandschuh aufmerksam betrachtete. »Wie kommt denn der Handschuh hierher in das Office … Ich habe ihn doch stets unten im Keller zur Hand.«

»Well, ich vermute, dass man diesen Draht hier an der Wand nur mittels eines solchen an der Telefonleitung befestigen konnte.«

»Gewiss«, bemerkte der Maschinist. »Unser Dynamo unten im Keller liefert Hochspannungsströme … Mich wundert es nur, dass ich nicht sofort eine Leiche war.«

»Das wäre sicherlich eine Sekunde später der Fall gewesen«, bemerkte Nick Carter ernst.

Er eilte mit dem Mann in den Keller, und ihre Vermutung bewahrheitete sich. Verbrecherische Hände hatten dort gewaltet und die Dynamomaschine mit dem blanken Leitungsdraht verbunden. Natürlich beeilte sich der Maschinist, die todbringende Verbindung schleunigst aufzuheben und dadurch die Fernsprecherdrähte zu entladen.

»Aber das ist ja nichtswürdig!«, ereiferte sich jener. »Scheint mir gerade so, als ob die Teufelei hier den Zweck verfolgte, irgendjemanden, der oben im Office telefonieren wollte, sofort tot niederzustrecken.«

»Das scheint mir gleichfalls so«, bemerkte der Detektiv trocken – und im Geist fügte er hinzu: »Nun weiß ich, dass die Tote oben wirklich Inez Navarro ist, denn nun verstehe ich die Bedeutung ihres verhängnisvollen Schwurs! Mit einem genial zu nennenden Höllenanschlag ging sie aus dem Leben … Sie zweifelte nicht daran, dass ich ihrer brieflichen Aufforderung sofort entsprechen und die Bauhütte aufsuchen würde … Well, sie kannte meine Gewohnheiten und vermutete nicht mit Unrecht, dass es mein Erstes sein würde, mich des Fernsprechers zu bedienen … Natürlich nur, um im gleichen Moment auch schon tot zusammenzustürzen. So glaubte sie, mich noch im Tod besiegen zu können, und in diesem Glauben ist der schöne Dämon augenscheinlich glücklich gestorben … Aber wodurch starb diese Inez Navarro … Auf welche Art und Weise … Und wer löst mir all diese Rätsel, die mittelbar oder direkt mit ihrem Tod in Verbindung stehen?«

Als Nick Carter nun oben im Office sich des Fernsprechers bediente, konnte dies ohne Gefahr geschehen. Sehr erstaunt war er aber, als das Hallogirl, wie in New York scherzhafterweise die weiblichen Telefonbeamten genannt werden, ihm zurief: »Well, ist Ihr Apparat wieder in Ordnung? Das war eine heillose Konfusion heute Nacht!«

»Wieso denn?«, fragte der Detektiv begierig.

»Ja, ich möchte gern zuvorderst von Ihnen Aufklärung haben«, rief die Telefonistin zurück. »Um zwölf Uhr vierzehn Minuten wurde das Amt hier von Ihnen angerufen … Sie wissen ja, sobald Sie das Hörrohr vom Haken nehmen, flammt hier im Amt ein Lämpchen auf, das so lange brennen bleibt, bis das Hörrohr wieder angehangen wird.«

»Well«, erkundigte sich Nick Carter, »und dieses Flämmchen?«

»Es brannte beinahe eine halbe Stunde«, erklärte die Telefonistin, »aber wir konnten rufen und anfragen, soviel wir nur wollten … es blieb alles vergebens … wir bekamen keinerlei Antwort. Doch meine Kollegin, Miss Sampson, erhielt einen fürchterlichen Schlag, als sie zufälligerweise mit dem Metallteil des Hörrohrs in Berührung kam … Natürlich schickten wir sofort Leute nach der Bauhütte … aber mittlerweile erlosch das Signallämpchen, und unsere Leute fanden dort alles ruhig und sicher verschlossen.«

»Wann erlosch das Lämpchen?«, erkundigte sich Nick angelegentlich.

»Das kann ich Ihnen genau sagen, es mag um zwölf Uhr vierzig Minuten gewesen sein.«

Dann geschah während dieser Zeit die Tat, dachte Nick und fügte laut hinzu: »Bitte, Miss – verbinden Sie mich mit Inspektor McClusky vom Polizeihauptquartier.«

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