Adventskalender 23. Dezember 2014
Das Kindleinwiegen – der älteste Weihnachtsbrauch
Der Christbaum ist geschmückt und leuchtet in seiner Pracht. Unter ihm liegen schon die ersten Geschenke. Viele Familien haben die Gudd Stubb seit Tagen weihnachtlich dekoriert, darunter sicherlich auch eine Krippe unterschiedlichster Art. Doch keines dieser Bräuche reicht bis ins Mittelalter zurück. Der älteste unter den Weihnachtsbräuchen, das Kindleinwiegen hat im liturgischen Wechselgesang des Mittelalters seine Wurzeln. Wie verbreitet diese Spiele schon im zwölften Jahrhundert waren, bekundet der Chorherr Gerhoh von Reichersberg, der in seiner Schrift De investigatione Antichristi im Jahre 1162 klagt, dass die Kirchen mit mimischen Darstellungen erfüllt werden; er wendet sich namentlich gegen das Weihnachtsspiel mit der Krippe des Herrn, der mütterlichen Jungfrau und dem Stern von Bethlehem. Eine der wichtigsten Quellen ist der Briefwechsel der Dominikanerin Margaretha Ebner aus Maria Medingen bei Dillingen mit Heinrich von Nördlingen, dem sie 1344 unter anderem schreibt, daz mir wart gesendet von Wiene ain minneklichez bilde, daz was ain Jhesus in ainer wiegen.
Das weihnachtliche Wiegenlied, meist im wiegenden Dreiertakt gehalten, erfreute sich vor allem dort großer Beliebtheit, wo der Brauch des Kindleinwiegens gepflegt wurde. Seinen Ausgang nahm dieser heute fast in Vergessenheit geratene Brauch meist in Frauenklöstern. Das Wiegen einer das neugeborene Jesuskind symbolisierenden Puppe, eine Handlung, die fast bei jedermann mütterliche beziehungsweise väterliche Gefühle hervorzurufen imstande ist, bedeutete wohl für viele Nonnen auch eine Ersatzhandlung für die gelobte Kinderlosigkeit: In einer kleinen Wiege vor dem Altar oder auf einer Tragekrippe, die bei Gassenumzügen mitgeführt wurde, lag ein schön angeputztes Christkind, zumeist aus Wachs, das von den Mitgliedern der Gemeinde oder auch von umherziehenden Kindern unter Absingen entsprechender Lieder gewiegt werden dürfte.
Das wohl bekannteste Lied dieser Art ist das Wiegenlied Joseph, lieber Neve min, hilf mir wiegen mein Kindelin, das nicht nur zu zahlreichen Nachbildungen anregte, sondern sich auch seinen festen Platz in Krippenspielen innerhalb wie außerhalb der Kirche erobert hat, wirkt es ja durch den Wechselgesang zwischen Maria, Josef und einem Chor schon selbst wie ein kleines musikalisches Schauspiel. Das Lied geht bis ins Mittelalter zurück – schon um 14100 hat es der anonym gebliebene Mönch von Salzburg mit einer Art »Gebrauchsanweisung« aufgezeichnet: Zw den Weihnachten der fröleich ymnus ‘A solis ortu cardine’ vnd so man daz Kindel wiegt über das ‘Resonet in laudihus’ hebt vnnser vraw an zu sangen in ainer person ‘Yoseph lieher neve mein’ So antwort in der andern person ‘Yoseph geren liebe mueme mein’ Darnach singet der kor dy andern Vers in ainer dyenner weis.
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