Benjamin Cors – Krähentage
Jakob Krogh, ein verheirateter Polizist, der einen kleinen Sohn hat und längere Zeit Pause vom Dienst hatte, und Mila Weiss, eine Ermittlerin, die zuvor länger in Wien tätig war und viele Erfolge vorweisen kann, sind die neuen Leiter eines Polizeiteams, das aus guten Leuten zusammengesetzt wurde, den Namen Gruppe 4 trägt und sich der Ermittlung bei Serienstraftaten widmet.
Am ersten Tag erfährt das neue Team von einer Tat, die zu zwei weiteren Delikten dieser Art passt. Erstens ist der Delinquent bei aller Wut, mit der er die Tat ausgeführt hat, vorsichtig gewesen, als er in die Wohnung einer 23 Jahre alten Frau eindrang und diese verwüstete. Die Frau muss ihm auf sein Klopfen hin selber die Tür geöffnet haben. Außerdem hat er die Frau schwer misshandelt und ihr dabei dem Mund zugeklebt, sie aber nicht vergewaltigt und auch nicht getötet.
All diese Dinge gingen so vonstatten wie in den beiden vorangegangenen Fällen. Hinzu kommt, dass der Täter glatte Lederhandschuhe getragen hat, und so gibt es offensichtlich keine DNA oder sonstige Spuren von ihm in der Wohnung. Auch dies war genauso, wie bei den anderen Fällen.
Da der Gewalttäter vermummt war – eine weitere Parallele – konnte die junge Frau, die jetzt im Krankenhaus behandelt wird, sein Gesicht nicht erkennen, was die Arbeit der Polizei zusätzlich erschwert.
Aber die Ermittlungen im Fall der Misshandlungen der jungen Frauen und der Verwüstung ihrer Wohnungen bleiben nicht die einzigen, die das neue Team zu bewerkstelligen hat. Bereits am selben Tag stoßen Jakob, Mila und die anderen fast wie zufällig auf eine andere Tat, die ihnen Rätsel aufgibt.
In einer Nachbarwohnung der jungen Frau finden sie nämlich die Leiche einer alten Frau, die man offenbar nach ihrem Tod noch in ihrem Viertel gesehen hat. Sie lief mit ihrem Einkaufstrolley noch durch die Straßen und traf zudem noch die junge Frau vor dem Haus, die bald danach das Opfer des Verbrechens wurde.
Als die Ermittler in die Wohnung der alten Frau, Irene Nowak, eindringen, finden Sie dort eine aggressive Krähe vor, die an der Leiche gefressen hat, während aller Fenstern und Türen geschlossen und die Jalousien heruntergelassen waren.
Schnell wird klar, dass die alte Frau ermordet wurde und dass sie nicht das einzige Opfer dieses Mörders ist. Auch offenbart der Autor dem Leser sehr bald, dass ein junger Mann namens Elias Brunner in diesen Fällen der Täter ist. Er ist in einem Callcenter tätig, täglich auf der Jagd nach Abschlüssen und hasst seinen Chef, einen schmierigen, übergriffigen Mann, der überall im Callcenter Kameras und Wanzen angebracht hat und so von seinem Büro aus seinem Mitarbeiter ausspionieren kann und insbesondere die jungen Frauen unter ihnen beobachtet. Erst später wird klar, was es mit den Krähen auf sich hat, die Brunner an seinen Tatorten hinterlässt.
Und noch ein weiteres Indiz spielt in seinem Fall eine Rolle, dessen Bedeutung erst im weiteren Verlauf des Romans erklärt wird. Elias hinterlässt nämlich an jedem Tatort gut sichtbar den Spruch Schaut nach oben!
Es sind also mehrere Rätsel, die die Gruppe 4 bereits an den ersten Tagen zu lösen hat, was ihr natürlich nicht sofort gelingt, und so wird der für sie zuständige Staatsanwalt und die Öffentlichkeit immer ungeduldiger, was für die Ermittlungen nicht gerade von Vorteil ist.
Benjamin Cors schreibt mit Krähentage einen düsteren Psychothriller, dessen psychologisches Fundament zwar gut durchdacht und in sich stimmig ist, für den Leser aber die Frage aufwirft, ob eine derartige psychische Erkrankung in der Realität bei einem echten Serientäter tatsächlich vorkommen kann.
Spannend allerdings ist dieser Thriller allemal, denn der Autor versteht es, Spannung zu erzeugen, und seine Themen sind dazu geeignet, seine Leserschaft zu fesseln.
Auch die beiden führenden Polizisten sind psychisch lädiert, was sich am Ende auf ihre Ermittlungen auswirkt, eine Sache, die man schon eher nachvollziehen kann, denn man hört, sieht und liest immer wieder von psychischen Problemen verschiedener Polizisten, sodass dieser Aspekt der Handlung des Romans als realistisch erscheint.
Interessant ist es noch, dass der Erzähler bestimmte Fragen in seinem Krimi ungelöst lässt.
Fazit:
Nimmt man all diese Dinge zusammen, so schreibt Benjamin Cors mit seinem Roman einen recht ungewöhnlichen Psychothriller, bei dessen psychologischen Elementen man nur zum Teil sicher weiß, dass sie der Realität entsprechen könnten. Andere Teile könnten reine Fiktion sein, was die Qualität des Romans aber insgesamt nicht schmälert, insbesondere deshalb, weil die Geschichte gerade durch sie ausgesprochen spannend ist.
Ich kann Krähentage deshalb jedem Leser empfehlen, der gerne Psychothriller liest, die sehr spannend sind, gleich, ob die psychologischen Aspekte der Realität entsprechen oder eher Fiktion sind.
Benjamin Cors ist Deutsch-Franzose. Seine Großeltern hatten ein Ferienhaus an der Cote Fleurie bei Deauville. Er ist seit vielen Jahren politischer Fernsehjournalisten und hat für die Tagesschau, die Tagesthemen und den Weltspiegel berichtet. Heute ist er für den SWR tätig.
Seine Normandie-Krimis sind Bestseller und seine Fans werden immer zahlreicher. Mit dem Psychothriller Krähentage beschreitet er neue Wege und versucht, die dunkle Seite der Seele zu beschreiben, ein Versuch, der wohl auch fortgesetzt wird.
Quellen:
• Benjamin Cors, Krähentage, dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co.KG, München, 2024.
Bilder:
• Cover des Romans. Mit freundlicher Genehmigung von dtv.
• Foto des Autors. Copyright: Bogenberger Autorenfotos, 2022. Ebenfalls mit freundlicher Genehmigung von dtv.
(ww)