Deutsche Märchen und Sagen 196
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
271. Karl der Große entdeckt die heißen Quellen von Aachen
Es begab sich aber eines Tages, da der König in der Gegend war, wo jetzt Aachen steht, da jagte er, denn es war nichts als Wald. Der König sah einen Hirsch; seine Begleiter hatten sich von ihm entfernt, und der König jagte allein mit seinen Hunden, die sprangen. Der König saß auf einem Ross, das war schwarz und voller Mut. Das Pferd trat mit einem Huf in einen Bach, der aus unserer Quelle entsprang; das Wasser war heiß, da hob es den Huf, eilte aus dem Wasser zurück und stieß ihn in den Staub, denn das Wasser war sehr heiß. Als der König das merkte, stieg er ab, und als er sein Pferd hinken sah, fühlte er mit der Hand den Huf. Da er aber den Huf sehr heiß fand, tauchte er sogleich seine Hand in das Wasser und fand ihn heiß; so merkte er, dass das Pferd das rechte Bein erhoben hatte. Da stieg der König in den Sattel und ging dem Bachlauf aufwärts, zwei Hufen Land, und fand die Quelle, aus welcher der Bach entsprang; aber die Quelle war voll Feuer. Und da er das Wasser mit der rechten Hand gefühlt hatte, sah er zur Linken und fand eine andere Quelle, die war klar und kalt und heilsam; und er fühlte sie mit seiner bloßen Hand und wunderte sich sehr.
Der König blickte sich ein wenig um und sah in der Nähe einen großen Palast, der war verdorben, alt und baufällig und voll Gestrüpp und dichtem Geäst. Reich und schön war er gewesen, aber die Zeit hatte ihn zerstört. Granus, der Bruder Neros, der den heiligen Petrus, Paulus und dessen Bruder Agrippa erschlagen hatte, hatte ihn erbaut und war König in dem Land gewesen. Von alters her stand der Palast dort und hatte große Räume. Karl bat Gott den Herrn, ihm zu zeigen, was er an diesem Ort tun solle.