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Abenteuer des Captains Bonneville 38

Washington Irving
Abenteuer des Captains Bonneville
oder: Szenen jenseits der Felsengebirge des fernen Westens
Verlag von J. D. Sauerländer. Frankfurt am Main, 1837

Siebenunddreißigstes Kapitel

Abreise zu dem Sammelplatz – Eine Kriegspartie der Blackfeet – Ein falscher Lärm – Verstellte Lagerfeuer bei Nacht – Kriegerische Vorkehrungen – Gefahr eines nächtlichen Angriffs – Panischer Schrecken unter den Pferden – Vorsichtiger Marsch – Die Bierquellen – Ein verstelltes Trinkgelage – Ein Scharmützel mit Büffelochsen – Eine Büffelhetze – Ankunft an dem verabredeten Sammelplatze – Zusammenkunft mehrerer Gruppen

Nachdem sie diese zwei Tage mit Festlichkeiten zugebracht hatten, brach Captain Bonneville mit seinem Lager auf und begab sich mit seiner bunten Partie von gemieteten und freien Biberfängern, Halbbluts, Indianern und Squaws auf den Weg zum Hauptsammelplatz im Tal des Bear River. An den Ufern des Blackfeet River hinaufziehend, erreichte er bald die Hügel, in welchen er entspringt. Sie erblickten hier auf ihrem Marsch von der Höhe eines Hügels eine Kriegspartie von ungefähr sechzig Blackfeet auf der gerade unter ihnen liegenden Ebene. Seine Lage war

Gefährlich, denn der größere Teil seiner Leute war nach allen Richtungen hin zerstreut. Allein Bedenken zu zeigen oder Furcht zu äußern, würde so viel gewesen

sein, wie seine Schwäche zu verraten und sie zum Angriff einzuladen. Er nahm daher sogleich eine kriegerische Stellung ein, befahl den Squaws, die Pferde zu

einem Wäldchen von Eschenbäumen zu führen, sie abzupacken und anzubinden und ließ durch seine Handvoll Leute ein fürchterliches Getöse machen. Die Führer ritten auf und ab und schrien, was sie konnten, als ob zahlreiche Streitkräfte sich zu einem Angriff anschickten.

Um die Täuschung über seine Stärke zu unterhalten, befahl er, mit der Nacht eine Menge Extrafeuer in seinem Lager anzuzünden, und hielt strenge Wache. Seine

Leute waren angewiesen, sich für ein augenblickliches Gefecht in Bereitschaft zu halten. In solchen Fällen schläft der erfahrene Biberfänger in seinen Kleidern, mit

seiner Büchse neben sich und den Schrotgürtel und die Pulverflasche im Griff, sodass er im Fall eines Lärms sogleich Hand an sein Gewehr legen und vollkommen

bewaffnet aufspringen kann.

Captain Bonneville war ebenfalls äußerst besorgt, die Pferde in Sicherheit zu bringen und stellte eine sorgsame Wache bei ihnen auf, denn dieses sind der Hauptzweck

und die Hauptgefahr eines nächtlichen Angriffs. Die Hauptabsicht des lauernden Wilden geht dahin, einen panischen Schrecken unter den Pferden zu verbreiten.

In solchen Fällen erschreckt ein Pferd das andere, bis sie alle unruhig werden und sich loszureißen versuchen.

In einem Lager, worin sich viele Indianer mit ihren Pferden befinden, ist ein nächtlicher Aufruhr fürchterlich. Das Rennen der losgerissenen Pferde, das Schnauben, Stampfen und Wiehern der Angebundenen, das Heulen der Hunde, das Geheul der Indianer, das Herumrennen der weißen und roten Menschen mit ihren Musketen, das Umstürzen der Zelte, das Springen der Pferde durch die Feuer, das Auflodern der Flammen, welche die Gestalten der Männer und Rosse beleuchten,

die sich im Dunkeln hin- und hertreiben, dieses bildet zusammen eine Szene der wildesten Verwirrung. Auf diese Weise werden bisweilen alle Pferde eines Lagers,

die sich auf mehrere Hunderte belaufen, in einer einzigen Nacht verscheucht.

Die Nacht ging ohne irgendeine Störung vorüber; allein es war keine Wahrscheinlichkeit vorhanden, dass eine Kriegspartie der Blackfeet, die sich einmal auf der Spur eines Lagers befand, wo die Möglichkeit, Beute zu machen, vorhanden war, ermangeln würde, um dasselbe herumzustreifen. Der Captain fuhr daher fort,

die sorgfältigste Wachsamkeit zu unterhalten, und schickte Kundschafter voraus, und auf jede Anhöhe.

Im Laufe des Tages kam er an die bereits erwähnte Ebene von weißem Ton, um welche sich die Mineralquellen befinden, die von den Biberfängern die Biberquellen genannt werden.1 Hier hielten die Leute an, um sich zu laben. In wenigen Minuten befand sich an jeder Quelle eine fröhliche Gruppe von Trinkern, die, den Zinnbecher in der Hand, ein verstelltes Zechgelage hielten. Sie becherten, tranken sich einander zu und stießen an. Sie trieben unter schallendem Gelächter Kurzweil und sangen Trinklieder, bis ihre Einbildungskraft ihrem Trank berauschende Kräfte beigelegt hatte und sie in einen benebelten Zustand versetzt zu haben schien. In ihrer augenblicklichen Fröhlichkeit wurden sie laut und verschwenderisch im Lob der Gebirgsschenke und erhoben ihr Getränk über das Gebräu von Hopfen und Malz.

Es war eine sonderbare, befremdende Szene; der Region angemessen, wo alles sonderbar und befremdend ist, diese Gruppe von Biberfängern, Jägern und Indianern, in ihrer wilden Tracht und mit noch wilderen Gesichtern, ihrer lärmenden Fröhlichkeit und sorglosen Mienen, sich um diese sprudelnden Quellen lustig machen und zechen zu sehen, während sie ihre Gewehre an der Seite liegen hatten, um nötigenfalls augenblicklichen Gebrauch davon machen zu können. Maler stellen gern Banditen bei ihren rohen und pittoresken Gelagen vor; hier waren aber Gruppen, die noch wilder und malerischer aussahen, und es hätte nur eines Angriffs der Blackfeet und eines schnellen Übergangs von einem seltsamen Gelage zu einem wütenden Handgemenge bedurft, um dieses Gemälde aus dem Leben eines Biberfängers zu vervollständigen.

Das Biergelage ging aber ohne widrige Vorfälle vorüber und unähnlich den meisten Zechereien, ließ es weder Kopfschmerz noch Übelkeit zurück. Captain Bonneville nahm nun seinen Weg am Bear River hinauf und jagte bisweilen Büffel, die in dieser Gegend in großer Menge anzutreffen sind. Bisweilen, wenn er einen großen Ochsen in der Prärie ruhen sah, stahl er sich in einem Hohlweg bis nahe zu ihm, weckte ihn mit einem Stein aus seinen Betrachtungen und schoss nach ihm, wenn er aufsprang. Dieses Tier springt so schnell auf seine Beine, dass es nicht leicht ist, die Bewegung

der Muskeln wahrzunehmen, wodurch es bewerkstelligt wird. Das Pferd erhebt sich erst auf seinen Vorderbeinen, die zahme Kuh auf ihren Hinterfüßen; allein der Büffel springt mit einem Mal aus einer liegenden, in eine aufrechte Stellung, und dies mit einer Geschwindigkeit, die das Auge täuscht. Ob ihm gleich seine Größe und sein watschelnder Gang das Ansehen gibt, dass er nicht sehr schnell laufe, so erfordert es doch ein tüchtiges Pferd, um ihn einzuholen, wenn er in vollem Rennen über die Ebene springt. Eine Büffelkuh ist noch flinker in ihren Bewegungen.

Unter den Indianern und Halbblute der Partie befanden sich mehrere sehr geschickte Reiter und kühne Jäger, die sich mit einer wunderlichen Art von Büffelhetzen belustigten. Wenn sie in der Ebene einen großen Ochsen liegen sahen, so schickten sie sich zu ihrer grausamen Belustigung und zur Quälerei des Tieres an.

Sie umringten ihn zu Pferde, schossen schnell nacheinander ihre Pfeile nach ihm ab, bis er, nach hinten und vorn ausschlagend, wie ein Stachelschwein voller Pfeile steckte. Wenn sie Zeichen von Erschöpfung an ihm wahrnahmen und er nicht länger gereizt werden konnte, dann stiegen sie von ihren Pferden ab und näherten sich

ihm von hinten. Sie ergriffen ihn hierauf beim Schwanz, zerrten ihn hin und her und zogen ihn rückwärts, bis die Wut dem Tier neue Kräfte verlieh, es sich von ihnen losriss und mit funkelnden Augen und dumpfem Gebrüll auf irgendeinen Feind vor sich los stürzte. Wenn aber nach einer kleinen Weile dieser augenblickliche Wutanfall vorüber war, dann sank es gewöhnlich erschöpft zu Boden nieder und gab den Geist auf. Die Pfeile wurden ihm alsdann aus dem Leib gerissen, ihm die Zunge als Leckerbissen aus dem Halse geschnitten und sein toter Körper zum Schmaus für die Wölfe liegen gelassen.

Seinen Lauf den Bear River hinauf verfolgend, kam Captain Bonneville am 13. Juni an dem Little Snake Lake an, wo er vier bis fünf Tage lagerte, um seine Ufer und Abflüsse zu untersuchen. Die Letzteren fand er so außerordentlich schlammig und so von Sümpfen und Schlammlachen umgeben, dass er genötigt ward, Kähne aus Binsen zu bauen, um ihn untersuchen zu können. Die Mündungen aller Flüsse, welche von Westen her in diesen See fallen, sind morastig und unbedeutend. Auf

der Ostseite ist jedoch eine schöne Bucht, bisweilen von hohen Felsvorsprüngen unterbrochen, die bis an das Ufer des Sees gehen und den malerischen Character

der Szene erhöhen. Das Wasser ist sehr seicht, hat aber einen Überfluss von Forellen und andern kleinen Fischen.

Nachdem er den See besehen hatte, setzte Captain Bonneville seine Reise fort, bis er etwas weiter oben an den Ufern des Bear River auf die Partie stieß, die

er im verflossenes Jahre abgeschickt hatte, um den Big Salt Lake zu umgehen und seine Größe und die Beschaffenheit seiner Ufer zu untersuchen. Sie waren ungefähr zwanzig Tage an diesem Ort gelagert gewesen und sehr erfreut, wieder mit ihren Kameraden zusammen zu kommen, von denen sie so lange getrennt gewesen waren.

Die erste Frage, welche Captain Bonneville an sie richtete, betraf den Erfolg ihrer Reise und die Kunde, die sie sich vom Great Salt Lake verschafft hätten, der der Gegenstand seiner äußersten Neugierde und seines Ehrgeizes war. Den Inhalt ihres Berichts wird man in dem folgenden Kapitel finden.

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Show 1 footnote

  1. In einem geschriebenen Tagebuche des Captains Nataniel G. Wyeth finden wir folgende Erwähnung dieser Quellen:
    »Es ist hier eine Sodaquelle, oder ich möchte sagen, fünfzig. Diese Quellen werfen einen Kalk aus, der sich absetzt und kleine Hügelchen von einem gelbfarbigen Stein bildet. Hier befindet sich ebenfalls eine warme Quelle, welche Wasser mittelst eines Strahls aussprudelt, das an Geschmack dem Kimmwasser (oder den Wasser im Kielraum eines Schiffs) ähnelt. Es befinden sich hier auch Braunkohlenlager, die sich bisweilen entzünden und eine tiefe, leichte Asche hinterlassen, in welchen die Tiere tief einsinken … Ich erstieg ein Gebirge und von diesem aus konnte ich sehen, dass sich der Bear River dicht um den Fuß des Schafsfelsen wand. Es befanden sich auf der Ebene viele hundert Hügelchen von gelbem Stein, mit einem Krater auf der Spitze, die vom Niederschlag des geschwängerten Wassers gebildet waren.«

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