Blutrosen – 8 – Der Falschmünzer
Blutrosen
Schauererzählungen
frei nach dem Französischen des Eugène Sue, Alexandre Dumas d. Ä, Honoré Balzac, Victor Hugo und andere
Verlags-Comptoir. Breslau. 1837
Druck von M. Friedländer in Breslau
Erster Teil
Der Falschmünzer
In Pulteney Bridge bei Birmingham steht noch heute ein sonderbares Gebäude. Lange Schießscharten vertreten die Stelle der Fenster und die Mauern bilden eine Menge Vorsprünge und Winkel. Ein Pächter, namens Brasfield, bewohnte es im Jahre 1821. Wozu ihm aber als Pächter ein Gebäude nutzte, das man bald für ein Kloster, bald für eine Festung halten konnte, war schwer zu sagen. Einige Schuppen und Nebenhäuser aus Backstein und Lehm dienten zu Kornspeichern und Scheunen. Niemand hatte Zugang zu dieser Festung als Brasfield und seine Tochter. Er hielt keinen Bedienten und seine wunderbare Lebensweise warf ein sehr zweifelhaftes Licht auf ihn.
Eine kleine Gemeinde Katholiken hatte sich in den letzten Regierungsjahren Karls II. vereinigt, um den Plan zu diesem Gebäude zu entwerfen und den Bau zu leiten.
Seiner inneren Einrichtung nach war es ein Kloster, dem Äußern nach eine Festung, voll Nebentüren, geheimer Gänge, geschickt angebrachter Schlupfwinkel, verborgener Zimmer, unsichtbarer Falltüren, geheimer Treppen, kurz. das Ganze zeugte von ausnehmender Geschicklichkeit des Baumeisters. Hinter den dicken Mauern, den festen eisernen Türen, den vielen Schießscharten, mit denen die Wälle versehen waren, hätten die Papisten eine lange Belagerung aushalten können.
Hier nun wohnte der Pächter Brasfield. Ein Ziehbrunnen, ein innerer breiter Hof, ein Backhaus, ein voller Kornspeicher, Vorrat von Lebensmitteln jeglicher Art gewährten dem sich in diese Einsamkeit verschließenden Mann fast alle Bedürfnisse des Lebens.
Wenn er nachgesehen hatte, ob seine Leute auch ihre Arbeit verrichteten, wurde die große eiserne Tür wieder verschlossen und mit stark vorgeschobenen Riegeln verwahrt. Dann verriet kein Geräusch die Existenz eines menschlichen Wesens innerhalb dieser traurigen Mauern. Nie speiste ein Freund an des Pächters Tafel. Er sprach wenig, bezahlte seine Schulden pünktlich, ließ sich mit niemand in engere Verbindung ein und kümmerte sich nicht um den tiefen Hass, den man gegen ihn hegte. Er war im Besitz eines unfruchtbaren Bodens, zu dessen Bearbeitung er eine Menge Leute bedurfte. Obwohl der Ertrag dieses Besitztums sehr unbedeutend war, so lebte er doch als ein reicher Mann.
Nie ging ein Armer nicht beschenkt von seiner Tür weg.
Abgaben, Steuern, ja selbst den Zehnten, welchen die englischen Landleute so ungern und so spät wie möglich zahlen, wurden vom Pächter pünktlich entrichtet, und dennoch nannte man seinen Namen zehn Meilen in der Runde nur unter Flüchen und Gotteslästerungen. Er hatte seine Frau, ein Mannweib, ebenso ungesellig wie ihr Gemahl, verloren und lebte hier mit seiner Tochter Johanna.
Dies war ein schwermütiges, zartes, aber frisches Mädchen, das bescheiden und sanft nur stets im Inneren des Pachthofes lebte. Sie schien das einzige menschliche Wesen zu sein, dem sich Brasfield mit Liebe anschloss.
Des Pächters Physiognomie und Manieren waren ungemein abstoßend. Seine militärische Haltung, seine große kahle Stirn, seine über die hohlen Augen herabhängenden Augenbrauen, die Unbeweglichkeit seiner Züge, die Verachtung, welche sich in den zusammengepressten Mundwinkeln aussprach, deuteten ohne Zweifel auf Kraft des Geistes, ja sogar auf Seelenstärke hin, aber auf eine Kraft und auf eine Festigkeit, die sich vor keinem Verbrechen scheut. Er tat Gutes im Land; seine Leute erhielten alle vierzehn Tage einen starken Lohn und jedes Jahr eine Vergütung.
Dennoch wurde er vermittelst jenes oft ungerechten, oft aber recht durchdringenden, scharfsichtigen Volksinstinkts im Grunde der Seele verabscheut. Die einen sahen in ihm einen alten Schleichhändler, der den Gefahren seines unsicheren Handwerks entwischt sei; andere ein ehemaliges Mitglied der Verbrecherrepublik von Botany Bay; noch andere endlich einen Falschmünzer, einen Verfertiger jener falschen Banknoten, von denen England damals überschwemmt war.
Lange Zeit zirkulierten diese Gerüchte nur als vage Verleumdungen und man konnte durchaus keine Beweise gegen Brasfield aufbringen. Denn die Sonderbarkeit seines Charakters, sein Hang zur Einsamkeit und sein Reichtum waren keine hinreichenden Indizien. Er bezahlte stets mit klingender Münze. Fast alle benachbarten Pächter, seine Rivalen, hatten in Bezahlung falsche Banknoten erhalten, und diese ihrerseits wieder in Zirkulation gebracht, aber nie konnte man sich entsinnen, dass eine falsche Banknote auf des Pächters Brasfield Händen gegangen sei. Deshalb hasste man ihn umso mehr und sagte ihm darum noch Übleres nach, weil man einem Mann nichts anhaben konnte, der alle seine Zahlungen pünktlich leistete und gewissenhaft fromm war.
Unglücklicherweise zog sich Brasfield, dem trotz seiner Verschlossenheit doch bisweilen einige kühne, heftige Worte entschlüpften, den Zorn eines Polizeibeamten zu. Dieser Mann hieß Haverell Dermody. Er hatte den speziellen Auftrag, der heimlichen Fabrikation von Banknoten, deren verborgener Mittelpunkt im Umkreis von Birmingham zu sein schien, auf die Spur zu kommen. Seit zwei Jahren waren über dreißigtausend Noten von den Fälschern in die Welt geschickt worden. Arme Teufel, die man überführt hatte, sie in Zirkulation gebracht zu haben, waren gehängt worden; aber die eigentlichen Urheber dieser falschen Banknoten, die Eigentümer der großen Zentralfabrik hatten sich bisher den Händen der Justiz zu entziehen gewusst. Ihr Profit war ungeheuer und ihr Einfluss auf die untergeordneten Agenten zu mächtig, um sie ermitteln zu können.
Haverell Dermody begegnete Brasfield eines Tages auf dem Markt von Birmingham, wo dieser regelmäßig seine Ein- und Verkäufe machte. Lange waren die Beziehungen, welche unter diesen beiden Personen bestanden, ein Geheimnis geblieben. Eine leise an den Pächter gerichtete Frage hatte dessen höchst zornige Antwort zur Folge.
»Ihr?«, rief Brasfield, »Ihr wollt sie heiraten?«
»Ja, und warum nicht?«
»Meine Tochter heiraten?«
»Ja, ich bitte Euch darum.«
»Darauf antworte ich Euch gar nicht, Haverell.«
»Ich aber will auf meine Antwort nicht warten lassen.«
»Tut das, wie es Euch gefällig ist.«
»Nehmt Euch in Acht. Ist das Euer letztes Wort?«
»Ja!«
Es war an einem Sonntag des Jahres 1821, wo diese kurze Unterhaltung stattfand. Am folgenden Morgen begab sich eine kleine, gutbewaffnete Truppe von zehn Mann zu Pferde, unter dem Kommando eines Sergeanten und von dem Polizeibeamten eskortiert, langsam von Birmingham nach Pulteney Bridge.
Man wusste, das Brasfield an diesem Tag in Lavbarn, einem zwei Meilen von Pulteney gelegenen Dorf sein musste. Man hoffte sich in seiner Abwesenheit der Werkzeuge des Verbrechens, wenn sie existierten, zu bemächtigen. Einmal im Besitz dieser wichtigen Beweisurkunden, glaubten die Agenten der Justiz mit Sicherheit eines Menschen habhaft werden zu können, dem gewiss kein Nachbar einen Zufluchtsort eröffnen würde. Die Entschlossenheit, der Mut und die physische Kraft des Pächters, flößten jedoch so viel Furcht ein, dass man es für notwendig hielt, diese Expedition mit bewaffneter Hand zu unternehmen. Zwei bis drei Brasfield ganz ergebene Handwerker von ähnlichem Charakter wohnten in den dem Pachthof zunächst liegenden Häusern. Man glaubte, der Meister könne mit seinen Gehilfen Gewalt mit Gewalt vertreiben.
Haverell Dermody, auf dessen Veranlassung dieser gerichtliche Ausfall gemacht worden war, hatte all seine Anordnungen mit der Klugheit eines Feindes getroffen, der seine Leute recht sicher fassen will.
Die Dragoner waren auf der Landstraße zerstreut, als ob sie nur ihre Pferde spazieren reiten wollten. Als sie jedoch auf den Fußweg kamen, der nach Brasfields Wohnung führte, setzten sie sich in Trab, und in zwei Minuten waren sie vor dem Haupttor, welches gewöhnlich offen stand. Es war verschlossen und mit großen Baumstämmen verbarrikadiert. Leere Tonnen und Karren bildeten eine Art Wall; kein lebendes Wesen war in der Nähe des Hauses. Tiefe Stille herrschte überall, man hörte nur das dumpfe Brausen eines Blasebalgs. Aus der langen Röhre einer Esse stieg eine schwarze Rauchsäule in die Luft.
»Wie Teufel hat er das wissen können?«, sagte Haverell zum Sergeanten.
»Ich wette, er ist drinnen«, antwortete der Soldat.
»Recht gut! Denn wollen wir ihn schon fassen.«
Man machte ein Loch in einen Zaun; von Entfernung zu Entfernung wurden Schildwachen aufgestellt, die Brasfield festnehmen sollten, wenn er zu fliehen versuchen sollte. Zwei Dragoner, der Sergeant und Dermody, gingen zum Haupttor zu. Mit seinem Eichenstab, an dessen Ende ein eiserner Hacken war, und welches die Insignie seines Amtes ist, versuchte Haverell, die massive Tür zu heben. Der Stock zerbrach in der Hand.
»Ha, ha, ha!«, gab der Sergeant lachend von sich, ein alter Veteran aus der spanischen Armee, »meiner Treu, ein schöner Hebel, um der Festung eine Bresche beizubringen!«
Er raffte einen Nussbaumstamm in die Höhe, der auf der Erde lag, nahm ihn in beide Hände und schmetterte ihn mit aller Gewalt gegen die Tür. Alles erzitterte, die eisernen Pfeiler dröhnten dumpf nach, aber wichen nicht.
Der Soldat, von Schweiß bedeckt, musste sich gefallen lassen, dass sein Gefährte, der Polizeibeamte, seinen Hohn mit vollem Recht vergalt.
»Es ist ja gar kein Zweifel«, erwiderte Dermody, »Brasfield muss drinnen sein. Man hört das Brausen des Blasebalgs. Gewiss verbrennt er in diesem Augenblick seine Papiere, Pressen und Formen …« Einen Augenblick schien er zu überlegen, dann lief er plötzlich von dem Sergeanten weg zu einigen in der Nähe arbeitenden Bauern und kam mit diesen Leuten, die ihm eine lange Leiter tragen halfen, zurück. Die Leiter reichte bis auf das Dach. Er kletterte hinauf bis auf den Giebel der Häuser. Dort entdeckte er Öffnung, welche größer als die an der Mauer und nur mit einer einzigen Fensterscheibe versehen war. Spähend lauschte Haverell und sah einen großen dunklen Saal, in dessen Mitte ein helles Feuer brannte. Vor dem glühenden Ofen saß Brasfield, anscheinend ruhig und unbeweglich. Mit der rechten Hand trieb er den Blasebalg, mit der andern warf er ganze Pakete Banknoten, welche schön geordnet in fünf bis sechs Kisten auf der Erde standen, ins Feuer.
Sobald ein Paket ganz verbrannt war, kam ein anderes dran. Seine Augen wandten sich zum oberen Fenster, der einzigen Öffnung, welche die Stube erhellte. Er sah Dermodys blasses Gesicht.
Brasfield aber bewegte sich nicht von der Stelle.
»Ihr seid mein Gefangener«, schrie der Spion, indem er das Fenster mit dem Lauf seiner Pistole zertrümmerte, die er aus seiner Tasche zog und lud.
»Recht gern, aber nachher erst«, antwortete der Pächter, der sich nicht stören ließ. »Ihr werdet doch hoffentlich noch ein wenig warten?«
»In des Gesetzes und des Königs Namen, ergebt Euch und öffnet im Augenblick die Tür! … Oder ich gebe Feuer auf Euch.«
»Schießt und schert Euch zum Teufel!«, erwiderte der andere mit entschlossener und ruhiger Stimme. »Tötest du mich, so werde ich nicht gehängt.«
Haverell brachte Brasfields Kaltblütigkeit zur höchsten Wut. Er drückte ab, aber seine Absicht war nur, den Pächter zu erschrecken.
»Ha ha ha!«, lachte Brasfield, »man sieht recht, dass der Krieg dein Handwerk nicht ist. Du bist und bleibst doch nichts als ein Polizeispion!«
»Verbrenne noch ein einziges Papier, und ich schieße dich nieder«, erwiderte Haverell und lud in die noch rauchende Pistole alles, was sich nur im Pulverhorn befand, nebst drei Kugeln, sodass der ganze Lauf voll war.
»Wohlan denn,« fuhr er fort, nachdem er Pulver auf die Pfanne geschüttet hatte, »hörst du? Noch eine Handvoll dieser Banknoten, und du bist ein Mann des Todes!«
»Mein lieber Haverell, gerade wenn ich eine Handvoll Banknoten übrig lasse, bin ich ein Mann des Todes. Schieß, wenn du willst.«
Dermody war im Begriff zu schießen. Da schlug ihn noch einmal das Gewissen und er nahm seine Zuflucht zu Bitten, Vorstellungen und zur Milde.
»Zum Teufel, Herr Brasfield, Sie müssen sich ja doch ergeben! Was soll denn der Widerstand helfen? Sie wissen ja, wie gern ich Ihnen zur gehörigen Zeit einen Dienst erweise. Wenn ich Ihnen in etwas dienlich sein kann, so tue ich es gewiss, das versichere ich Ihnen.«
»Weg, du, Blutverkäufer, spare deine Lügen? Du hast den Thomas Winnington, Henry Godfrey, William Rhynley für ein paar Schillinge an den Galgen gebracht. Du Elender glaubst, ich wäre dumm genug, um auf dich zu hören! Deine Worte sind unbeholfen, wie dein Arm und Augenmaß. Ich werde mich bei deinen Vorgesetzten beklagen. Du machst deiner Waffe Schande.«
Bei diesen Worten drückte der im höchsten Grad erzürnte Polizeiagent ab, aber von der zu starken Ladung zersprang der Lauf und zerschmetterte den Vorderarm des Unglücklichen. Er schwankte auf dem Dach, versuchte vergeblich, sich an die Leiter festzuklammern und stürzte endlich in einem erbarmungswerten Zustand zur Erde.
Es entstand eine tiefe Stille und nur der Blasebalg arbeitete fort. Die um Haverell Dermody beschäftigten Dragoner hatten ihren Auftrag ganz vergessen, als sich auf einmal Brasfields Stimme vernehmen ließ. Er öffnete einen der inneren Läden an den schon erwähnten Schießscharten.
Als ihn der Sergeant erblickte, rief er ihm zu: »Ergeben Sie sich!«
»Noch fünf Minuten, vorher öffne ich nicht.«
Die nur noch aus 6 Mann bestehende Truppe, denn die anderen schafften Dermody ins nächste Dorf, wartete fluchend. Endlich trat Brasfield vor die Tür und sagte zum Sergeanten: »Ich stehe zu Diensten, aber zuvor verlange ich auf Ehrenwort, dass Sie mich so behandeln, wie ich behandelt sein will, keine Handschellen, keine Ketten. Sie führen mich zum Richter und ich werde freiwillig folgen.«
»Soldatenwort!«
»So treten Sie ein. Hundert Mann Eures Gleichen hatten den Platz nicht bezwungen. Treten Sie ein, meine Herren!«
«Wo ist denn Dermody?«, rief er, als die Soldaten herein waren. Wo ist er?«
»Sterbend im Hospital«, antwortete der Sergeant.
Da wurde des Pächters Figur noch länger, eine tiefe Röte überflog ihn, seine Augen funkelten, seine Nasenlöcher und Muskeln spannten sich auf und ein hochmütiger Triumph sprach aus allen seinen Zügen.
Drei Dragoner umgaben ihn. Er setzte sich nieder. Nun begannen die sorgfältigsten Durchsuchungen, aber ohne Resultat.
Man stieg in den Keller; alle Papiere, Kisten, Möbel wurden durchsucht.
»Nicht eine Banknote!«, rief der Sergeant. »In dieser Brieftasche sind deren genug«, antwortete Brasfield. In der Tat enthielt die Brieftasche vortreffliche echte Banknoten; aber das war es nicht, was man suchte. Man durchstörte die Asche der Kohlen. Der
Sergeant selbst durchsuchte den Herd, verbrannte sich die Finger im glühenden Torf, zerspaltete den Blasebalg, demolierte den Kamin und ließ die Röhren zertrümmern.
Der Pächter lachte über diese nutzlosen Durchsuchungen; keine Spur von falschen Banknoten, nicht einmal ein Stückchen Papier, an dem das Leben eines Menschen hing, vergalt die viele Sorge und Mühe.
»Auf, zu Pferde!«, sagte der Dragoner. »Tausend Teufel, in meinem Leben habe ich keinen fataleren Tag gehabt! «
»Seid Ihr fertig?«, fragte Brasfield, die Arme übereinander gekreuzt. »Wollt Ihr nicht noch einmal in einen Keller oder sonst wohin? Macht Euch doch das Vergnügen!« »Marsch, Hundsfott!«, schrie der Sergeant, der wie ein Verdammter fluchte. Wütend stieß er mit dem Stiefel ein Stück Röhre weg, das ihm im Weg lag. Acht bis zehn Stückchen angebranntes Papier flogen heraus. Der Pächter erblasste, stürzte hin, ergriff die Stückchen Papier, und nun entspann sich zwischen ihm und den Soldaten ein verzweifelter Kampf. Für ihn galt es Leben oder Tod. Einer der Dragoner war mit Blut bedeckt. Endlich entriss man seinen Händen ein bis zwei Fragmente solcher Banknoten. Die Übrigen zerriss und verschluckte er geknebelt, vor Wut schäumend. Durch diesen ungleichen Kampf erschöpft, ließ er die Arme herabfallen und leistete keinen Widerstand mehr. Man schleppte ihn fort.
»Nun ist alles vorbei«, stöhnte der noch kurz vorhin so triumphierende Brasfield. Wie beim Verbrennen von Papieren oft zu gehen pflegt, hatten sich einige von der Flamme nicht verzehrt und vom Rauch in die Höhe getriebene Banknoten im Ruß, womit die Röhre angefüllt war, festgesetzt. Stumme Resignation und hartnäckiges Schweigen waren die letzten Waffen und die einzige Hilfsquelle dieses in seinem verbrecherischen Leben mit so barbarischem Heroismus begabten Mannes.
Aber auf dem Weg nach Birmingham begegnete er seiner Tochter, die zu Pferde, von einem einzigen Bedienten begleitet, ihrer Heimat zuritt. Beim Anblick seines Kindes verließ den Pächter seine stolze Festigkeit. Das arme Mädchen warf sich in Tränen und Verzweiflung in die Arme ihres Vaters. Die Dragoner hielten in ihrem Marsch an.
»Kind«, sagte er, »mein Schicksal steht fest. Nur eine Qual foltert mich, die Angst um dich. Lebe wohl, meine Tochter, meine arme Tochter. Sei glücklich, erinnere dich weder an mein Leben noch an meinen Tod, erinnere dich nur an die Erziehung, die ich dir habe zuteilwerden lassen.«
Man schleppte ihn fort. Dieser Mann mit dem eisernen Herzen weinte. Qualvoll war die letzte Zusammenkunft mit seiner Tochter. Das gegen ihn als Fälscher ausgesprochene Urteil ließ ihn gleichgültig. Nur der Gedanke an seine Tochter erregte tiefen Kummer in ihm; nur ein einziges liebendes Gefühl lebte in dieser harten, den Tod verachtenden Seele.
Am Tag der Hinrichtung, als ihm der Henkersknecht die Hände band, rief er aus: »Im Namen Gottes bitte ich Sie, meine Herren, dass meine Schuld, so schwer sie auch sei, nicht auf das Haupt meiner Tochter zurückfalle. Sie wusste nichts von meinen Verbrechen, und je mehr ich wusste, wie schwer es war, mit desto größerer Sorgfalt bewahrte ich die Unschuld und Reinheit dieses Kindes. Vor mir hier sitzen die reichsten Grundbesitzer der Grafschaft. Haben Sie Mitleid, meine Herren, seien Sie barmherzig … Gewiss sind Väter unter Ihnen … Ach! Sollte nicht einer darunter sein, der sich dieser Waise annähme, dem einzigen Schmerz meines Todeskampfes!«
Eine zur anglikanischen Geistlichkeit gehörige Magistratsperson erhob die Stimme: »Ihr habt Euer Verbrechen nicht bekannt, Ihr habt keine Reue gezeigt, Ihr sterbt als Gottloser. Die Worte der Heiligen Schrift fallen auf Euch: Die Sünden der Väter sollen gerächt werden bis ins zehnte Glied.«
»Meine Tochter!«, stöhnte Brasfield.
Ein Gefühl des inneren Schauders bewegte die Versammlung; Brasfield zitterte an allen Gliedern.
Ein alter hochgewachsener Mann, aber gebeugt von der Last der Jahre, mit kahler Stirn, das Haupt umkrönt mit silbergrauen, spärlichen Haaren, erhob sich von der
Bank der Richter, stieß den intoleranten Diener der Kirche zurück und näherte sich dem Verbrecher.
»Herr Brasfield,« sagte er, »ich bin sechzig Jahre alt, und habe keine Kinder. Ich will Sorge tragen für Ihre Tochter. Nein, ein Gott straft die Unschuld nicht! … Ihr seid ein schlechter Mensch und ein schlechter Priester,« fuhr er zum ersten Redner gewendet fort.
»Und Gott wird es Euch vergelten«, sagte Brasfield. Er lag vor dem alten Richter auf den Knien, die Hände gefaltet und sprach diese Worte mit starkem, feierlichem Ausdruck, so dass sie im Herzen aller widerhallten.
Der Henker war bereit. Der Pächter starb ruhig, und seine letzten Worte waren: »Meine Tochter!«
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