Der Mann mit der Stahlkralle
Zurück aus vietnamesischer Kriegsgefangenschaft werden Major Charles Rane (William Devane) und Johnny Voden (Tommy Lee Jones) wie Helden in San Antonio empfangen. Doch abseits der militärischen Ehren hat sich die Welt zuhause weiter gedreht. Ranes Sohn kann sich nicht mehr an ihn erinnern, seine Frau hat sich inzwischen, ungewiss ob ihr Mann noch lebt, einem anderen zugewandt. Lediglich die wesentlich jüngere Kellnerin Linda fühlt sich von dem stoischen Kriegsheimkehrer angezogen und macht ihm offene Avancen.
Als Ranes Familie Opfer eines häuslichen Überfalls wird, bei dem seine Frau und sein Sohn kaltblütig ermordet werden und er selbst seine rechte Hand einbüßt, muss er fortan eine Prothese tragen. Kaum wieder aus der Reha entlassen, macht sich der Major gemeinsam mit Linda auf den Weg nach Mexiko, um die Mörder seiner Familie zur Strecke zu bringen.
Mit Der Mann mit der Stahlkralle hat Koch Media wieder einmal einen kleinen Klassiker entstaubt, der zwar nur einem eingeweihten Fankreis bekannt sein dürfte, von diesen allerdings euphorisch gefeiert wird. Laut Coverangabe gehören zu den Bewunderern des Werkes auch Quentin Tarantino und sein Protegé Eli Roth (Hostel), der sogar einige Dialoge aus Der Mann mit der Stahlkralle in sein Cabin Fever übernommen hat (in den Extras bei dem von Roth kommentierten Trailer zu hören). Weiterhin ist es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der schwülstig-pathetische Titelsong San Anton von Denny Brooks in einem Tarantino-Film zu hören sein wird.
Produziert wurde Der Mann mit der Stahlkralle von Samuel Z. Arkoffs American International Pictures, die noch nie im Verdacht stand, große Kunst zu machen, sondern stets möglichst reißerische Ware fürs schnelle Geld (zu der Zeit für die boomenden Autokinos) produziert hat. Da war die einigermaßen harte Rachestory von Paul Schrader, der ein Jahr zuvor eine Golden Globe-Nominierung für Taxi Driver-Drehbuch erhalten hatte, ein gefundenes Fressen.
Bei Licht betrachtet ist Der Mann mit der Stahlkralle dann auch tatsächlich nicht mehr als eine Taxi Driver -Variante, die in den Händen des Grobfilmers John Flynn (Lock Up, Deadly Revenge) ein typischer Revenge-Reißer hätte werden können, wiese Paul Schrades Drehbuch nicht auf den zweiten Blick einige subtile und verstörende Nuancen auf, die es glücklicherweise in den fertigen Film geschafft haben.
So wird Rane – und in einer kurzen Szene auch Voden – von Anfang an als, zwar durch die erlittene Gefangenschaft und Folter äußerlich ungebrochen, doch auch abgestumpft und nur auf Funktion ausgerichtet, dargestellt. Dies erklärt auch, warum Rane ohne erkennbare Gefühlsregung Rache für eine Familie nimmt, die sich innerlich bereits von ihm abgewendet hatte. Immerhin hätte der Major die Chance, in Lindas Armen neu anzufangen. Stattdessen benutzt er die Kellnerin, die ihm in fast masochistischer Weise zugetan ist, auf seinem Rachefeldzug skrupellos für seine Zwecke.
Als Rane die Täter schließlich gefunden hat und seinen Armeefreund Voden um Unterstützung bittet, wird nochmals überdeutlich, dass diese Männer inzwischen in einer eigenen Welt leben. Voden wohnt teilnahmslos und mit stoischer Miene den banalen Unterhaltungen seiner Familie bei und erst die Aussicht, mit seinem ehemaligen Gefährten wieder in einen möglicherweise tödlichen Kampf zu ziehen, befördert ein Lächeln auf sein Gesicht.
Nach dem blei- und bluthaltigen Finale wird die Handlung dann auch bewusst ohne versöhnlichen Epilog sofort abgebrochen. Die Aufgabe der Männer ist erfüllt.
William Devane ist vielleicht kein schauspielerisches Schwergewicht, passt hier aber mit seiner unbewegten Darstellungsweise wie die Faust auf Auge. Devane ist bis heute – pendelnd zwischen Kino und TV – aktiv, zuletzt z. B. wiederkehrend in der Jesse Stone-Reihe oder in Christopher Nolans The Dark Knight Rises. Tommy Lee Jones stand 1977 erst am Anfang seiner Kinokarriere, die erst in den frühen 1990ern (mit dem Oscar für Auf der Flucht) richtig an Fahrt gewann und bis heute anhält. Linda Haynes hat sich – noch relativ jung – Anfang der 1980er komplett aus dem Filmgeschäft zurückgezogen. Für die Der Mann mit der Stahlkralle-DVD gelang es, ein aktuelles Interview mit der Schauspielerin zu führen. Weitere Extras sind Filmtrailer (einer davon kommentiert von Eli Roth), ein Audiokommentar von Paul Schrader und eine Bildergalerie. Die Szenen, die in der deutschen TV-Fassung nicht enthalten waren (Dialogszenen, die die Zerrüttung der Familie stärker deutlich machen) sind nun auf DVD in den Film integriert und wurden im Originalton belassen.
Regisseur John Flynn ist nie weiter aufgefallen. Er inszenierte später unter anderem noch das Sylvester Stallone-Vehikel Lock Up – Überleben ist Alles, das sein größter Erfolg gewesen sein dürfte.
Fazit:
Rache-Thriller mit ungewöhnlichen Zwischentönen. Ein kleiner Klassiker, von Koch Media gewohnt gut aufbereitet.
Copyright © 2012 by Elmar Huber
Der Mann mit der Stahlkralle
Rolling Thunder, USA, 1973
Koch Media, München
28. September 2012
1 DVD, Laufzeit ca. 96 Minuten
gesehen 09/12 für 12,99 Euro
FSK 16
Regie:
John Flynn, Paul Schrader
Drehbuch: Heywood Gould
Darsteller:
John Flynn, William Devane,
Tommy Lee Jones, Linda Haynes u.a.
Musik: Barry De Vorzon