Nick Carter – Band 17 – Das Gefängnis auf dem Meeresgrund – Kapitel 1
Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Das Gefängnis auf dem Meeresgrund
Ein Detektivroman
Der verschwundene Millionär
Nick Carter und Chick, sein getreuer Hauptgehilfe und Cousin, hatten erst zu früher Morgenstunde im Auditoriumhotel in Chicago ihre Zimmer aufgesucht.
Hinter ihnen lag eine der anstrengendsten und gefährlichsten Nächte, welche sie je in Ausübung ihres schweren Berufs zu verbringen sich gezwungen gesehen hatten. Ein berüchtigter New Yorker Verbrecher, Haken-Max genannt, hatte in der windigen Stadt eine Gastrolle gegeben, sich mit verschiedenen einheimischen Verbrechern verbündet und am helllichten Tag einen unerhört kühnen Bankraub in der Michigan Avenue verübt. Da die Polizeibehörde von Chicago nach wochenlanger Bemühung sich unfähig gesehen hatte, die Verbrecher ausfindig zu machen, waren die Nick Carters berufen worden. Was dem Scharfsinn der Lokalbehörde nicht gelungen war, hatten Nick und Chick Carter mit spielender Leichtigkeit während einer einzigen Nacht zustande gebracht – sehr zum Verdruss Patsys, des jüngsten Gehilfen, welcher mit Ida, der Schwester Chicks, gleichfalls mitgekommen war, aber so gut wie gar keine Gelegenheit zum Eingreifen finden konnte. Lächelnd hatte der berühmte Detektiv seinen Jüngsten beschwichtigt und ihm versprochen, dass er bei nächster Gelegenheit umso mehr Tätigkeit entfalten sollte.
Früher als Nick Carter selbst gedacht, sollte seine Verheißung sich erfüllen.
Der berühmte Detektiv hatte sich kurz vor der Mittagsstunde wieder erhoben und war gerade dabei, das ihm im Zimmer servierte Frühstück zu beenden.
Nick Carter war nicht unter seinem eigenen Namen in dem weltberühmten Hotel abgestiegen, sondern in der Verkleidung eines ältlichen, würdig dreinschauenden Geschäftsmannes, der sich Mr. Oldman aus Boston nannte.
Umso überraschter war der Detektiv, als ihm von einem Kellner ein Schreiben überbracht wurde, welches wohl die Adresse des Bostoner Geschäftsmannes trug, aber von dem Chicagoer Polizeichef stammte und wie folgt lautete:
Lieber Freund Nick!
Hoffentlich erreicht Sie dieses Schreiben noch rechtzeitig, will sagen, vor Ihrer Rückreise nach New York. Der Überbringer ist Mr. Cadman, Juniorchef der wohl auch Ihnen bekannten Firma Fillmore & Cadman, welcher mir das auffällige und unerklärliche Verschwinden seines älteren Geschäftsteilhabers meldete. Dieser, Mr. Fillmore, ist nicht nur seines Reichtums wegen hoch angesehen; er genießt und verdient die allgemeinste Wertschätzung. Nach allem, was Mr. Cadman mir erzählte, handelt es sich wieder um einen jener komplizierten Fälle, an denen sich unsereiner nur die Finger verbrennt und deren Lösung Ihrem Scharfsinn vorbehalten bleibt. Bitte, übernehmen Sie den Fall! Ich verständigte Mr. Cadman davon, dass Sie unter dem Namen Oldman im Auditorium-Hotel abgestiegen sind.
»Der Überbringer wartet unten?«, wendete Nick Carter sich an den Kellner. »Gut, ich lasse den Herrn bitten, sich zu mir heraufzubegeben.«
Der Detektiv trat, sobald der Kellner sich entfernt hatte, an das im Zimmer befindliche Telefon und ließ sich ungesäumt mit einem im Auditorium-Annex abgestiegenen Gentleman, der natürlich kein anderer als Chick war, verbinden. Diesem trug er hastig auf, Ida und Patsy darüber zu verständigen, dass die mit dem nächsten fahrplanmäßigen Schnellzug geplante Rückreise nach New York vorläufig unterbleiben und das Kleeblatt sich vielmehr in einer Stunde bei ihm einfinden müsste.
Die nächste Minute klopfte es an der Tür und auf das Herein des Detektivs trat ein eleganter Dreißiger, dessen ernsten und doch gewinnenden Mienen sowohl den lauteren Charakter als auch den gewiegten Geschäftsmann verkündeten, ins Zimmer und verneigte sich. Mit einigem Erstaunen blickte er dann auf den ältlichen, pedantisch dreinblickenden Herrn; er mochte sich den berühmten Detektiv wohl anders vorgestellt haben.
Dieser rückte nervös die goldene Brille zurecht, strich sich die zwar falschen, dennoch aber dürftigen Bartkoteletten und heftete den klugen Blick auf seinen Besucher.
»Mr. Cadman von der Firma Fillmore &Cadman?«, begann er fragend. »Der Polizeichef dieser Stadt verständigte mich davon, dass Ihr Seniorpartner verschwunden ist und Sie deshalb meine Dienste in Anspruch zu nehmen wünschen. Eigentlich wollte ich mit dem Mittagsexpress nach New York zurückfahren, da mich dort gleichfalls dringliche Geschäfte erwarten. Immerhin bin ich gern bereit, Sie anzuhören. Also fassen Sie sich bitte kurz, damit ich Ihnen meine Entscheidung sofort bekanntgeben kann. Wann ist Ihr Geschäftspartner verschwunden?«, erkundigte sich Nick Carter weiter, als sie einander gegenüber Platz genommen hatten.
»Heute Vormittag mit dem Glockenschlag neun Uhr, eine halbe Stunde nach Öffnung der Kontorräume.«
»Also vor drei Stunden?«, erklärte Nick Carter, überrascht den anderen anschauend. »Wie können Sie da füglich von einem Verschwinden sprechen? So viel Zeit nimmt ein einziger Geschäftsgang in Anspruch!«
»Wenn Sie mich angehört haben werden, dürften Sie Ihre Meinung ändern, Mr. Carter«, entgegnete Cadman in sehr ernstem und bestimmten Ton. »Zunächst möchte ich hervorheben, dass Mr. Fillmore ein beginnender Fünfziger und dabei ein Mann von exemplarischen Lebensgewohnheiten ist. Er ist die Seele unseres weit verzweigten Hauses und war auch bis knapp vor einem Jahr dessen alleiniger Inhaber. Bis dahin hatte ich Prokura und bin seither Juniorpartner der Firma geworden. Nach meiner Kenntnis von der genau geregelten Lebensführung Mr. Fillmores, der Junggeselle ist, muss mit diesem seit heute früh neun Uhr mindestens Ungewöhnliches vorgegangen sein. Deswegen wendete ich mich, als ich alle mir zu Gebote stehenden Hilfsmittel erschöpft habe, um den Aufenthalt meines Geschäftspartners ausfindig zu machen, sofort an den Polizeichef und wurde von ihm an Sie verwiesen. Ich meine, es kann für einen Detektiv nur angenehm sein, da die von ihm aufzunehmende Spur noch so frisch wie möglich ist.«
»Sehr gut bemerkt«, warf Nick Carter mit verhaltenem Lächeln ein. »Nun zur Sache, wenn es beliebt!«
»Heute Vormittag um neun Uhr klingelte die Southwestern Surety Co. an. Ich war mit Mr. Fillmore gerade mit der Durchsicht der eingegangenen Post beschäftigt und wir waren deshalb sehr überrascht, als die Company meinen Seniorpartner ersuchte, sich in Angelegenheiten der Texas Ölminen sofort nach ihrem Büro zu bemühen.
Nun muss ich zu Ihrer Orientierung bemerken, dass es sich hierbei um die Einführung von Millionenwerten an der hiesigen Börse handelt – also kein alltägliches Geschäft, sondern einer jener Glücksfälle, welche auch von den allergrößten Börsenfirmen als solche betrachtet werden. Trotz lebhafter Konkurrenz war es Mr. Fillmore so ziemlich gelungen, alle Mitbewerber um eine Nasenlänge zu schlagen. Wohl stand der schließliche Entscheid noch aus, dieser sollte indessen innerhalb weniger Tage getroffen werden. Die Botschaft über den Fernsprecher erstaunte Mr. Fillmore nicht wenig. Doch als wir von dem noch am Telefon befindlichen Beamten der Southwestern Surety Co. die ausdrückliche Versicherung erhielten, dass es sich um endgültigen Abschluss in der Texasölminenangelegenheit handelte, war Mr. Fillmore schnell entschlossen, die Erledigung aller anderen Angelegenheiten, so wichtig diese zum Teil auch waren, bis nach dem bedeutsamen Abschluss zu verschieben. Er verließ unsere Büros mit dem Glockenschlag neun Uhr und er war kaum fortgegangen, als die Southwestern Surety Co. nochmals anklingelte und um Beschleunigung seines Kommens ersuchte.«
»Bis jetzt scheint ja alles in Ordnung zu sein«, warf Nick Carter erwartungsvoll ein.
»So schien es mir auch«, fuhr sein Besucher unter einem Seufzer fort. »Da ich heute die Geschäfte meines abwesenden Partners mit versehen musste, so verging mir die Zeit sehr schnell und ich würde vielleicht auch jetzt noch nicht mich um das Schicksal Mr. Fillmores beunruhigt haben, hätte nicht eine seinem ausschließlichen Ressort unterstehende Entscheidung getroffen werden müssen. Ich ließ mich darauf hin mit der Southwestern Surety Co. verbinden und meinen Teilhaber ans Telefon bitten. Denken Sie sich mein großes Erstaunen, als mir die Mitteilung wurde, Mr. Fillmore sei weder im Büro der Southwestern Surety Co anwesend noch habe er überhaupt heute dort vorgesprochen. Ja, der herbeigerufene Präsident verständigte mich persönlich davon, dass die Entscheidung in Texas Ölminen nicht vor Ablauf vor drei Tagen fallen könnte und seine Gesellschaft bis dahin gar keine Veranlassung habe, irgendwelche Rücksprache mit Mr. Fillmore zu nehmen – jedenfalls habe ihn niemand im Büro gesehen, geschweige gesprochen und noch weniger sei es jemanden eingefallen, seine Hinkunft über den Fernsprecher zu verlangen.«
»Das ist allerdings merkwürdig!«, gestand Nick Carter, leise dazu mit dem Kopf schüttelnd. »Wie reimten Sie sich den Vorfall nun zusammen?«
»Ich war wie vor den Kopf geschlagen«, gestand Cadman seufzend. »Wie ich schon betonte, ist die Lebensführung meines Teilhabers mit der Pünktlichkeit eines Uhrwerks geregelt. Es war um elf Uhr vormittags und ich beorderte eine Anzahl unserer Beamten an sämtliche uns zur Verfügung stehenden Fernsprecher, um alle mit uns in Verbindung befindliche Geschäftshäuser anzuklingeln und bei ihnen nachzufragen, ob etwa Mr. Fillmore bei ihnen gewesen sei. Doch niemand von all unseren Geschäftsfreunden hatte ihn gesehen oder gesprochen, auch auf der Börse war er nicht eingetroffen. Darüber lebhaft beunruhigt, ließ ich Erkundigungen bei sämtlichen Krankenhäusern, den Polizeirevieren, ja sogar im Leichenschauhaus einziehen – ebenso wendete ich mich an die Clubs, deren Mitglied Fillmore ist.
Kurzum, wäre ihm ein Unglücksfall oder sonst etwas Ungewöhnliches unterwegs zugestoßen, so hätte ich nach menschlicher Berechnung Aufschluss über seinen Verbleib erhalten müssen. Doch ich hörte nichts, absolut nichts, Mr. Fillmore war und ist wie vom Erdboden verschwunden – er ist unter falscher Vorspiegelung von unserem Büro fortgelockt worden und schon dieser Umstand befestigt in mir die Befürchtung, dass es sich um eine sehr ernste Angelegenheit, wohl gar um ein Verbrechen handeln muss!«
»Hm! Merkwürdig, sehr merkwürdig«, meinte Nick Carter nachdenklich, um dann rasch hinzuzufügen: »Sie sprachen vorhin von einer lebhaften Konkurrenz bei diesen Texas Ölminen?«
»Allerdings, wie ich schon erwähnte, handelt es sich um eine große Sache und um die Übernahme der Aktien. Es haben sich darum eine Anzahl unserer leistungsfähigsten hiesigen Bankhäuser beworben.«
»Bitte, nennen Sie mir die Namen der Firmen?«
»Well, da haben wir Lawrence & Haworth, D. A. Porter, und F. G. Shelling – vor allen Dingen aber wären wohl Dunbar & Sons zu nennen. Aller Wahrscheinlichkeit nach werden wir oder diese Firma den Zuschlag bekommen.«
»Natürlich fragten Sie auch bei all diesen Firmen nach dem Verbleib von Mr. Fillmore an?«, erkundigte sich Nick Carter weiter.
»Selbstverständlich. Die Auskunft war überall die gleiche, niemand wollte meinen Teilhaber heute gesehen haben. Mr. Dunbar sen. von der Firma Dunbar & Sons sprach sogar persönlich in unserem Büro vor, um sich über den Grund meiner Besorgnisse zu erkundigen.«
»Das ist ja sehr liebenswürdig von einem geschäftlichen Nebenbuhler!«, bemerkte Nick trocken dazwischen.
»In diesem Fall wohl weniger, denn alle geschäftliche Konkurrenz hat die persönliche Freundschaft zwischen meinem Partner und Mr. Dunbar nicht zu vermindern vermocht. Soviel ich weiß, waren beide schon Schulkameraden und ebenso gehören sie noch heute denselben Clubs an. Ihre Beziehungen sind die denkbar herzlichsten.«
»Natürlich, das verstehe ich«, meinte der Detektiv. »In diesem gesegneten Land gibt es außer den Nick Carters noch andere Detektive, und darunter ganz ausgezeichnete. Doch wir legen uns gegenseitig niemals Schwierigkeiten in den Weg.«
»Nein, davon kann bei Mr. Dunbar und meinem Partner keine Rede sein«, versicherte Cadman überzeugt. »Der alte Herr war womöglich noch besorgter als ich und er war es auch, der mich auf den Gedanken brachte, ungesäumt die Polizei zu benachrichtigen.«
»Well, Mr. Cadman, in einem solchen Fall muss mit offenen Karten gespielt werden«, versetzte der Detektiv nun, seinen Besucher dabei scharf anblickend. »Im Geschäftsleben kommen derartige Entführungsgeschichten mitunter vor, ja, sie werden geradezu durch das Geschäft zur dringlichen Notwendigkeit gestempelt.«
»Wo denken Sie hin«, ereiferte sich Cadman ungehalten. »Schon der gute Ruf unseres Bankhauses sollte Ihnen eine derartige Annahme verbieten. Nein, Mr. Carter, nein, daran ist nicht zu denken, denn wir sind so sicher fundiert und unser Bankhaus hat gerade im letzten Jahr einen solch gewaltigen Aufschwung genommen …«
»Sehr richtig, aber Sie werden zugeben, dass Mr. Fillmores Verschwinden durch bestimmte Gründe veranlasst worden ist – und da nach Ihren Angaben es durchaus unwahrscheinlich ist, dass Ihr Partner freiwillig von der Bildfläche verschwand, so liegt der Schluss zwingend nahe, dass man ihn verschwinden ließ – vielleicht um Zeit zu gewinnen, ihn von seinem Büro so lange fernzuhalten, bis ein gewisser wichtiger Abschluss erzielt worden ist …«
»Kann ich mir nicht denken, Mr. Carter«, erklärte Cadman kopfschüttelnd. »Mr. Dunbar ist ein Ehrenmann vom Scheitel bis zur Sohle und hängt wie ein Bruder an meinem Partner.«
»Hat er vielleicht in seinem Privatleben Ungelegenheiten gehabt? Denken Sie scharf darüber nach, Mr. Cadman … jeder Mensch hat Feinde, häufig, ohne es selbst zu wissen.«
»Nein, nein, Mr. Fillmores Leben liegt so klar und einwandfrei offen, er ist dabei ein Mann von solch seltener Herzensgüte – nein, er kann keinen Feind haben, weder öffentlich noch geheim – oder es müsste gerade …«
Cadman unterbrach sich plötzlich und schaute betroffen drein.
»Sehen Sie, da ist der zwingende Punkt schon!«, fiel Nick Carter, schärfer als es sonst seine Art war, ein. »Entweder sind Sie unumwunden offen mir gegenüber oder ich will mit der Sache nichts zu schaffen haben!«
»Aber ich bitte Sie, Mr. Carter, ich denke nicht daran, Ihnen etwas zu verschweigen«, versicherte der Besucher hastig. »Es handelte sich nur um einen Hinweis von Mr. Dunbar – und ich bin überzeugt, dass nichts daran ist.«
»Schadet nichts! Wohin zielte Mr. Dunbar mit seinem Hinweis?«
»Er ließ durchblicken, dass eine ebensolch reizende, wie resolute Witwe im letzten Jahr in dem Leben meines Partners eine gewisse Rolle gespielt habe – aber das ist der reine Unsinn und wir verschwenden nur die Zeit mit derartigen leeren Vermutungen!«
»Mag sein. Doch Sie kennen vermutlich den Namen dieser Dame?«
»Gewiss. Sie heißt Mrs. Violet Harding und war früher eine Geschäftskundin von uns.«
»Dann ist sie natürlich bemittelt?«
»Gewiss, sie befindet sich in guten Verhältnissen.«
»Und Mr. Fillmore ist mit der Lady bekannt?«
»Stimmt gleichfalls, doch nur in geschäftlicher Beziehung, darauf möchte ich mein Wort verpfänden.«
»Sie nannten Mrs. Harding eins frühere Geschäftskundin?«, forschte Nick weiter.
»Ja, denn sie zog vor einigen Monaten plötzlich ihr Konto aus unserer Bank zurück – doch ich weiß wirklich nicht aus welchem Grund.«
»Mit welcher Bank wickelt Mrs. Harding ihre Geschäfte jetzt ab?«
»Da fragen Sie mehr, als ich beantworten kann, Mr. Carter. Wir kennen die Lady nicht mehr und nicht weniger wie die hundert anderen Kunden, welche ein Privatkonto bei uns eröffnet haben!«, erklärte der junge Bankier.
Nick Carter ließ sich die Adresse der Lady aufschreiben und verwahrte sie in seiner Tasche. Dann wendete er sich fragend an seinen Besucher.
»Weiß außer dem Polizeichef jemand davon, dass Sie sich an mich gewendet haben?«
»Nur Mr. Dunbar.«
»Aber warum weihten sie diesen Herrn in Ihre Schritte ein?«
»Nicht freiwillig. Doch er ging in seiner Besorgnis mit mir zu dem Polizeichef und hörte dessen Vorschlag, Ihre Beihilfe in Anspruch zu nehmen. Mr. Dunbar gab mir sogar bis zum Hotel das Geleit.«
An der Tür klopfte es. Ein Hotelpage trat ein und meldete Mr. Oldman, dass eine Dame sowie zwei Herren ihn zu sprechen wünschten. Der Detektiv begriff sofort, dass es sich um Ida, Chick und Patsy handelte. Er befahl dem Pagen, die Besucher nebenan in den Parlor zu geleiten und ein zweites Frühstück zu servieren. Dann, als der Knabe sich entfernt hatte, wendete er sich an Mr. Cadman zurück.
»Well, Ihr Fall interessiert mich und ich will ihn übernehmen. Mein Preis beträgt 50 000 Dollar, falls es mir gelingt, Mr. Fillmore sicher und wohlbehalten aufzufinden. Natürlich nur in dem Fall, dass er entführt worden ist und gegen seinen Willen irgendwo festgehalten wird. Sollte er freiwillig verschwunden sein oder bin ich mit meinem Versuch gescheitert, so haben Sie keinen Cent zu bezahlen.«
Das ruhige, geschäftsmäßige Gebaren des berühmten Detektivs machte augenscheinlich einen vorzüglichen Eindruck auf den jungen Finanzmann.
»Einverstanden«, erklärte er, sich verbeugend. »Ich behalte mir nur vor, dass meinem Partner das Recht zusteht, Ihr Honorar nach Gutdünken zu erhöhen.«
»Selbstredend geben Sie niemanden mehr irgendwelche Auskunft, berichten mir aber unverzüglich, sollten Sie irgendetwas von Belang in Erfahrung bringen.«
Mit diesen Worten verabschiedete der Detektiv seinen Besucher.
Als er bald darauf in den anstoßenden Parlor trat, traf er in diesem seine drei Gehilfen vor.
»Kinder, aus unserer Rückreise wird vorläufig nichts«, versetzte er lachend, ihnen der Reihe nach die Hände schüttelnd. »Ich habe eben einen frischen Fall übernommen.«
»Um was handelt es sich?«, fragten die drei wie aus einem Mund.
»Ein hiesiger Millionär ist unter anscheinend geheimnisvollen Umständen verschwunden, doch in Wirklichkeit ist der Fall nichts weniger als geheimnisvoll. Er ist einfach von einem Konkurrenten entführt worden und soll solange von der Bildfläche verschwunden bleiben, bis ein wichtiger Geschäftsabschluss erzielt worden ist. Alles, was wir zu tun haben, ist, ihn schleunigst zu suchen und zu finden.«
»Natürlich, das ist alles«, warf Patsy in seiner übermütigen Art ein. »Wir wollen mal rasch um die nächste Ecke laufen und nachsehen, ob er dort nicht vielleicht steht!«
»Lauf nur mal!«, versetzte der berühmte Detektiv lachend, dem Jüngling herzhaft auf die Schulter klopfend. »Nimm dir aber genügend Geld mit, es könnte sein, dass du mehrere Tage ausbleiben würdest, denn derartig leicht ausschauende Fälle pflegen in der Regel die härtesten Nüsse darzubieten – und trügt mich nicht alles, so werden wir unserm guten Patsy diesmal ausgiebig Gelegenheit verschaffen, seine Geschicklichkeit leuchten zu lassen – doch wie ich sehe, ist euer Luncheon aufgetragen und Ihr werdet gut daran tun, rasch einen Bissen zu essen!«