Die wunderbare und merkwürdige Geschichte vom Zauberer Virgilius … Teil 11
Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Die wunderbare und merkwürdige Geschichte vom Zauberer Virgilius,
seinem Leben, seinen Taten und seinem Ende
Volksbücher Nr.46, Verlag Otto Wigand, Leipzig
Wie Virgilius eine Bildsäule für seine Gattin machte
Hoch in der Luft machte Virgilius eine Bildsäule, die nicht herabfiel, und die Leute zu Rom konnten nirgends weder Fenster noch Tür öffnen, sie mussten sie sehen. Diese Bildsäule aber hatte die Eigenschaft, dass jeder Frau, so sie gesehen, alle bösen Gedanken vergingen. Das verdross aber die Frauen zu Rom sehr. Sie klagten es der Gattin des Virgilius und baten sie, die Bildsäule zu zerstören. Des Virgilius’ Gemahlin wartete nun ihre Zeit ab, ging auf die Luftbrücke und warf die Bildsäule hinunter. Von nun an hatten die Frauen nach Herzenslust wieder böse Gedanken. Als nun Virgilius kam und das Bild hinabgeworfen sah, zürnte er sehr und sagte, es solle ihnen nichts helfen, und schwor, er werde es schon erfahren, wer das getan hatte. Dann stellte er die Bildsäule wieder hoch in der Luft auf und fragte seine Eheliebste, ob sie dieselbe hinuntergeworfen habe.
Sie antwortete: »Nein.«
Bald darauf kamen die Frauen von Neuem zu des Virgilius’ Gattin und sprachen, es sei nun noch schlimmer als zuvor und sie bäten sie, das Bild abermals hinunterzuwerfen.
Virgilius versteckte sich nun heimlich in einem Winkel und wartete dort auf seine Gattin, denn er hatte gesehen und gehört, wie die Frauen sich bei ihr beklagten. Bald darauf kam auch des Virgilius’ Eheliebste und warf das Bildwerk hinunter. Darüber wurde Virgilius sehr zornig, wollte sie packen und dem Bild nachwerfen, aber er besann sich eines anderen und sprach: »Möge dich der Teufel befriedigen, denn ich hatte die beste Absicht; aber ich werde mich nicht mehr einmischen und den Frauen ihren Willen lassen.«
Seit dieser Zeit aber begann Virgilius seine Gattin zu hassen.