Der Cop, der Lollis liebte
Aristoteles Telly Savalas wurde am 21. Januar 1922 in Garden City, New York, als Sohn von Nikolaos und Christina Savalas geboren. Nach seinem Militärdienst, für den er mit dem Purple Heart ausgezeichnet wurde, arbeitete er für ABC Radio. Während dieser Zeit begann sich sein Haar zu lichten, bis schließlich nur noch ein schütterer Haarkranz übrig blieb. Diesen rasierte er sich kurzerhand ab und machte seine Glatze zu seinem Markenzeichen. Damit entsprach er zwar nicht dem damaligen Schönheitsideal, was ihn aber nicht daran hinderte, ab 1959 in Hollywood als Fernseh- und Filmschauspieler zu arbeiten.
Anfangs noch belächelt, strafte er seine Kritiker bald Lügen. Die Vita seiner Filme, in denen der anfangs noch unbekannte Sohn griechischer Einwanderer bis weit in die 1970er Jahre mitwirkte, war mehr als beeindruckend.
1962 spielte er an der Seite von Burt Lancaster in dem Film Der Gefangene von Alcatraz so überzeugend, dass er für den Oscar als bester Nebendarsteller nominiert wurde. 1965 spielte er in dem Monumentalfilm Die größte Geschichte aller Zeiten die Rolle des Pontius Pilatus und 1967 in dem überaus erfolgreichen Kriegsfilm Das dreckige Dutzend den psychotischen Soldaten Maggott. 1969 spielte er den größenwahnsinnigen Bösewicht Blofeld im James-Bond-Film Im Geheimdienst ihrer Majestät. Weitere Filme wie Unternehmen Capricon, Auf dem Highway ist wieder die Hölle los sowie die Edelwestern Mackenna’s Gold und Mit eisernen Fäusten.
Auch das Fernsehen wurde auf ihn aufmerksam und so spielte er schließlich in unzähligen Serien mit, die auch in Deutschland sehr bekannt waren. Seine Rollen reichten von Bonanza, Die Leute von der Shiloh Ranch, Auf der Flucht, Gauner gegen Gauner, Twilight Zone bis hin zu Love Boat, FBI und sogar Ein Schloss am Wörthersee.
Nebenbei war Telly ein ausgezeichneter Pokerspieler und Sänger, der in England einen Nummer-eins-Hit landete und in Deutschland, Österreich und der Schweiz mit drei weiteren Songs wochenlang in den Top 10 war.
Er war dreimal verheiratet, darunter von 1969 bis 1978 mit Sally Adams, die er aber nie heiratete, und Vater von insgesamt sechs Kindern. Telly war ein begeisterter Motorradfahrer, spielte gerne Golf und besaß ein gewinnbringendes Rennpferd. Außerdem war er ein Philanthrop, der zwei griechische Kathedralen in Los Angeles unterstützte und dafür sorgte, dass in seinem Heimatdorf Lerakas nie der Strom ausfiel, was zu dieser Zeit und in dieser Gegend keine Selbstverständlichkeit war.
Seine Energie schien unerschöpflich, bis am 22. Januar 1994 Prostatakrebs seinem bewegten Leben ein jähes Ende setzte.
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Nun wird sich der eine oder andere sicherlich fragen, was die Biografie eines Schauspielers amerikanischer Abstammung mit griechischen Wurzeln in dieser Rubrik zu suchen hat. Die Antwort ist einfach. Es gibt wohl kaum einen Schauspieler, der so untrennbar mit einem Film- und Fernsehhelden verbunden ist wie Telly Savalas.
Alles begann am Donnerstag, dem 8. März 1973, als zur besten Sendezeit auf CBS der Kriminalfilm Der Mordfall Marcus Nelson über die Bildschirme flimmerte. Drehbuchautor Abby Mann griff für diesen TV-Thriller auf einen wahren Kriminalfall aus den 60er Jahren zurück.
Seine minutiöse Schilderung von Polizeiarbeit, Vorverurteilung und Missachtung von Zeugen, in die er einen Polizeileutnant steckte, der in realistisch inszenierten Ermittlungen und präzisen Milieustudien zwischen Hilfsbereitschaft und Zynismus im Dauerclinch mit den Strukturen des Behördenapparats liegt, kam so gut an, dass die Einschaltquoten durch die Decke gingen und der Film kurz darauf einen Emmy erhielt. Das Konzept ging sofort in Serie.
Am 24. 10. 1973 lief in den USA mit Siege of Terror die erste Folge der zunächst Ein-satz in Manhattan betitelten Serie, in Deutschland startete sie, warum auch immer, am 12. 12. 1974 mit der zweiten Folge Das Netz des Todes; im Original Web of Death. Die eigentliche erste Folge mit dem Titel Belagerung wurde am 9. 01. 1975 ausgestrahlt. Wobei zu erwähnen ist, dass die ARD nur 99 Folgen ausstrahlte und sich dabei überhaupt nicht an die Reihenfolge hielt. So wurde zum Beispiel Folge 7 am 23. 01. 1975 ausgestrahlt, Folge 8 aber schon am 28. 11. 1974. Gleiches galt für Folge 16 am 6. 03. 1975, während Folge 22 bereits am 6. 02. 1975 ausgestrahlt wurde. Außerdem kürzte die ARD die Originalfolgen von 48 Minuten auf 43 Minuten. 1998 zeigte RTL die Kojak-Filme in Originallänge und in der richtigen Reihenfolge, allerdings nur die 20, die die ARD nicht berücksichtigt hatte.
Aber das interessierte den wahren Fan nur am Rande, Kojak war zu diesem Zeitpunkt dank seines Schöpfers auch in Deutschland längst eine Legende.
Abby Mann stellte mit seiner Herangehensweise und dem Wahrheitsgehalt der in der Serie gezeigten Kriminalfälle das gesamte Genre auf den Kopf. In ihren Krimis gab es keine Übermenschen als Polizisten, keine geschniegelten FBI-Agenten, die jeden Fall mit Fäusten und Kanonen lösten, keine smarten Privatdetektive, die in Luxuskarossen die Boulevards von Los Angeles, San Francisco oder Miami abfuhren und den Fall lösten, wenn sie nebenbei eine Strandschönheit nach der anderen zu einem Match in den Laken überredeten.
Nein, Abby Mann nahm New York, die amerikanische Hauptstadt des Verbrechens, als Plattform und zeigte die Stadt, wie sie wirklich war: die Straßenschluchten Manhattans ebenso wie die hellen Lichter des Time Square oder die schmuddeligen Mietskasernen und dunklen Hinterhöfe der Bronx. Er zeigte, wie Polizeiarbeit wirklich ist.
Um seinen realistisch inszenierten Ermittlungen und präzisen Milieustudien Glaubwürdigkeit zu verleihen, schuf er eine Polizistenfigur, die sich wohltuend von der Masse der Ermittler abhob, die sonst die Leinwand bevölkerten.
Der Kampf gegen die Kriminalität in New York, die damals auch im wirklichen Leben immer mehr überhandnahm, schien eigentlich aussichtslos. Das wusste auch Mann. Aber einer musste den Kampf ja aufnehmen, und so schickte er Leutnant Theo Kojak ins Rennen.
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Seine Markenzeichen waren dreiteilige Maßanzüge, Glatze und Lutscher, seine hervorstechendste Charaktereigenschaft Unbestechlichkeit und sein Einsatzort die Straßen von Manhattan. Sein für jede Situation passender Spruch »Entzückend, Baby« ging um die Welt. Über 100 Millionen Zuschauer in 75 Ländern der Erde verfolgten Woche für Woche seinen Kampf gegen Drogendealer, Raubmörder und Erpresser, aber auch gegen die Oberen im Polizeiapparat und in der Stadtverwaltung, die – wie im richtigen Leben – Korruption nicht nur zuließen, sondern oft sogar deckten.
Bald gab es Kojak auch in Papierform als Taschenbuch und Heftroman, in Deutschland bei Bastei. Die Serie wurde in den USA mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit zwei Golden Globes und zwei Emmy Awards, dem wohl wichtigsten Fernsehpreis Amerikas.
Doch am 18. 3. 1978 war mit Brokaws letztem Fall, im Original In Full Command, Schluss. Aber nicht für immer. Zwischen 1985 und 1990 ließ sich Telly Savalas noch einmal überreden, in sieben weiteren Filmen den Kojak zu spielen.
Hierzulande strahlte RTL Nitro 2013 alle Folgen noch einmal aus, was vor allem die Älteren unter uns freute. Doch schon zu diesem Zeitpunkt war klar, dass Kojak bei der Jugend, also dem Fernsehpublikum der Zukunft, bereits in Vergessenheit geraten war.
Ein Umstand, der, wie ich finde, alles andere als »Entzückend, Baby« ist.
Quellenangabe:
(gsch)