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Nick Carter – Nick Carters beste Maske – Kapitel 4

Nick Carter
Nick Carters beste Maske

Kapitel 4

Merkwürdige Entdeckungen

Unaufhörlich glitten seine Augen suchend in dem räumlich beschränkten Zimmer umher. Aus demselben war der Verbrecher entwichen, soviel stand fest. Doch wie und auf welche Weise? Durch das Fenster hatte er sein Entrinnen nicht bewerkstelligt, denn dieses war nun noch von innen verriegelt. Carruthers schien überhaupt nicht an Flucht gedacht, sondern beschlossen zu haben, gestützt auf seinen klaren Alibibeweis jegliche Gefahr an sich herankommen zu lassen und ihr zu trotzen. Er hatte hierbei nur die Wundmale der von ihm getragenen Handschellen in seiner Rechnung einzustellen vergessen. Deren Entdeckung durch Nick hatte ihn blitzschnell zu der Erkenntnis geführt, dass ihn auch der geschickteste Alibibeweis nicht retten konnte. Daraufhin war er geflohen. Aber wie und auf welche Weise?

Nick Carter begriff, dass er völlig ruhig bleiben und all seine Geisteskräfte sammeln musste, sollte der ohnehin im Vorteil befindliche Flüchtling nicht noch weiteren Vorsprung gewinnen. Ebenso klar war ihm auch, dass er dieses Schlafzimmer nicht verlassen würde, bevor er den geheimnisvollen Schleier gelüftet hatte, welcher jetzt noch über der rätselhaften Flucht des Verbrecherkönigs ausgebreitet lag.

Durch den Boden konnte Carruthers nicht geflohen sein, ebenso wenig durch die Decke, denn beide waren unbeschädigt. Da das Zimmer nach dem Hausinneren zu in einen spitzen Winkel auslief, also keine hintere Wand besaß, blieben nur die beiden Seitenwände, denn die Vorderwand wurde durch das ebenfalls nicht weiter in Betracht kommende Fenster ausgefüllt.

Auch die eine Seitenwand schied aus, denn sie trennte den Schlafraum von dem Speisezimmer, aus welchem Carruthers zuvor geflohen und wohin dieser sicherlich nicht wieder zurückgekehrt war. So blieb also nur die von der Brandmauer des Hauses gebildete andere Seitenwand, die unmittelbar an das Eckhaus an der 5th Avenue grenzte.

Fast die ganze Wandfläche wurde von in der Mauer eingelassenen Schränken eingenommen.

Unverzüglich machte sich Nick Carter daran, unter Beihilfe des Hotelpersonals den gesamten Kleider- und sonstigen Inhalt der Schränke ausräumen zu lassen. Sobald einer der Schränke leer war, stellte sich der Detektiv hinein und begann unter Zuhilfenahme seiner Instrumente die Seiten- und Hinterwände auf das Sorgsamste abzuklopfen und abzuhören. Seiten- und Rückenteile der Schränke waren aus kostspieligen, eingelegten Hölzern hergestellt und direkt in die schon bei Erbauung des Hauses vorgesehenen Wandnischen eingepasst.

Eine weite kostbare Viertelstunde verstrich. Dann ließ der unablässig arbeitende Nick plötzlich einen Ausruf großer Überraschung hören. Die Rückfläche des mittleren Schrankes klang hohl. Von Neuem klopfte der Detektiv die dunkel polierte Holzbekleidung ab, und wieder mit demselben Resultat.

Kopfschüttelnd sah der Manager dessen Hantierung zu. Er hatte heimlich nach dem nächsten Polizeirevier geschickt, und der Captain war selbst mit einigen Beamten gekommen, natürlich um nur zu bestätigen, dass Nick Carter all right sei und wohl wisse, was er zu tun und wie weit er zu gehen habe. Nun standen auch die Beamten dabei und beobachteten aufmerksam jede Bewegung ihres berühmten Berufskollegen.

Erstaunt nahmen sie wahr, wie Nick Carter nun mit einer messerartigen, vorn mit feinen Widerhaken versehenen Klinge in die Seitenspalte der Rückwand einzudringen versuchte. Plötzlich wurde ein leises Knarren hörbar, und die erstaunten Zuschauer nahmen wahr, wie der Detektiv ohne sonderliche Anstrengung die eine Hälfte der Rückwand über die andere schob, so dass nun dahinter ein gähnendes Loch zum Vorschein kam, das von der anderen Seite her wiederum durch eine Holzfläche begrenzt wurde.

»Dachte ich es mir doch!«, rief Nick Carter triumphierend. »Nun wissen wir doch wenigstens, in welcher Weise der Vogel entflohen ist, und nun weiß ich auch, warum es mir selbst nicht gelang, Carruthers zu entlarven. Pünktlich um Mitternacht kam er nach Hause – und das nur, um durch dieses Loch seine Wohnung wieder zu verlassen und die dunkle Bahn des Verbrechens zu wandeln.«

Der Hotelmanager schlug die Hände über dem Kopfe zusammen. »Um Gottes Willen, wie ist das nur möglich!«, stammelte er. »Ich habe Mr. Carruthers immer für solch einen respektablen Gentleman gehalten – doch das sieht beinahe so aus, als ginge es durch dieses Loch ins Nachbargebäude.«

»Das sieht nicht nur so aus, sondern verhält sich auch tatsächlich so, mein Bester, wie ich Ihnen sogleich beweisen werde«, bemerkte Nick Carter trocken.

Er war schon wieder dabei, in ähnlicher Weise wie zuvor an der jenseits der Maueröffnung befindlichen Holzwand mit seinem Instrument herum zu hantieren.

»Diese Öffnung führt direkt ins Nachbarhaus«, erklärte er, eifrig dabei an der Holzwand arbeitend, »jedenfalls hat Carruthers in diesem die an seine hiesige Wohnung stoßende Zimmerflucht gemietet, um unbemerkt ein- oder ausgehen zu können.«

»Er muss aber die beiden Brandmauern durchbohrt haben. So etwas ist kaum zu glauben!«, schrie der Manager.

»Nun, solche Kleinigkeiten fechten Gewaltnaturen vom Schlage dieses Carruthers wenig an, mein Lieber«, bemerkte der unablässig weiter arbeitende Detektiv. »Er wird sich Zeit dazu genommen haben. Wie lange steht das Nachbarhaus schon?«

»Vielleicht sieben Jahre, jedenfalls länger, als Mr. Carruthers bei uns wohnte – mein Himmel!«, unterbrach sich der Manager, »nun begreife ich auch, warum der Mann durchaus diese Wohnung hier haben wollte. Es wohnte früher ein Anwalt darin, ein sehr feiner Herr. Mr. Carruthers bot jährlich 500 Dollar mehr, und da er sonst ausziehen wollte, mussten wir dem Wohnungsinhaber kündigen.«

»Lumperei!«, knurrte der sich eben gegen ein Hindernis stemmende Detektiv. »Bei einem Mann wie Carruthers, der vielleicht jährlich 500.000 Dollar zusammenstiehlt, spielen 500 Dollar keine Rolle!«

Er unterbrach sich plötzlich und sprang mit einem Satz aus der Öffnung in das Schlafzimmer zurück, augenscheinlich dazu veranlasst durch einen leisen pfeifenden Ton, der bei seinem Bemühen, die hintere Wandfläche zu bewegen, unvermutet laut geworden war.

»Was ist das?«, rief er beunruhigt. »Vorsicht, ich …«

Er kam nicht weiter. Ein Krach gleich einem Kanonenschuss erschütterte die Mauern und den Fußboden, und die Erschütterung war so gewaltig, dass der Hausmanager und einer der Polizisten sich ziemlich unsanft auf den Erdboden setzten und mit schmerzhaft verzogenen Mienen um sich starrten.

Eine blendend grelle Stichflamme, gefolgt von einer Wolke erstickenden schwarzen Rauches, schoss durch die Maueröffnung ins Zimmer. Nick Carter war ans Fenster geeilt und hatte dieses aufgerissen, um frische Luft einzulassen. Dann kehrte er vorsichtig zu der Maueröffnung zurück. Nachdem der Qualm sich langsam verzogen hatte, entdeckte er, dass die Holzfläche, an deren Beseitigung er eben noch gearbeitet hatte, verschwunden war. Auch eine davor gelegene Tür war aufgesprungen, und durch die entstandene Öffnung schien der lichte Tag. Dazwischen niedergebröckelte Mauertrümmer und brennende Kleider; augenscheinlich war durch die stattgehabte Explosion der Inhalt eines Wandschrankes, ähnlich der im Schlafzimmer befindlichen, in Brand geraten.

Umsichtig hatten sich die Polizisten schon daran gemacht, alle möglichen Gefäße mit Wasser aus den im Schlafzimmer befindlichen Leitungshähnen zu füllen und damit die Flammen zu löschen und auszutreten, was ihnen auch ohne viele Schwierigkeiten gelang.

Nick Carter war der Erste, der über die noch glimmenden Kleider und Holzteile in das ihren Blicken sich bietende Zimmer schlüpfte.

Das Erste, was er hörte, noch ehe er dazu kam, sich in dem überaus geschmackvollen, gleichfalls als Schlafzimmer dienenden Raum umzuschauen, war wütendes, augenscheinlich von der Korridortür kommendes Klingeln. Zugleich hörte er ein Geräusch, als ob mit Fäusten gegen die Tür gehämmert würde.

»Eine niedliche Entdeckung, was?«, wendete sich Carter an den ihm nachfolgenden Polizeicaptain. »Ja, mein lieber Mr. Dooley, in Ihrem Precinct (Bezirk) passiert so manches, von dem Sie sich nichts träumen lassen.«

Begleitet vom Captain und den staunend ihnen nachfolgenden Polizisten und Hausangestellten durcheilten sie die aus zwei Zimmern und einem Baderaum bestehende, mit einem kleinen Privatkorridor versehene Wohnung, in welcher sich natürlich auch keine Spur von dem Gesuchten fand. Doch ein Blick hatte Nick Carter genügt, um in einem auf dem Boden liegenden Kleidungsstück den noch kurz zuvor von Morris Carruthers getragenen flanellenen Morgenanzug zu erkennen.

»Das Ding an der Schrankfüllung war äußerst pfiffig ausgedacht«, meinte Nick Carter anerkennend. »Freund Carruthers hatte beabsichtigt, mich zu töten. Das wäre ihm zweifellos gelungen, denn er hatte die Bombe an dem beweglichen Teil der hinteren Schrankfüllung derart befestigt, dass die volle Wucht der Explosion zu meiner Seite wirken musste, wie es ja auch geschah. Sehen Sie, meine Herren«, fuhr er erläuternd fort, an den übel zugerichteten Schrank, dessen Tür völlig zertrümmert war, herantretend. »Da haben wir noch Überreste der Bombe. Sie war so gelegt, dass jeder Versuch, die als Schiebetür funktionierende Holzfüllung zu bewegen, die Explosion herbeiführen musste – nur war Carruthers in der Eile so unvorsichtig, eine Dynamitbombe anzuwenden. Er hatte vielleicht auch gerade keine andere zur Hand – und so konnte ich das eigentümliche Pfeifen hören und mich durch einen Sprung in Sicherheit bringen. Ich vermutete offen gestanden auch etwas Ähnliches, darum ließ ich mir Zeit und schob die Füllung ganz langsam zurück. Hätte ich ungestüm daran gezogen, so wäre ich jetzt ein toter Mann – ja doch, ich komme schon!«, unterbrach er sich, als das wütende Klingeln und Hämmern an der Korridortür kein Ende nehmen wollte.

Als er gleich darauf die Tür öffnete, sah er sich einer Anzahl Personen beiderlei Geschlechts gegenüber, die bei seinem Anblick unter lauten Schreckensrufen entsetzt zurückprallten.

»Well, Sir?«, fragte er den an der Spitze stehenden baumlangen Schwarzen.

»Ich bin der Hauspförtner!«, erklärte dieser aufgeregt. »Was war das für ein schrecklicher Knall in der Wohnung – und wer sind sie? Was haben Sie in Mr. Hydes Wohnung zu schaffen?«

»So, so, hier wohnt Mr. Hyde«, bemerkte der Detektiv gelassen. »Im Übrigen beruhigen Sie sich, mein lieber Mann, ich bin vom Polizeihauptquartier – und hier ist der Ihnen wohl bekannte Captain Dooley vom diesseitigen Bezirk nebst einigen seiner Leute.«

»Aber was soll das heißen – ich begreife nicht …«

»Das ist auch nicht nötig, mein Lieber. Kommen Sie nur herein, dann soll Ihnen schon alles klar werden«, bemerkte Nick, und dann wendete er sich den in das Zimmer gedrungenen Hausbewohnern zu. »Wie die Herrschaften sehen, ist kein Grund zur Besorgnis. Es ist nichts passiert, was die Herrschaften interessieren könnte.«

Damit schob er den Pförtner in den Privatkorridor und schloss den anderen die Tür vor der Nase zu.

»Sie sind der Schließer des Eckhauses an der 5th Avenue?«, erkundigte sich Nick.

»Der bin ich, aber …«

»Wann sahen Sie Mr. Hyde zum letzten Mal?«

»Vielleicht vor zwanzig Minuten, länger ist es noch nicht her.«

»Und wo geschah dies?«

»Unten in der Vorhalle. Ich putzte gerade die Messingstangen. Da verließ Mr. Hyde, eine Reisetasche in der Hand, den Aufzug. Er nickte mir noch zu und meinte, er würde auf ein paar Tage verreisen, und ich sollte auf sein Apartment achtgeben. Umso erschreckter war ich, als der fürchterliche Knall plötzlich ertönte und ich herausfand, dass hier in der Wohnung etwas passiert sein musste.«

»Well, wie sieht Ihr Mr. Hyde aus?«

»Ein sehr feiner Mann – beinahe so groß wie ich, stark und kräftig. Er trägt einen schwarzen Vollbart und eine goldene Brille – und er war natürlich schwarz angezogen – er ist doch ein geistlicher Herr …«

»Der Wolf im Schafskleid«, bemerkte Nick Carter ironisch. »Wie lange wohnt denn dieser Mr. Hyde schon im Haus?«

»Länger als ich die Stelle als Pförtner habe, und ich bin schon über drei Jahre hier.«

Nick Carter fasste den Schwarzen beim Arm und zog ihn zum Schlafzimmer. Als er ihm dann das rauchgeschwärzte Loch zeigte, weidete er sich insgeheim an der ungeheuren Überraschung des Schwarzen. »Eh, etwas ganz Neues?«, machte er. »Ich wette meinen Kopf darauf, Sie kannten das nicht!«

»Das – das Loch da?«, fragte der Pförtner verdutzt. »Das muss ja gerade zum Undine führen.«

»Höchstwahrscheinlich«, bemerkte der Detektiv. »Nun, Mr. Dooley, was steht zu Diensten?«, wendete er sich an den soeben herangetretenen Polizeicaptain. »Einen Generalalarm nach diesem famosen Mr. Hyde erlassen, meinen Sie? Ich denke nicht daran. Der Mann hat über eine halbe Stunde Vorsprung und ist längst in einem anderen Schlupfwinkel untergetaucht. Ein solcher Fuchs begnügt sich nicht mit einem einzigen Bau. Um den zu erwischen, müssen wir methodisch vorgehen. Das ist meine Sache«, brach er ab. »Vorläufig wollen wir uns einmal in dieser Doppelwohnung ein wenig umschauen.«

Die Ausbeute war indessen gering. In der im Undine befindlichen Wohnung war nichts vorhanden; sämtliche Schubladen und Behälter waren leer, wie dies auch bei der Vorsicht des flüchtigen Verbrechers zu erwarten gewesen war. Hatte dieser doch gewusst, dass seine Wohnung der Polizei genau bekannt war und schon aus diesem Grund alles fortgeräumt, das ihn irgendwie belasten konnte.

Die andere Wohnung war umso reichhaltiger ausgestattet. Sie entpuppte sich als ein überaus umfangreiches Warenlager von allen nur erdenklichen Wertgegenständen, die offenbar sämtlich gestohlen waren. Da fanden sich viele Dutzend goldener und silberner Bestecke, Tafelgeräte und dergleichen; daneben Schmucksachen in erstaunlicher Menge, wobei der Umstand bemerkenswert erschien, dass aus sämtlichen Kleinodien die wertvollen Steine aus ihren Fassungen gebrochen und beseitigt worden waren.

Der Hotelverwalter vom Undine und der Pförtner des Eckhauses hatten sich inzwischen flüsternd unterhalten.

»Wie ist es nur möglich«, hörte Nick Carter den Ersteren ausrufen, »dass dieser Mensch die Mauern durchbrechen konnte, ohne dass unsereins etwas davon merkte?«

»O, das erscheint mir durchaus nicht so erstaunlich«, bemerkte der Detektiv. »Der Mann hat sich Zeit gelassen und das Geröll sowie die Steine nach und nach in handlichen Paketen fortgeschafft. Übrigens eine verblüffend einfache und dabei vortreffliche Idee. Der Mann konnte auf diese Weise Wand an Wand lange Jahre hindurch ein Doppelleben führen. Zudem geht der Eingang des Eckhauses auch zur 5th Avenue, nicht wahr?«

Er lachte kurz auf, als der Farbige seine Frage bejahte.

»Ganz wie ich mir dachte. Wer hätte auch auf die Idee kommen sollen, dass der uns nur zu wohlbekannte Morris Carruthers im Undine verschwand und vielleicht eine halbe Stunde später als Reverend Hyde mit würdiger Haltung die 5th Avenue herunterspazierte – doch was haben wir da?«, unterbrach er sich, die Löschblattunterlage vom Schreibtisch hebend und ein in großer Eile mit Bleistift adressiertes Kuvert aufnehmend, das, wie er zu seinem Erstaunen bemerkte, an ihn selbst gerichtet war.

»Sieh da, Botschaft von Freund Carruthers!«, rief er halblaut, den Umschlag vorsichtig öffnend und einen gleichfalls mit flüchtigen Bleistiftzügen bedeckten Zettel herausziehend. Er las dann:

Mein lieber Carter! Prächtig gemacht! Meine volle Anerkennung, besonders, wenn Sie trotz meines kleinen Scherzes an der hinteren Wandschrankfüllung doch noch imstande sein sollten, diese Zeilen zu lesen. Offen gestanden, ich habe nicht viel Hoffnung, was die Wirkung anbelangt – leider! Doch ich war in solcher Eile, dass Sie mir ein Versagen der Bombe hoffentlich nichts als Stümperei auslegen werden, was mich sehr schmerzen würde. Übrigens haben Sie ein solch unverschämtes Glück, dass es mich nicht wundern sollte, kämen Sie mit heiler Haut davon und würde an Ihrer Stelle ein anderer getötet.
Doch schließlich will das nicht viel besagen, mein lieber Carter. Kommen Sie heute davon, so wird dies nicht immer der Fall sein. Ich bin durchaus entschlossen, Ihnen zu Ihrem Begräbnis zu verhelfen. Bin ich nicht ein Gemütsmensch? Ich werde aber nicht als Reverend Hyde amtieren, denn das dürfte für mich zu kitzlig sein.
Jedenfalls werde ich von diesem Augenblick an und bis zu dem Moment, wo einer von uns beiden sechs Fuß unter der Erde liegen wird, all meine Fähigkeiten aufbieten, um Ihnen auf die schnellste Weise zu den ewigen Himmelsfreuden zu verhelfen. Sie mögen dies als leere Drohung verlachen oder zur Warnung nehmen, das ist mir gleich. Interessiert es Sie, so mögen Sie wissen, dass ich mich durchaus nicht zu fürchten gedenke. Ich werde in New York bleiben, um immer in Ihrer lieben Nähe weilen und zupacken zu können, wann und wo Sie dies am wenigsten vermuten werden. Lebend fangen Sie mich nicht, so wenig wie meinen Bruder. Sollte ich ins Gras beißen müssen, so werden Sie mir Gesellschaft leisten, verlassen Sie sich darauf!
Das ist alles, was ich auf dem Herzen habe. Ich weiß wohl, dass ich nun ein dreifacher Mörder bin, doch ich werde höchstwahrscheinlich noch mehr auf dem Kerbholz haben, ehe wir beide unsere Rechnung ins Reine bringen und ich auch Sie, mein viel teurer Carter, der Liste meiner Opfer beizählen darf. Möge es Ihnen so gut gehen wie mir, denn ich habe alles, was nur mein Herz sich wünscht – Geld, eine Geliebte und treue Verbündete, die Ihnen noch zu schaffen machen werden – und Sie haben das Nachsehen. Hahaha!
Leben Sie wohl, mein lieber Carter, und hüten Sie sich vor Ihrem verdufteten

Morris Carruthers.

Der Detektiv nickte nachdenklich vor sich hin.

»Nein, das ist keine eitle Drohung«, meinte er leise, »ich weiß das wohl. Bevor ich diesen Carruthers auf dem elektrischen Stuhl sehe, werde ich meines Lebens nicht mehr sicher sein!«

Er wendete sich an den Polizeicaptain.

»Nehmen Sie die beiden Wohnungen in Ihre Obhut, Mr. Dooley«, versetzte er. »Am besten verbinden Sie sich mit Inspektor McClusky. Teilen Sie ihm das Vorgefallene mit und sagen Sie ihm in meinem Auftrag, dass ich mich an die Verfolgung dieses Carruthers gemacht habe. Good bye!«

Damit steckte er den Drohbrief des Verbrecherkönigs in seine Brieftasche. Mit kurzem Gruß verließ er die Wohnung des angeblichen Reverend Hyde und gleich darauf auch das Haus.

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