Weltuntergang – Und was mache ich morgen?
2012, das Jahr, in dem die Welt untergehen soll, ist nun fast vorbei, doch bisher konnte ich noch keine Vorzeichen entdecken, die darauf hindeuten. Mal abgesehen von Problemen, die sich der Mensch über Jahre hinweg selbst geschaffen hat, doch dass beispielsweise auf eine Umweltkatastrophe termingenau hingearbeitet werden kann, halte ich für ebenso unrealistisch wie die angebliche Vorhersage der Mayas. Die bei näherer Betrachtung einem bevorstehenden Weltuntergang ja auch nicht standhalten kann.
Doch nehmen wir mal an, am 21.12. ist wirklich alles vorbei. Ob es in 65 Millionen Jahren Forscher gibt, die über das plötzliche Aussterben der Menschen rätseln werden?
Damals starben die Dinosaurier aus. Mit ihnen etwa 75 Prozent aller Pflanzen und Tiere. Doch einige haben überlebt … Und bis heute ist nicht geklärt, was die Ursache dafür war. Schade, denn Klimawandel gehört genauso zu einem Erklärungsversuch wie Meteoriteneinschlag oder gewaltige Vulkanausbrüche.
Aber wie kann ein Wesen solche Naturgewalten überleben?
Wer sich heute mit dem Thema in der Literatur befasst, findet immer wieder Hinweise auf Bunker, in die sich Menschen, die es sich leisten können, zurückzuziehen gedenken, wenn der Tag X kommt.
Was aber soll das bewirken?
Dazu stelle ich mir die Frage, wie der Weltuntergang vonstattengehen könnte. Die bezüglich der ausgestorbenen Dinos meist angenommene These ist die vom Meteoriteneinschlag. Da ich dazu mal eine glaubhafte Dokumentation gesehen habe, ist es auch das, was für mich plausibel klingt.
Nun gab es vor 65 Millionen Jahren noch keine Satelliten, die Wissenschaft war im Allgemeinen noch nicht sehr weit fortgeschritten, um nicht zu sagen, noch gar nicht existent. Oder doch? Das weiß niemand, und deshalb gehe ich also nur davon aus, dass das Weltall zu der Zeit noch nicht erforscht wurde. Ergo konnte also niemand voraussagen, dass da was auf die Erde zustürzte. Und als die Dinos es bemerkten, war es zu spät.
Heute können Wissenschaftler einen Meteoriten erkennen, noch bevor dieser überhaupt weiß, dass er sich auf dem Weg zur Erde befindet. Ich weiß nun nicht, inwieweit man etwas gegen solch einen Brocken unternehmen kann, der geradewegs Kurs auf Mutter Erde genommen hat, aber ich schätze, da fällt schlauen Köpfen mit Sicherheit etwas ein, um die größte Katastrophe zu verhindern. Für irgendetwas muss die ganze Weltraumtechnik, die entwickelt wurde, ja letztendlich gut sein. Und wenn nicht, dann kracht es und aus die Maus. Aber … es kracht mit Vorankündigung und es sollte doch ein Wahnsinnszufall sein, wenn ausgerechnet am 21.12.12 ein Meteorit einschlägt, nur weil ein paar Leute glauben, dass an diesem Tag die Erde untergeht.
Der zweite Grund, den Wissenschaftler für das Aussterben der Dinos benennen, wären klimatische Veränderungen wie globale Erwärmung oder Kälte. Daran kann eine Welt sicher zugrunde gehen, aber dafür einen konkreten Tag zu benennen, halte ich für eher unwahrscheinlich. Die Wetterkapriolen, die wir in den letzten Jahren erlebt haben, könnten natürlich irgendwann zum Ende führen, aber wer will sich da auf einen Tag festlegen? Und genauso sieht es mit den gewaltigen Vulkanausbrüchen aus. Auch diese kämen nicht so überraschend von jetzt auf gleich, dank der Seismografen wäre man auch hier vorgewarnt.
Aber wie soll die Erde denn dann termingerecht untergehen?
Eine Theorie hätte ich natürlich, und die halte ich auch im Fall eines Falles für die wahrscheinlichste. Nämlich, dass der Mensch ganz allein den Untergang in die Wege leitet. Waffen sind genug vorhanden und ein Grund lässt sich finden. Es wurde schon wegen ganz anderer Glaubensfragen als der nach dem Weltuntergang zu den Waffen gegriffen.
Gibt man bei google übrigens den Suchbegriff »Weltuntergang« ein, erhält man binnen Sekunden 3.020.000 Suchergebnisse. Zum Stichwort »Zukunft« sind es 131.000.000. Mich stimmt das optimistisch, denn es zeigt, dass es wohl doch mehr Optimisten gibt, die über den 21.12.12 hinausdenken und planen. Aber man findet eben auch ganz konkrete Theorien, die über einen bevorstehenden Weltuntergang berichten. Ich möchte hier nicht alles aufzählen, wie es in einigen Köpfen zu der Überzeugung kam, dazu gibt es, wie bereits erwähnt, über 3 Millionen und 20 Tausend Einträge im Internet. Was mich vielmehr interessiert, ist die Frage, was an einem Weltuntergang so faszinierend sein kann, dass sich manche Menschen jahrelang mit dem Thema befassen. Oder eben auch nicht, so wie ich.
Und genau diese Frage habe ich einigen Autoren aus der Phantastikszene gestellt, die sich in ihren Werken vielleicht auch schon mit dem Thema befasst haben.
Tatjana Stöckler: Die Welt wird nicht untergehen, aber die Menschheit ist auf dem besten Wege dazu. Dass unsere momentane Gesellschaft nicht überlebensfähig ist, dürfte klar sein. Wir sollten nur hoffen, dass unsere Spezies anpassungsfähig genug ist, eine große Katastrohe – wie auch immer sie aussehen mag – zu überstehen. Die Spezies, nicht das Individuum.
Oliver Plaschka: Die Welt ist in Buch und Film schon auf tausend verschiedene Weisen zu Ende gegangen. Meistens aber sind es Geschichten über Tapferkeit und Verzweiflung, Hoffnung und Schuld angesichts eines übergroßen Verlusts. Die Faszination des Weltendes ist auch die Faszination des eigenen Todes, externalisiert und auf die globale oder kosmische Bühne geholt. Das Ende aller Dinge richtet den Blick auf den Wert des Vorher … besonders in den Geschichten, in denen es auch ein Danach gibt.
Bernd Perplies: Die Einzigen, die sich meiner Meinung nach jahrelang ernsthaft mit dem Weltuntergang beschäftigen können, sind Irregeleitete irgendeiner Art, die sich nicht nur ein Ende der in ihren Augen verdammenswerten Menschheit wünschen, sondern die sich natürlich zugleich die mit der Apokalypse einhergehende »Himmelfahrt« der Gerechten erhoffen. Für einige andere mag der Nervenkitzel eine Rolle spielen, der Gedanke, dass nicht nur ihr, sondern praktisch alles Leben auf der Erde mit einem Schlag ausgelöscht werden könnte. In der Unterhaltungsbranche besitzt der Weltuntergang dagegen meiner Meinung nach vor allem zwei für Leser und Zuschauer reizvolle Aspekte: Die überlebensgroßen, kaum zu toppenden Bilder gewaltiger Zerstörung, wie man sie etwa in Roland Emmerichs »2012« zu sehen bekam, und das Gedankenexperiment einer Menschheit, die durch die Hölle gegangen ist und jetzt – in einer »einfacheren« Welt, die nicht so unüberschaubar kompliziert ist wie unsere Wirklichkeit – um einen Neuanfang kämpft.
Oliver Wehse: Die Frage nach dem Untergang ist nicht »ob?« … sondern einzig und allein »wann?«
Frank Bruns: Ich persönlich halte gar nichts von den Weltuntergangstheorien. Man sollte höchstens überlegen, ob man seinen Weihnachtsbaum etwas später kauft 😉
Aber sachlich: Der Maja-Kalender rechnete 360 Tage. Mit vielen Reformen – und auch Reformen in unserer Zeitrechnung. Diverse Kalenderumstellungen und wenn man die alte Keltische Zeitrechnung berücksichtigt (da muss man 23 Jahre abziehen) – sehe ich das so: Das angeführte Jahr 2012 ist längst vorbei.
Es ist nichts passiert und wird nichts passieren. Jedenfalls nicht in kosmischer Sicht.
Eher wird es politischen Aufruhr geben – der zeichnete sich ja bereits im s.g. Nahen Osten ab.
Es könnte sich regional was ändern – eben politisch.
Die Zeugen Jehovas haben sich ja auch schon x-mal verrechnet, und wenn man den sumerischen Aufzeichnungen glaubt, käme der s.g. Götterplanet auch erst in ca. 70-100 Jahren wieder.
Ich werde am Tage X gelassen ein Pfeifchen rauchen und abwarten.
Margret Schwekendiek: Wer hätte schon Interesse daran, ein Weltuntergangsszenario zu beschreiben? Gesetzt den Fall, eine Handvoll Menschen überlebt, so sind sie doch zum Aussterben verdammt. Was macht ein Mensch ohne den blauen Planeten? Selbst wenn es irgendwo erdähnliche Bedingungen gäbe, so wäre das Heimweh doch ein Faktor, den man nicht vernachlässigen sollte. Und was wäre dann noch ein Antrieb für Forschung, Wissenschaft oder den Versuch einer Rückkehr in unser Sonnensystem? Sorry, aber für mich ist das keine Option – und dabei spreche ich von meiner persönlichen Einstellung. Der Maya-Kalender schreckt mich dabei ebenso wenig wie die Ansicht gewisser Wissenschaftler, dass wir unseren Planeten selbst in die Luft jagen. Oberflächenzerstörung, gewiss – wenn ich allein an die Vernichtung der Regenwälder oder das Aussterben vieler Tierarten denke, könnte ich sauer werden, und das heißt, wir haben noch viel zu tun. Aber eine komplette Zerstörung? Nein! Das gilt für mich im realen Leben ebenso wie in der Schriftstellerei. Ich lehne es ab, die Erde zu zerstören und irgendwo etwas Ähnliches aufzubauen, basta! Also werde ich mich auch weiterhin nicht mit diesem Thema beschäftigen, was nicht heißt, dass ich schon beruflich ab und zu darüber nachdenke. Aber ich will es mir nicht einmal vorstellen. Unsere Erde ist schön, für jeden Geschmack gibt es irgendwo ein Plätzchen, das den persönlichen Ansprüchen voll und ganz entspricht. Die Artenvielfalt ist unglaublich, und wir haben – verdammt noch mal – die Pflicht, all dieses Schöne zu erhalten. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.
Mara Laue: »Stell dir vor, es ist Weltuntergang und keiner geht hin!«
Man könnte auch sage, dass Totgesagte länger leben. Die Welt sollte schon so oft laut irgendwelchen Prophezeiungen untergehen, dass sie längst nicht mehr existierte, wenn auch nur eine davon eingetroffen wäre. Was mich regelmäßig zu der lästernden Frage bringt, in welchem Zustand die jeweiligen Propheten ihre Visionen hatten. Meine Vermutung ist, dass sie unmittelbar vorher intensive Selbstversuche mit Met, Cervisia (= keltische Variante von Bier), Tollkirsche, Stechapfel, Fliegenpilz und ähnlichen Leckereien betrieben haben. Dabei spielen einem die Sinne schon mal einen Streich und geht es einem ab einem gewissen Quantum so schlecht, dass man glaubt, man stirbt und der Rest der Welt gleich mit; auch wenn man Letzterer noch ein paar Jahrhunderte oder länger dafür Zeit einräumt. Mit anderen Worten, ich persönlich gebe nichts auf diese Unkenrufe.
Warum beschäftigen sich trotzdem so viele Menschen mit den »ungelegten Eiern« eines möglichen Weltuntergangs? Alle mir bekannten Leute, die das tun und mit denen ich mich schon mal darüber unterhalten habe, zeichnen sich durch ein übereinstimmendes Charakteristikum aus: Sie haben Angst vor dem Tod und ganz besonders vor dem eigenen. Auf meine Frage, was denn – abgesehen von dem im Falle des Falles unerfreulichen, weil schmerzhaften, Vorgang des Sterbens als solcher – am Tod so schlimm sein sollte, dass man den (hypothetischen baldigen) Weltuntergang fürchten müsste, lautete die übereinstimmende Antwort: »Dann bist du tot, und danach kommt nichts mehr!«
Womit wir im Bereich des Glaubens = der Religion angekommen sind. Interessant ist, dass tiefgläubige Menschen, die sich zu einer Religion bekennen, gemäß deren Lehre nur der Körper stirbt, aber die Seele weiterlebt, den Tod nicht fürchten und damit auch keinen Weltuntergang. Wer ihn aber fürchtet, beschäftigt sich manchmal erst recht intensiv damit, um durch die dadurch erzeugte »Vertrautheit« die eigene Angst vor dem (angenommenen) absoluten Ende zu besiegen.
Von diesen Dingen aber abgesehen verbirgt sich hinter dem Weltuntergang DAS ultimative Horrorszenario. Horror, so ein Definitionskriterium, wird dadurch erzeugt, dass der Mensch jemandem oder etwas hilflos ausgeliefert ist, von etwas bedroht wird, gegen das er sich nicht wehren, das er nicht bekämpfen kann. Der Weltuntergang ist somit DIE Apokalypse schlechthin. Was ihn zu einem herrlichen Thema für so manchen Roman macht in all seiner Vielschichtigkeit. Das ist aber nach meinem Geschmack schon so oft verarbeitet worden, dass es inzwischen uninteressant geworden ist. Außerdem – siehe oben – wer den Tod nicht fürchtet, interessiert sich wohl auch eher selten für den literarischen Weltuntergang und sieht dem möglichen realen entsprechend gelassen entgegen.
Ob er nun kommt oder nicht: Ich warte ihn gelassen ab.
Oliver Hoffmann: Meine »Weltuntergangsvariante« war natürlich die Zweite Sintflut, mit der Oliver Graute, Kai Meyer und ich im Engel-Universum ein Zeitalter enden und ein neues anbrechen lassen. Mit der Flut einher geht der Veitstanz, eine in Wellen über Europa hereinbrechende Pandemie, die über mehrere Generationen jeweils die Erwachsenen tötet und die Kinder am Leben lässt. Dabei ging es uns um die Frage, was bleibt, wenn unsere Kultur in Trümmern liegt, wenn der Götze Technik fällt und gezwungenermaßen ein neomittelalterliches Weltbild von den Europäern eine komplette geistige wie praktische Neuorientierung verlangt.
Markus Heitz: Es ist vermutlich die Faszination, dass ein großes Etwas kommt und ALLEN, egal wo sie leben, wie mächtig oder unbedeutend, wie reich oder arm, das Licht ausknipst. Eine Kraft, der sich nichts entziehen kann, weder durch Geld noch durch Glaube. Sämtliche Pläne der Menschheit, vom Einkaufen gehen bis zum ultimativen Plan zur Herstellung des Weltfriedens, futsch. Das ist faszinierend und erschreckend. Aber da solche Szenarien in der Geschichte der Menschheit ständig vorhergesagt wurden, die nie eintraten, sehe ich es gelassen. Als Autor ist es eben ein spannendes Szenario, wenn man etwas Neues daraus ziehen kann. Ich meine, was wäre, wenn die Menschheit morgens aufwacht und die Welt hat sich verändert, und zwar in einen besseren, friedlicheren, schöneren Ort, an dem alle glücklich sind. Einfach so. Ist das auch ein Weltuntergang?
Max Pechmann: Zum Thema Faszination Weltuntergang fallen mir zwei Dinge ein: zum einen glaube ich, dass es weniger die Faszination der Zerstörung ist, sondern vielmehr die Frage nach dem »Danach«. In diesem Sinne geht diese Mischung aus Faszination, Angst und Interesse in eine ähnliche Richtung wie die Frage nach dem Tod und was bzw. ob etwas danach kommt. Ein anderer Aspekt betrifft, meiner Meinung, den Freiheitsgedanken. Untergang ist gleichzeitig Neuanfang für etwas anderes. D.h., die Beschäftigung mit dem Weltuntergang ist zugleich die Vorstellung, vielleicht auch der Wunsch davon, endlich alle sozialen Verpflichtungen los zu sein und endlich etwas Neues zu beginnen.
Zitate mit freundlicher Genehmigung des jeweiligen Autors
Copyright © 2012 by Anke Brandt