Ausschreibung
Sternenlicht-Anthologie

Download-Tipp
Band 6

Heftroman der Woche

Archive
Folgt uns auch auf

Mythos Vampir – Teil 1

Es ist schwer zu sagen, ob Vampire in schriftlichen Aufzeichnungen entdeckt wurden, ihre Wurzeln in obskuren Legenden liegen oder mit dem geschriebenen und gesprochenen Wort als Literatur- und Filmfigur zu Ruhm und Popularität fanden.
Obwohl blutsaugende Kreaturen in den meisten Kulturen zu finden sind, kannte man bis Anfang des 18. Jahrhunderts den Begriff Vampir nicht. Erst nach einem Anwachsen des Aberglaubens in Westeuropa, insbesondere in Frankreich und in osteuropäischen Gebieten wie zum Beispiel auf dem Balkan kristallisierte sich der Vampir als Wesen der Nacht im stärker als Legende heraus.

Vampire im Altertum

Die Vampirlegende geht bis in die frühesten Zeiten menschlicher Zivilisation zurück. Bereits die Assyrer, die Babylonier und andere Völker des antiken Orients beschäftigten sich mit diesem Phänomen. Die ursprünglichen Vampire waren nicht wie die anspruchsvollen, aalglatten europäischen Aristokraten, wie wir sie heute kennen. Der Vampir der Urzeit war ein wahres, schreckliches Monster.
Einige Beispiele sollen im Folgenden genannt werden.

Der blutsaugende Akhkharu findet in der sumerischen Mythologie Erwähnung und etwas später Lilu in der babylonischen Dämonologie. Diesem weiblichen Dämon wird nachgesagt, dass er nachts umherwandert, Jagd auf Neugeborene und schwangere Frauen macht, um diese zu töten. Einer dieser Dämonen, Lilitu genannt, zog in die jüdische Dämonologie als Lilith ein.
Der frühere babylonische Gilgamesch-Epos aus dem Jahr 2000 v. Chr. beschrieb den Vampir. Die Ekimmu oder der Verstorbene Geist bezeichnet die Seele einer toten Person, die aus irgendeinem Grund keine Ruhe finden konnte und über die Erde wandelt, um die Lebenden heimzusuchen.
Wie in den meisten späteren Vampirgeschichten geschrieben steht, hatten die Ekimmu und ihre Opfer eine geheimnisvolle psychische Verbindung, welche die Opfer besonders anfällig für Angriffe machte. Die Ekimmu können durch geschlossene Türen oder Wände gehen und ein ganzes Haus in ihren Besitz nehmen.
Sie löschen darin jegliches Leben aus, indem sie in der Regel den Besitzer, viele seiner Verwandten und die Diener töten. Das Epos berichtet darüber, dass diejenigen, welche eines gewaltsamen Todes gestorben sind, als Vampire zurückkehren können. Verschiedene magischen Texte und Beschwörungen beschreiben möglichen Verbindungen zwischen den Ekimmu und ihren Opfern.
Dr. R. Campbell-Thompson zitiert in seinem Buch The Devil and Evil Spirits of Bablylonia ein Gebet gegen böse Geister, die diese Vampire und ihre Gewohnheiten beschreibt:

Geister, die das Land beherrschen, mit riesiger Stärke
Geister, die durch Häuser brechen … Dämonen, die keinen Schatten haben
Wissend ohne Gnade, können sie gegen die Menschheit wüten.
Sie verschütten ihr Blut wie Regen, verschlingen ihr Fleisch und saugen aus ihren Adern.
Sie sind Dämonen voll von Gewalt, unaufhörlich Blut verschlingend.

Als alte Heimat der Zigeuner hat Indien viele mythische Vampirgestalten zu bieten. Bhuta ist die Seele eines Menschen, welcher einen vorzeitigen Tod fand. Nachts irrt er zwischen den Leichen umher und attackiert als Ghul die Lebenden. Im Norden Indiens haust Brahmaparusha oder Brahma Rakshasa, eine vampirähnliche Kreatur mit einem von Därmen umhüllten Kopf und einem Schädel, aus dem es Blut trinkt.
Der berühmteste indische Vampir ist Kali mit Fangzähnen, einem Kranz von Leichen oder Schädeln und vier Armen. Sein Tempel befindet sich in unmittelbarer Nähe von Krematorien. Kali bekämpfte den Dämon Raktabija, der sich aus jedem Tropfen Blut, der vergossen wurde, reproduzieren konnte. Kali trank sein Blut, sodass keiner verschüttet werden konnte, wodurch die Schlacht gewonnen und Raktabija getötet wurde.

Geschichten über Vetala und Pisacha findet man in alten Sanskrit-Texten. Eine legendäre Story erzählt von König Wikramaditja und seinem nächtlichen Abenteuer mit einem bösartigen Einsiedler und einem Vetala. Eine solche klassische Textsammlung stellt die Baital Pachisi dar, die als Vorläufer von 1000 und eine Nacht angesehen werden kann.
Pisacha sind in der hinduistischen Mythologie schauriger Dämonen, welche die Nähe von Krematorien aufsuchen. Sie besitzen die Fähigkeit, sich unsichtbar zu machen und sind in der Lage, von Menschen Besitz zu ergreifen und diese in den Wahnsinn zu treiben.
Diese Dämonen sind gefräßige fleischfressende Ghuls, die in einem Zwischenstadium zwischen Himmel und Hölle anzutreffen sind. Pisacha sind nicht in der Lage, sich von ihren Sünden freizukaufen, die sie während ihres irdischen Lebens begangen haben.

Die antike ägyptische Göttin Sekhmet verschlingt diejenigen Menschen, die sich gegen den Sonnengott Re erhoben haben. Nach dem Mythos von der Vernichtung der Menschheit soll Re sich einer List bedient haben, da er befürchtete, dass Sekhmet alle Menschen töten würde. Der Sonnengott lässt Bier mit roter Farbe versetzen und das Gemisch auf den Boden gießen. In ihrer Gier hält Sekhmet dies für Blut und trinkt das Gebräu. Betrunken kehrt sie zu ihrem Vater Re zurück.
In Homers Odyssee werden die Schatten, welche Odysseus auf seiner Reise in die Unterwelt antrifft, vom Blut eines frisch geopferten Widders angelockt. Er wehrt sie mit seinem Schwert ab, damit sie nicht vom Blut trinken. Nur dem Schatten Tiresias vergönnt er dies und nutzt es zu seinem Vorteil, um von Tiresias erfahren zu können, wie er zurück in seine Heimat finden kann.

Quelle:

Copyright © 2012 by Wolfgang Brandt