Sagen der mittleren Werra 3
Vom Türkenhof
Links an der Hochstraße von Schmalkalden nach Walldorf, oberhalb Schwallungen, sieht man noch im Dunkel riesiger Tannen unscheinbare Reste einer mit einem Wallgraben umgebenen Wohnstätte, der Türkenhof genannt. Die Sage erzählt, dass hier ein Schlösschen gestanden habe, ebenso, dass aus dem nahen Keller dann und wann in der Mittagsstunde zwei weiße Jungfrauen emporstiegen und sich an dem Born niederließen.
Vom Stauerschlag bei Wasungen
In die oberhalb Wasungen vom Galgen bis an das Knoppholz sich hinziehende Waldung, den Stauerschlag1, dessen höchste Kuppe der Donnershauk oder Edelmannskopf ist, hatten sich während des Dreißigjährigen Krieges viele Bewohner von Wasungen und der an den Wald stoßenden Höhe mit ihrem Vieh und sonstiger Habe geflüchtet. Das wurde dem grausamen Isolani verraten. Der ließ darauf die Flüchtlinge mit Hunden suchen und hetzen und den Wald von der Westseite her in Brand stecken, sodass der größte Teil der Leute dort auf die jämmerlichste Weise ums Leben kam. Seitdem ist es dort nicht geheuer. Es knistert und knattert, und ein Reiter ohne Kopf und Hunde mit feurigen Telleraugen durchirren ruhelos jenen Strich.
Von dem Umgänger bei Wasungen
Oberhalb Wasungen, da wo die Straße zu steigen beginnt und eine breite nun mit Obstbäumen besetzte Trift durchschneidet, war es sonst um Mitternacht nicht geheuer, bis ein beherzter Wasunger Schuster, der sich von Meiningen her verspätet hatte, dem Ding ein Ende machte. Freilich schnappte er anfangs vor Schrecken wie ein Taschenmesser zusammen, als er an jener Stelle nur wenige Schritte von sich ein feuriges Gespenst erblickte, das auf einem der Äcker umherirrend, unter der Last eines aufgehockten Grenzsteines gewaltig seufzte und dabei unaufhörlich die Worte ausstieß: »Ach, der Stein, der Stein! Wo soll ich ihn nur hinsetzen?«
Doch bald hatte sich der Schuster wieder gefasst und rief dem Umgänger zu: »Tu ihn hin, wo du ihn gekriegt hast!«
Da hörte er von dem Spuk: »Hab Dank! Das waren die Worte, die ich zu meiner Erlösung hören musste!«
Seit jener Zeit hat sich dort nichts wieder wahrnehmen lassen.
Von den roten Beeren am Ringelberg bei Wasungen
Von einem Wasunger Mann, Namens Rudolph, wird erzählt, dass er einmal im Winter bei großem Schnee zu dem hinter dem Gottesacker gelegenen Ringelberg ins Besenreisig gegangen sei. Nachdem er ein Stück in den Wald gekommen war, unter einer Eiche am Weg eine Kötze voll roter Beeren (Preiselbeeren) gesehen habe, ohne dass weit und breit umher ein Mensch oder auch nur ein Fußstapfen wahrzunehmen gewesen. Er habe gedacht, dass jemand diese Kötze stehen gelassen hatte und sei nach Hause gelaufen, um es seiner Hanne zu sagen. Als er aber mit seiner Frau wieder an die Stelle gekommen war, haben sie dort weder Kötze noch Eiche gesehen.
Das wütende Heer in Wasungen
In Wasungen in einem Haus, in welchem drei Türen aufeinander stoßen, hielt sonst in der Neujahrsnacht das wütende Heer mit Sang und Klang seinen Durchzug. Deutlich vernahm man dabei die Worte Umgürte mich und schürze mich, dass ich auch danach komm! Es waren lauter krüppelige Gestalten, die darauf über die Werra hinüber ihre unbekannten Bahnen verfolgten.
Einmal schnitt einer aus dem Heer in dem Haus auch einen Laib Brot an, der, so viel auch davon gegessen wurde, die sieben Jahre anhielt, bis das Heer seinen Durchzug aufs Neue begann.
Ein Mädchen, das von einem Stübchen aus der Nachbarschaft das Heer vorüberziehen sah, foppte es mit den Worten Umgürte mich und schürze mich, dass ich auch danach komm! Im Nu waren zwei der hässlichen Krüppel an seiner Seite, schürzten und umgürteten es, nahmen es in ihre Mitte, und nie hat man wieder etwas von dem Mädchen gehört.
[1] Der Wald soll von dem zwischen der Chaussee und dem Galgen gelegenen Rasenplatz, der ehemaligen Richtstätte, den Namen Staupenschlag, woraus später Stauerschlag geworden ist, erhalten haben.
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