Die Nonne und der Tod
Claudia Kern
Die Nonne und der Tod
Historischer Roman, Taschenbuch, Blanvalet, München, Januar 2013, 448 Seiten, 8,99 Euro, ISBN: 9783442378807. Erschien auch unter dem Titel PESTMASKEN im Weltbild Verlag. Derzeit nur noch als E-Book-Fassung zum Preis von 7,99 Euro erhältlich.
Das Jahr 1348: Die junge Ketlin wächst bei ihrer allein erziehenden Mutter in einem Dorf in der Nähe von Köln auf. In den Glauben, ein uneheliches Kind des Bürgermeisters von Köln zu sein, sieht sie sich als ein wenig höher gestellt als die ländliche Bevölkerung an, zumal ihre Mutter als Kräuterkundige viele Geheimnisse an sie weitergibt und sie heimlich von einer Nonne unterrichtet wird. Als Gaukler in den Ort kommen und dort überwintern wollen, will sich keiner mit dem fahrenden Volk einlassen. Nur Ketlins Mutter zeigt sich ihnen wohl gesonnen – im Austausch für Latein-Unterricht, den der Gaukler-Anführer ihrer Tochter erteilt. Doch als plötzlich einige Dorfbewohner an einer mysteriösen Krankheit leiden, fliehen die Gäste bei Nacht und Nebel.
Die Umstände zwingen auch Ketlin dazu, das Dorf zu verlassen und nach Köln zu reisen. Dort will sie ihren Vater aufsuchen, doch das gestaltet sich nicht so einfach, wie sie sich das vorgestellt hat. Im Rathaus will man nichts von ihr wissen, besorgt ihr aber einen Platz als Novizin in einem Zisterzienserinnenkloster innerhalb der Stadtmauern. Keltin kann sich nur schwer an die Abläufe, strengen Regeln und Gebräuche gewöhnen. Als sie sich auch noch in den Apothekerlehrling Jacob verliebt, steht für sie fest, dass sie keine Nonne werden kann, und sie verlässt das Kloster wieder. Da erreicht der Schwarze Tod auch die Tore der Stadt. Niemand scheint die Seuche stoppen zu können. Aber Ketlins Wissen über Heilpflanzen wird plötzlich sehr wertvoll. Kann sie einen Weg finden, der Pest Einhalt zu gebieten?
Mit DIE NONNE UND DER TOD legt Claudia Kern nach ihrem Buch DAS SCHWERT UND DIE LÄMMER über die Kinderkreuzzüge ihren zweiten historischen Roman mit mittelalterlichem Hintergrund im Blanvalet Verlag vor. Sie zeichnet hier den Weg von Ketlin als unbedarfte junge Frau, die mit einem falschen Weltbild aufwuchs, bis hin zur selbstbewussten Heilerin nach. Das macht die Autorin sehr detailreich und lebendig, wobei sie den einzelnen Stationen mal mehr und mal weniger Platz einräumt. Mit Kerns Ansatz, ihre Figuren stets in ihrem eigenen Erfahrungshorizont und im Kontext ihrer Zeit agieren zu lassen, gelingt ihr ein gelungenes Epochen-Porträt mit zahlreichen interessanten Charakteren.
Die erwähnte Teilung der Romanhandlung in die Abschnitte Dorf, Kloster und Pest-Köln führt jedoch dazu, dass sich die Geschichte ein wenig zerfasert anfühlt und nicht alle Abschnitte Kerns Stärken entgegen kommen. Während die gefälligen Dorf-Passagen für eine Einführung vielleicht etwas lang geraten sind, aber wiederum den späteren Kontrast Land – Stadt gut vorbereiten, verliert der Text mit Ketlins Ankunft in Köln und wenig später im Kloster stark an Tempo und Reiz. Die Darstellung der Anpassungsprobleme der teils sehr naiven Ketlin und des Klosteralltags ziehen sich – bei aller Liebe zu den geschilderten Details – in diesem umfangreichsten der drei Romanteile reichlich. Erst als die Novizin das Kloster wieder verlässt und erneut mit der Pest konfrontiert wird, ist die Autorin wieder ganz in ihrem Element.
In der Tat liest sich dieser dritte und letzte Teil wie ein Endzeit-Roman, in dem eine ganze Stadt ums Überleben kämpft und zusehends jede Vernunft fallen lässt – selbst die, die das Gottvertrauen und Religionshörigkeit der damaligen Zeit geboten. Hier wird DIE NONNE UND DER TOD erst richtig stark, löst sich von der Behäbigkeit des Kloster-Mittelteils und kann erstmals richtig Spannung aufbauen. Zwischen Pestmasken und klaustrophobischer Panik in den Straßen sucht Ketlin nach einem Ausweg – und nach Jacob, der außerhalb der Mauern ausharren muss.
Fazit:
Nach ihrem sehr starken Roman über die Kinderkreuzzüge hat es Claudia Kerns historischer Entwicklungsroman über eine junge Kräuterkundige schwer, die eigenen großen Fußstapfen zu füllen. Zwar gelingt es Kern, die einzelnen Handlungsteile durch bestimmte Figuren miteinander zu verbinden, beim Lesen entsteht jedoch leicht der Eindruck, als lese man zwei oder drei völlig verschiedene Romane. Das gilt insbesondere für den letzten Teil nach der Kloster-Episode, der ein viel höheres Tempo aufweist und mit faszinierenden Szenen einer Welt am Abgrund aufwartet. Hier kann Kern ihre erzählerischen Stärken wieder voll ausspielen. Inhaltlich etwas unausgewogen, kann DIE NONNE UND DER TOD am Ende nur streckenweise vollständig überzeugen und weist insbesondere im Mittelteil einige vermeidbare Längen auf.
(sv)
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