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Oberhessisches Sagenbuch Teil 82

Oberhessisches Sagenbuch
Aus dem Volksmund gesammelt von Theodor Bindewald
Verlag von Heyder und Zimmer, Frankfurt a. M., 1873

Der rote Geiger am Forellenteich

Der Forellenteich im Oberwald hat etwas an sich, darüber lässt sich nicht disputieren. Selten vergeht ein Jahr, ohne dass irgendein Mensch hineinspringt und so eines bösen Todes verstirbt. Darum ist es dort auch niemals recht geheuer, absonderlich des Nachts. So war dort einmal ein Kohlenbrenner, der gedachte des Nachts auf die Wildbretsknapperei auszugehen, denn, wahrhaftig, bequemer konnte er es nicht haben, wie hier im stillen Wald. Also ging er zu dem Forellenteich. Allein als er über den Seedamm hinschritt, stand ein großer, fürchterlicher Mann vor ihm, der war blutrot angetan und hatte eine Geige am Backen und geigte darauf los, dass es eine Art hatte. Er geigte aber nicht einem Menschen, sondern zwei roten Hunden, die waren auch überirdisch groß und sprangen um ihn her. Als der Kohlenbrenner näher kam, warnte er ihn mit diesen Worten:

Wo du bedoage (bei Tage)
Sott du benoage (bei Nacht)
Sust soll deich dies und das verschloage!

Mein Kohlenbrenner merkte Unrat und kehrte um, hatte auch nie wieder einen Gang gemacht, um Wild zu stehlen.

Das Jägerhaus im Laubacher Wald

Sie liegt schon längst auf dem Kirchhof, die alte Förstersche auf dem Ruttershäuser Jägerhaus, die kam einmal von Laubach zurück, und es war Nacht und ganz mondhell. Da stiegen aus der Hexenwiese und dem Seegrund viele Menschen herauf mit einem Sarg, ein langer, langer Zug, als galt es irgendein Begräbnis.

Die Frauen hatten allesamt faltige Mäntel über dem Kopf, die fielen ihnen bis über die Schultern herab. So zogen sie mausestill den Kirchberg hinauf, wo der Stumpf der alten Dorfkirche steht, unter welcher ehedem das in den Ritterzeiten ausgegangene Dorf Ruttershausen lag.

Gesichter konnte die Förstersche nicht sehen, auch wusste sie nicht, was sie zu solch absonderlichem Tun sagen sollte. Sie ging deshalb näher hinzu, um alles besser zu sehen. Aber siehe da, nun war die Erscheinung zu Ende und nichts mehr davon zu merken, da eilte sie in Angst, was sie konnte, dass sie heimkam.

Das Sonntagskind

Ein jedes Menschenkind, das unter Glockengeläut oder auf einen gedoppelten Sonntag jung geworden ist, sieht Geister und kann verwünschte Personen erlösen. Wird es von diesen darauf angesprochen und hilft ihnen nicht, so hat es sein Leben lang kein Glück mehr. So erging es einem Schulmeister.

Eines Sonntags stieg er hinauf ins Gebirge, früh in der Morgendämmerung. Drunten im Thal läuteten die Morgenglocken und wie er sich recht umsah, stand er vor einem Felsen am Wege und sah dabei eine Frau, die wusch ein blutiges Hemd in dem Brunnen, der darunter entsprang. Der Schulmeister dachte an gar nichts, am wenigsten an Geister, und sprach ganz arglos: »Guten Morgen, Frau, ist das auch eine Arbeit am lieben Sonntag?«

Da schaute ihn die Frau an, sprach aber kein Wort und wusch emsig weiter. Das ärgerte ihn denn gewaltig, er tupfte ihr mit der Hand auf die Schulter und redete nochmals eben dieselben Worte.

»O, du Unglücksmann«, begann nun mit schmerzlichem Seufzen die Frau, »was bietest du mir guten Morgen? Hättest du gesagt: Gott schenke dir die ewige Ruhe, so wäre ich erlöst von dem Fluch und du hättest das gute Werk getan, wozu du als Sonntagskind bestimmt bist. Jetzt muss ich wieder lange hundert Jahre umgehen, bis einer kommt, der wie du unter Glockengeläut geboren ist. Aber geh nur hin, dein Gutes hast du gehabt im Leben!«

Der bestürzte Schulmeister wollte antworten, aber die Erscheinung war weg. Er hörte und sah nichts mehr davon. Tiefbetrübt ging er nach Hause und machte sich allerlei Betrachtungen über die Begebenheit. Doch das, was die Frau ihm vorausgesagt hatte, traf ein von Wort zu Wort. Sein Glück war verschüttet. Es ging ihm alles hinderlich im Amt und verdrießlich im Leben, zuletzt wurde er vom Dienst gesetzt und starb als elender Bettelmann auf der Landstraße.

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