Oberhessisches Sagenbuch Teil 86
Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873
VII.
Schätze, Schlangen, Drachen
Der Kesselrain bei Großen-Eichen
Wo ehedem über Großen- Eichen das Schauerwäldchen gestanden hatte, ist ein Platz, welcher der Kesselrain heißt. Einem Mann im Dorf träumte es, er sehe dort ein blaues Geldfeuerchen brennen. Als der Traum zum dritten Mal ihm wieder kam, stieß er der Lies, seiner Frau, der er schon vorher davon gesagt hatte und die neben ihm im Schlaf lag, in die Rippen, zog sich an, nahm die Rodehacke über die Schulter und ging mit ihr hinaus. Richtig, sie fanden den Ort, und mein Feuerchen brannte noch.
Sie machten sich nun geschwind an die Arbeit und hackten ein tiefes Loch in den Boden. Endlich spürten sie etwas Eisernes unter sich. Der Mann setzte mit der Rodehacke an und zog und zog. Die Lies half ihm auch aus Leibeskräften; es war aber der Henkel eines großen Kessels, der mit schwerem Geld angefüllt sein musste. Während dieses Tuns kam ein Fuhrwerk daher querfeldein über Stock und Stein, das fuhr sehrer und sehrer. Als es näher kam, machte es ein sölches Gerumpel wie der schwerste Heuwagen und fuhr so hart an ihnen vorbei, dass sie dachten, es sollte alles über sie hingehen, allein es rasselte vorüber. Das war kaum geschehen, so lief eine alte dreibeinige Muck (Muttersau) auf sie zu.
Ein unheimlicher Kerl saß auf ihr, der schrie sie an mit Donnerstimme: »Ist der Heuwagen vorüber?«
Allein sie übten (rührten) sich nicht und ließen ihn seines Weges ziehen, ohne ein Wort, tummelten sich aber, was sie konnten, bei ihrer Arbeit, dass ihnen die dicken Schweißtropfen übers Gesicht liefen.
Nun aber kam der luftige Teufel selber herzu. Er ritt auf einem schwarzen, zottigen Bock und war gruselig anzusehen. Er rief: »Wohinaus ist der Heuwagen und der auf der Muck saß, gegangen?«
Doch sie wussten, dass man schweigen musste und ließen ihn als zu rufen. Aber mit ihrer Arbeit wollte es gar nicht von der Schüppe. Wenn der Mann auf der einen Seite den Kessel bald heraus hatte, sank er auf der anderen wieder umso tiefer. Das machte der Teufel, der ihnen das Geld nicht gönnte, legte alle Schwere darauf. Da wurde der Mann hundsmüde über dem vergeblichen Tun und ärgerte sich. Weil er es partout erzwingen wollte und seine Frau sich ungeschickt anstellte, schrie er sie an: »Lies, zieh!«
Da tat es einen Plump, und gesehen hatten sie den Kessel und das Geld und alles, und hinter ihnen hörten sie ein Hohngelachter, wie es in der Hölle nicht grausiger sein konnte, und gingen also mit betrübtem Herzen wieder heim, so arm, wie sie gekommen waren.
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