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Neue Gespenster – 12. Erzählung

Samuel Christoph Wagener
Neue Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit
Erster Teil
Zwölfte Erzählung

Der neckende Geist in einer polnischen Dorfschenke

Mit dem noch lebenden, zu Buttstädt im Herzogtum Weimar wohnhaften, Meister K. wanderte im November des Jahrs 1756 eine ganze Schar Handwerksburschen nach Polen. Das Ziel ihrer Reise war Warschau. Sie hatten Ursache zu wünschen, dass sie möglichst bald dort eintreffen möchten. In dieser Absicht machten sie starke Tagereisen, ohne alle Rücksicht auf den Ort, wo der Abend sie ereilte, und auf die Gelegenheit zum gewöhnlichen Übernachten zu nehmen. Ihr Los war daher, mehr als dies in Polen ohnehin schon der Fall zu sein pflegt, für die Nacht in höchst elenden Dorfschenken vorlieb nehmen zu müssen. Speisung und Lager waren immer gleich schlecht oder fehlten ganz. Indessen gaben die starken Tagesmärsche ihnen Esslust und Schlaf.

Einst kamen unsere Wanderer des Abends, als es schon finster geworden war, in ein an Schlesiens Grenze gelegenes Dorf an, wo sie froh waren, nur ein Obdach zu finden. So dringend ihre Bedürfnisse auch waren, so gab es doch für ihre hungrige Magen hier wenig oder gar nichts. Man legte sich daher bald auf die Streu zur Ruhe, um so auch die Esslust einzuschläfern.

Von den Strapazen des Tages ermüdet, sanken fast alle in einen totähnlichen Schlaf und gaben nur durch einstimmiges Schnarchen noch überzeugende Beweise des Lebens. Nur Meister K., dem Erzähler dieser Geschichte, wollte der süße Schlaf nicht anlächeln. Er allein zählte vor schmerzlicher Langeweile bis gegen Mitternacht jeden Atemzug seiner Reisegefährten. Er konnte vor Kälte nicht einschlafen, so gut er sich auch bei Ermangelung des erforderlichen Lagerstrohs in seine Kleidungsstücke gehüllt hatte. Seine Schlafstelle hatte er in der Nähe der Stubentür aufschlagen müssen, weil die vielen Anwesenden den übrigen Teil des Zimmers eingenommen hatten.

Während er so auf den eigensinnigen Schlaf harrte, flog plötzlich und krachend die Stubentür zurück. Voll Bestürzung hierüber sprang er vom Lager auf, fragte wiederholend, wer da sei, und bekam keine Antwort. Er ermunterte nun den nächsten Nachbarn vollends, nachdem der Knall der auffliegenden Tür auch ihn schon aufgeschreckt und halb munter gemacht hatte. Da sich auch nun noch niemand sehen oder hören ließ, so waren beide zu ihrer eigenen Beruhigung geneigt, sich zu überreden, dass wohl nur ein Windstoß die mit keinem Schloss und Riegel versehene Tür geöffnet und der dadurch entstandene Zug das heftige Zurückschlagen derselben bewirkt haben könnte. Um der kalten nächtlichen Zugluft den Eingang in das Zimmer zu versperren, machten die Wachenden die Tür wieder zu.

Kaum hatten sie sich wieder auf ihr hartes Lager geworfen, so flog die Tür ebenso heftig wie vorher zurück. Alles Zurufen, Fragen und Schelten blieb auch nun unbeantwortet. Nun ließen sich Bedenklichkeiten aller Art nicht mehr unterdrücken. Das Ereignis blieb umso unerklärlicher, da man nun durchaus keinen Zugwind bemerkt hatte. Von nichts waren die Nächsten an der Tür fester überzeugt, als davon, dass keiner von der Gesellschaft einen unzeitigen Scherz mit ihnen triebe, denn er hätte über sie hinwegschreiten und sie berühren müssen, um zur Tür zu gelangen. Sie rüttelten daher ihre übrigen Gefährten aus dem Schlaf auf und teilten ihnen das Vorgefallene mit. Man beschloss aufs Neue die Tür zuzumachen, doch auch nun wieder flog die Tür mit Heftigkeit auf. Unter allerlei Mutmaßungen und einem ruhestörenden Geschwätz brach endlich der sehnlichst herbeigewünschte Morgen an. Das wiederkehrende wohltätige Tageslicht brachte ihnen den Ausschluss über die Natur des Ereignisses mit der beunruhigenden Tür.

Um frei und ungehindert im ganzen Haus umherschleichen und die zahlreichen Scharen der Katzen und Mäuse verscheuchen und bekriegen zu können, pflegte die Katze im Haus auf die Türklinke zu springen und so dieselbe niederzudrücken.

Der an der Tür befindliche Zugklotz zog sie alsdann mit Heftigkeit auf. Und diese Heftigkeit wurde durch das Aufstoßen des Zugklotzes auf ein zufällig dastehendes, wohltönendes, hölzernes Gefäß sowie durch den Flug der Tür gegen dasselbe stark hörbar.«

»Dieses Öffnen der Tür durch das Hinaufspringen der Katze auf den Drücker«, sagte die Wirtin, »geschieht fast jede Nacht und ich hatte nur vergessen, Euch zu sagen, dass Ihr die Tür innen mit dem Überhang verschließen könntet, wenn Ihr etwa der Katze den Zugang in die Stube nicht erstatten wolltet. Dann würde sie Euch nicht haben beunruhigen können.«

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