Der Märkische Eulenspiegel 21
Der Märkische Eulenspiegel
Seltsame und kurzweilige Geschichten von Hans Clauert in Trebbin
Niedergeschrieben von Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Leipzig, 1847
Überarbeitete Ausgabe
Hans Clauert, Schlosser aus Trebbin
Wie Clauerts Knecht die fallende Sucht ankam
In allen Dörfern, die um Trebbin herum liegen, war Clauert sehr gut bekannt; daher verschlief er auch ihre Gastereien und Kirchweihfeste nicht, wofern er nur frisch und gesund war. So war er denn auch einmal zum Schulzen nach Tremedorf zum Kirchweihfest gefahren und hatte dahin auch seine Margaretha mit sich genommen. Diese trieb ihn des anderen Tages fortwährend an, er solle mit ihr nach Hause fahren. Sie ließ auch die Pferde anspannen und setzte sich auf den Wagen, wo sie dann auf ihren Mann wartete. Clauert aber war nicht gewohnt, das Kirchweihfest so schnell wieder zu verlassen und so bald nach Hause zu fahren, sondern pflegte oft volle acht Tage dabei zu verharren. Deshalb sann er auf Mittel und Wege, wie er einen Grund bekommen könnte, dort zu bleiben.
Seine Frau schickte den Knecht zu ihm hinein, der seinen Herrn herausholen sollte. Der Knecht aber war schon ziemlich betrunken.
Als nun der Schulze noch eine ziemliche Kanne Wein hineinbrachte, in welche wenigstens drei Nösel gingen, sagte Clauert zum Schulzen: »Was gilt’s, mein Knecht soll diese drei Nösel Wein auf einen Zug austrinken?«
Da setzte sowohl Clauert als auch der Schulze jeder einen Taler dagegen.
Der Knecht wollte seinen Herrn nicht verspielen lassen und soff den Wein in einem Zug aus.
Darauf sagte Clauert: »Lieber Schulze, bringt die Kanne noch einmal voll Wein, ich will wetten, mein Knecht säuft dieselbe noch einmal aus!« Er legte dabei jene zwei Taler auf den Tisch.
Der Knecht gedachte seinen Herrn reich zu machen, nahm die Kanne voll Wein und soff dieselbe zum zweiten Mal in einem Zug aus. Da vermochte er aber die Kanne kaum auf den Tisch zu setzen. Er fiel vor Trunkenheit hinterrücks in die Stube, als ob man ihn niedergeschlagen hätte, blieb liegen und regte sich nicht.
Clauert ging zu seiner Frau hinaus, stellte sich, als ob er erschrocken wäre, und sagte: »Ach liebe Margaretha, steige von dem Wagen herab und komme eilends herein, denn uns ist ein großes Unglück begegnet.«
Die Frau erschrak und folgte ihm nach bis in des Schulzen Haus, wo sie ihren Knecht vor dem Tisch liegend fand.
Clauert sagte zu ihr: »Siehe, liebe Margaretha, es ist nur gut, dass wir noch so lange hier geblieben sind, was hätten wir sonst auf dem Weg mit unserem Knecht anfangen wollen, wenn er da die fallende Sucht bekommen hätte? Er würde uns sicherlich alle beide um das Leben gebracht haben, ja, wo nicht auf eine andere Weise, so wären wir doch ertrunken.«
»Ei«, sagte die Alte, »habe ich doch solches nie an unserem Knecht gesehen oder bemerkt, und er ist doch so lange Zeit bei uns gewesen.«
Clauert aber sagte: »Es ist doch gut, dass wir hier verharrt haben; ich will um dieses Unglücks willen auch in drei Tagen noch nicht von hier hinweggehen.«