Adventskalender 2024 – 18. Türchen
Die drei Königstöchter im blauen Berg
Ein nordisches Volksmärchen
Es waren einmal ein König und eine Königin, die hatten keine Kinder und waren darüber so traurig, dass sie fast keine fröhliche Stunde mehr hatten. Eines Tages stand der König auf dem Altan und schaute über das weite Land und alles, was ihm gehörte. Es war sehr viel und sah sehr schön aus; aber er dachte, er könne sich gar nicht darüber freuen, wenn er nicht wisse, was nach seinem Tode mit allem geschehen solle. Als er so dastand und nachdachte, kam eine alte Frau von der Straße und bat im Namen Gottes um ein Almosen. Sie grüßte den König, knickste und fragte, was dem Herrn König fehle, dass er so unglücklich aussehe.
»Ach, gute Frau, da kannst du mir nicht helfen«, sagte der König. »Es würde auch nichts nützen, wenn ich es dir sagen würde.«
»Aber es wäre vielleicht möglich«, erwiderte die Bettlerin, »zum Glück braucht es oft nicht viel. Der Herr König denkt daran, dass er keinen Erben für sein Reich und sein Land hat«, fuhr sie fort. »Der Herr König wird mit der Frau Königin drei Töchter haben, aber er muss wohl aufpassen, dass sie nicht unter den freien Himmel kommen, bis sie fünfzehn Jahre alt sind, sonst kommt eine Schneewolke und nimmt sie mit.«
Als die Zeit gekommen war, geriet die Königin an eine schöne Jungfrau; im nächsten Jahr geschah dasselbe, und im dritten Jahr geschah dasselbe.
Der König und die Königin waren über alle Maßen glücklich; aber so glücklich der König auch war, so vergaß er doch nicht, eine Wache vor die Stubentür zu stellen, damit die Prinzessinnen nicht hinausliefen.
Als die Königstöchter heranwuchsen, wurden sie lieb und schön, und es ging ihnen in jeder Hinsicht gut. Das einzige Traurige war, dass sie nicht hinaus durften, um im Freien zu spielen, wie andere Kinder; aber wie oft sie auch ihre Eltern anflehten, und wie oft sie auch bei der Wache bettelten, es half nichts, sie durften nicht hinaus, bis sie alle fünfzehn Jahre alt waren.
Eines Tages, nicht lange bevor die jüngste Königstochter ihr fünfzehntes Jahr vollendet hatte, waren der König und die Königin bei schönem Wetter hinausgegangen, die Prinzessinnen aber standen am Fenster und schauten hinaus. Die Sonne schien, und alles ringsum war herrlich grün und schön, da dachten die Prinzessinnen, sie müssten hinaus – es wollte gehen, wie es wollte. Alle drei baten und bettelten, der Posten möge sie doch in den Garten hinauslassen, er könne doch selbst sehen, wie warm und schön es sei, an so einem Tag könne doch unmöglich ein Schneesturm kommen.
Nun, der Posten sagte, es sehe nicht danach aus, und wenn die Prinzessinnen unbedingt hinaus wollten und müssten, dann sollten sie eben hinaus. Aber nur für einen kurzen Augenblick, und er selbst wolle auch mitgehen und auf sie aufpassen.
Als sie in den Garten hinuntergingen, sprangen sie fröhlich wie kleine Geißlein umher und pflückten mit den Händen Blumen und grüne Zweige, das Schönste, was sie sahen. Aber als sie gerade hineingehen wollten, fiel ihr Blick auf eine große Rose, die ganz am anderen Ende des Gartens blühte. Diese Rose war viel, viel schöner als alle anderen, die die Prinzessinnen gefunden hatten, und sie wollten sie unbedingt haben. Aber gerade, als sie sich bückten, um die Rose zu pflücken, kam eine große, dicke Schneewolke und die Prinzessinnen waren verschwunden.
Das war ein Jammer im ganzen Land, und der König ließ in allen Kirchen verkünden, dass derjenige, der die Prinzessinnen retten würde, das halbe Königreich, seine goldene Krone und dazu noch eine Prinzessin nach seiner Wahl zur Frau bekommen sollte. Da gab es natürlich genug Männer, die das halbe Königreich und eine Prinzessin obendrein gern gewonnen hätten, und Edle und Geringe zogen in alle Ecken und Winkel des Landes. Aber keiner konnte die Königstöchter finden oder auch nur eine Spur von ihnen entdecken.
Als nun alle Großen und Höchsten des Landes aufgebrochen waren, wollten auch ein Hauptmann und ein Leutnant ihr Glück versuchen. Ja, der König rüstete sie mit Silber und Gold aus und wünschte ihnen viel Glück auf ihrer Reise.
Es war aber ein Soldat, der wohnte mit seiner Mutter in einem Häuschen gleich vor dem Königsschloss. Der träumte eines Nachts, dass auch er ausziehen und die Prinzessinnen suchen würde. Am Morgen erinnerte er sich ganz genau an den Traum und sprach mit seiner Mutter darüber.
»Hör zu, da könnte Hexerei im Spiel sein«, sagte die Mutter. »Du musst drei Nächte hintereinander dasselbe träumen, sonst ist es nicht sicher.«
Aber in den zwei folgenden Nächten ging es geradeso; beide Male kam derselbe Traum wieder; der Soldat meinte, er müsse ausziehen. Er wusch sich also, zog seine Uniform an und begab sich aufs Schloss in die Küche – es war gerade einen Tag, nachdem die beiden anderen ausgezogen waren.
»Geh du nur wieder heim«, meinte der König. »Die Prinzessinnen hängen jetzt wohl zu hoch für dich«, sagte er, »und dann habe ich auch schon so viel Reisegeld hergegeben, dass heute keines mehr da ist. Komm lieber an einem anderen Tag wieder!«
»Wenn ich gehe, dann will ich heute gehen«, erwiderte der Soldat. »Reisegeld brauche ich nicht so notwendig; ich will nichts als einen Trunk in die Flasche und Speise in meine Tasche«, sagte er. »Aber ein ordentlicher Schnappsack muss es sein, so viel Fleisch und Speck, wie ich nur zu tragen vermag.«
Jawohl, das solle er bekommen, wenn er sonst nichts verlange, lautete da die Antwort.
So machte er sich denn auf den Weg, und er war noch nicht viele Meilen gegangen, als er den Hauptmann und den Leutnant einholte.
»Wo willst du hin?«, fragte der Hauptmann, als er die Uniform sah.
»Ich will ausziehen und versuchen, ob ich die drei Königstöchter finden kann.«
»Das wollen wir auch«, sagte der Hauptmann. »Und da du den gleichen Zweck hast, darfst du dich uns anschließen; denn wenn wir sie nicht finden, dann findest du sie sicher auch nicht, mein Junge.«
Nachdem sie eine Weile miteinander gewandert waren, verließ der Soldat die Landstraße und schlug einen Waldweg ein.
»Nun, wo willst du hin?«, fragte der Hauptmann. »Es ist gewiss am besten, wenn wir auf der Landstraße weitergehen«, meinte er.
»Das ist gut möglich«, antwortete der Soldat. »Aber mein Weg führt hier weiter.«
Er blieb auf dem Pfad, und als die beiden anderen das sahen, drehten sie um und kamen ihm nach. Es ging weiter und immer weiter, durch große Wälder und durch enge, unbekannte Täler. Schließlich wurde es hell, und als die Wanderer aus dem Wald hinauskamen, standen sie vor einer langen, langen Balkenbrücke, über die sie hinüber mussten. Vor der Brücke aber stand ein Bär als Wache; dieser richtete sich auf und kam auf sie zu, als ob er sie fressen wollte.
»Was tun wir jetzt?«, fragte der Hauptmann.
»Es heißt, der Bär ist sehr gierig auf Fleisch«, sprach der Soldat und warf ihm eine Vorderkeule hin. Da kamen sie vorbei. Aber an dem anderen Ende der Brücke stand ein Löwe, der brüllte und lief ihnen mit aufgesperrtem Rachen entgegen, als ob er sie alle drei verschlingen wollte.
»Jetzt ist es am besten, wenn wir die Füße heimwärts wenden, hier kommen wir nicht lebend vorbei«, sprach der Hauptmann.
»Ach, der ist wohl auch nicht so gefährlich!«, erwiderte der Soldat. »Ich habe gehört, der Löwe ist wie toll auf Speck aus, und in meinem Schnappsack habe ich ein halbes Schwein.« Er warf dem Löwen einen Schinken hin; der begann sogleich zu nagen und zu beißen, und so kamen die drei auch hier durch.
Gegen Abend erreichten sie einen großen, prächtigen Hof. Ein Zimmer war schöner als das andere, und es gleißte und glänzte, wohin sie sahen. Aber das war nichts für den Magen. Der Hauptmann und der Leutnant klimperten mit ihrem Geld in den Taschen und hätten sich gern etwas zu essen gekauft, aber sie sahen niemand und fanden auch nirgends etwas zum Nagen oder zum Beißen. Da bot ihnen der Soldat aus seinem Schnappsack Fleisch und Speck an. Sie waren durchaus nicht stolz und ließen sich nicht lange nötigen, sondern aßen von dem, was der Soldat hatte, so eifrig, als ob sie noch nie etwas gegessen hätten.
Am nächsten Tag sagte der Hauptmann, sie müssten auf die Jagd gehen und sich etwas verschaffen, wovon sie leben könnten. Dicht bei dem Hof war ein großer Wald, der war voller Hasen und Vogelwild. Der Leutnant sollte daheim bleiben und das Haus besorgen und den Rest von des Soldaten Mundvorrat kochen. Indessen schössen die anderen so viel, dass sie es kaum nach Hause tragen konnten. Aber als sie ans Tor kamen, war der Leutnant sehr elendig daran, er konnte ihnen kaum noch ausmachen.
«Was ist denn mit dir geschehen?«, fragte der Hauptmann.
Nun, da erzählte er: »Gleich nachdem die anderen gegangen waren, war ein winzig kleiner Mann mit einem langen Bart an Krücken hereingehumpelt und hatte ihn flehentlich um einen Heller gebeten. Aber als er ihn bekommen hatte«, sagte der Leutnant, »ließ er ihn auf den Boden fallen, und ob er sich auch alle Mühe gab, er konnte ihn nicht aufheben, so zitterig und lendenlahm war er. Der alte Tropf tat mir leid, und so bückte ich mich, um den Heller aufzuheben. Aber da war er auf einmal nicht mehr zitterig und lendenlahm; er bearbeitete mich mit seinen Krücken, dass ich bald kein Glied mehr rühren konnte.«
»Du solltest dich schämen! Du, ein Soldat des Königs, lässt dich von einem Krüppel durchprügeln; und dann redest du obendrein
noch davon!«, sprach der Hauptmann. »Pah, morgen bleibe ich daheim, dann werdet ihr etwas anderes erleben!«
Nun also, am nächsten Tag gingen der Leutnant und der Soldat auf die Jagd; der Hauptmann blieb daheim, um das Essen zu kochen und das Haus zu hüten. Aber wenn es ihm nicht schlechter ging, so ging es ihm auch nicht besser. Nach einiger Zeit kam der alte Mann und bat um einen Heller. Sobald er ihn hatte, ließ er ihn
fallen, und das Geldstück verschwand und blieb verschwunden. Da bat er den Hauptmann, er solle ihm suchen helfen; der überlegte nicht lange, sondern bückte sich, um zu suchen. Aber er hatte sich noch nicht recht gebückt, als der Alte ihn mit seinen Krücken durchbläute, und so oft der Hauptmann sich aufrichten und sich wehren wollte, bekam er einen Schlag, dass ihm Hören und Sehen verging. Als die anderen am Abend heimkamen, lag der Hauptmann noch auf demselben Fleck und konnte kein Glied rühren.
Am dritten Tag musste der Soldat daheim bleiben, während die beiden anderen auf die Jagd gingen. Der Hauptmann sagte, er solle sich wohl in Acht nehmen. »Denn dich schlägt der Alte auf der Stelle tot, mein Junge«, meinte er.
»Ach, da müsste einem das Leben sehr verleidet sein, wenn man es sich von so einem alten Krüppel nehmen ließe«, antwortete der Soldat.
Kaum waren die beiden anderen zur Tür hinaus, als der alte Mann auch schon da war und um einen Heller bat.
»Geld habe ich noch nie besessen«, entgegnete der Soldat, »aber zu essen sollst du bekommen, sobald das Mahl gekocht ist. Aber wenn wir kochen wollen, musst du das Holz dazu spalten.«
»Das kann ich nicht«, sprach der Mann.
»Kannst du es nicht, so musst du es lernen«, sagte der Soldat. »Das wird bald geschehen sein; komm nur mit mir in den Holzstall!«
Dort zog der Soldat einen dicken Prügel heraus und schlug die Axt hinein, dass ein großer, tiefer Spalt entstand.
»Jetzt musst du dich hinlegen und genau dem Spalt entlang sehen, dann wirst du bald lernen, wie man Holz spaltet«, sagte der Soldat. »Indessen will ich hier hauen und spalten.«
Nun, der Alte war nicht sehr schlau; er tat, was ihm geheißen worden war; er legte sich nieder und untersuchte und untersuchte den Spalt im Prügel. Sobald nun der Soldat sah, dass der Bart ordentlich in den Spalt hineingeraten war, schlug er die Axt heraus und verbläute den Alten mit dem Rücken der Axt. Dann schwang er die Axt über dessen Kopf und schwor, er werde ihm die Hirnschale zerschmettern, wenn er nicht auf der Stelle sage, wo die Königstöchter seien.
»Lass mir mein Leben, lass mir mein Leben, ich will es dir sagen!«, rief der Alte. »Ostwärts von diesem Hof ist ein großer Hügel«, sagte der Alte. »Oben auf diesem Hügel musst du ein viereckiges Rasenstück herausschneiden, dann siehst du eine schwere Steinplatte, und unter dieser findest du ein tiefes Loch. In dieses Loch musst du dich hinunterlassen, dann kommst du in eine andere Welt; und da sind die Königstöchter bei dem Bergtroll. Aber es geht sehr weit hinunter, es ist ganz dunkel da, und der Weg führt durch Wasser und Feuer hindurch.«
Nachdem der Soldat dies und alles, was er wissen wollte, erfahren hatte, befreite er den eingeklemmten Alten aus seiner Lage, und der war im Handumdrehen verschwunden.
Als der Leutnant und der Hauptmann heimkamen, waren sie sehr erstaunt, den Soldaten noch am Leben zu finden. Nun, der erzählte von Anfang bis zu Ende, wie es ihm ergangen war, und sagte auch, wo die drei Königstöchter seien, und wie man sie finden könnte. Da wurden die anderen so vergnügt, als ob sie die Königstöchter allbereits hätten; und nachdem sie sich satt gegessen hatten, nahmen sie einen Korb und so viel Stricke und Seile, wie sie nur finden konnten, und gingen alle drei zu dem Hügel. Da machten sie zuerst das Rasenstück los, wie der Alte gesagt hatte; darunter fanden sie eine große, schwere Steinplatte, aber sie war doch nicht so schwer, dass die drei Männer sie nicht hätten bewältigen können. Dann wollten sie messen, wie tief das Loch sei. Sie banden zwei und dreimal neue Seile aneinander, fanden aber keinen Grund, beim dritten Mal so wenig wie beim ersten Mal. Zuletzt banden sie alles, was sie hatten, aneinander, die dicken wie die dünnen Stricke, und da fühlten sie, dass es hinunter reichte.
Natürlich wollte der Hauptmann zuerst hinunter. »Aber wenn ich am Seil ziehe«, sagte er, »müsst ihr mich eilig wieder herausziehen.« Es war dunkel und hässlich da drinnen, aber er dachte, er müsse es aushalten, wenn es nur nicht schlimmer käme. Aber plötzlich sausten ihm kalte Wasserströme um die Ohren; da bekam er eine Todesangst und zog hastig am Seil.
Nun, dann wollte es der Leutnant versuchen; aber es ging ihm nicht viel anders als dem Ersten. Nachdem er durch die Wasserflut hindurch gekommen war, sah er unter sich im Abgrund ein Feuer auflodern; da bekam auch er Angst und trat die Rückreise an.
Nun machte sich der Soldat auf den Weg. Er ließ sich hinabgleiten durch Wasser und Feuer hindurch, immer weiter, bis er auf dem Boden ankam. Da drunten war es so stockdunkel, dass er die Hand vor den Augen nicht sehen konnte. Er wagte auch den Korb nicht loszulassen; so drehte er sich nur im Kreis herum, streckte die Arme aus und tastete um sich her. Doch plötzlich sah er weit, weit draußen einen kleinen Lichtschein, nur wie einen Schimmer; auf den ging er zu. Nachdem er eine Strecke gegangen war, wurde es heller um ihn her, und dann dauerte es nicht lange, da sah er, dass da eine goldene Sonne am Himmel aufging, und darauf wurde es hell und schön, gerade wie in der anderen Welt droben. Zuerst begegnete er einer großen Viehherde mit so fetten Kühen, dass sie nur so glänzten; und als er an der Herde vorüber war, kam er an ein großes, prächtiges Schloss. Da ging er durch viele Zimmer, ohne einen Menschen zu treffen. Schließlich hörte er ein Spinnrädchen schnurren, und als er eintrat, saß da die älteste Königstochter und spann Kupferfäden, und die Stube und alles, was darin war, war aus blankgescheuertem Kupfer.
»Ei, wie kommt ein Christenmensch hierher?«, fragte die Prinzessin. »Gott soll mich bewahren, was willst du?«
»Ich will dich aus dem Berg befreien«, antwortete der Soldat.
»Lieber Freund, geh, geh! Wenn der Bergtroll heimkommt, bringt er dich auf der Stelle um. Er hat drei Köpfe«, sagte sie.
»Das ist mir einerlei, und wenn er vier hätte!«, sagte der Soldat. »Nun ich da bin, will ich auch da bleiben.«
»Ja, wenn du so eigensinnig bist, muss ich wohl sehen, ob ich dir helfen kann«, sagte die Königstochter. Dann befahl sie ihm, hinter den großen Braubottich zu kriechen, der im Vorzimmer stand, indessen wolle sie den Berggeist in Empfang nehmen und ihn lausen, bis er einschlafe. »Aber wenn ich hinausgehe und die Hühner locke, dass sie hereinkommen und aufpicken, was von seinem Kopf fällt, dann musst du rasch herbeikommen«, sagte sie. »Jetzt versuche zuerst, ob du das Schwert schwingen kannst, das dort auf dem Tisch liegt.«
Nein, es war ihm zu schwer, er konnte es nicht einmal von der Stelle rühren. Da durfte er zur Stärkung einen Schluck aus dem Horn nehmen, das hinter der Gangtür hing; da war er so weit, dass er das Schwert bewegen konnte.
Nun, da nahm er noch einen Schluck, und da konnte er es aufheben. Aber dann nahm er einen recht großen Schluck, da konnte er das Schwert schwingen, so schnell er wollte.
Plötzlich kam der Bergtroll daher gesaust, dass das ganze Schloss erbebte.
»Pfui, pfui! Ich wittere Christenblut in meinem Haus!«, rief er.
»Ja, es ist vorhin ein Rabe vorbeigeflogen, der hatte einen Menschenknochen im Schnabel und ließ ihn in den Schornstein fallen. Ich warf ihn wohl hinaus und fegte und wusch nachher auch tüchtig, aber es wird wohl immer noch danach riechen«, antwortete die Prinzessin.
»Ja, ich rieche es wohl«, sagte der Troll.
»Aber komm jetzt, dann will ich dich lausen«, sagte die Prinzessin. »Vielleicht ist es vorbei, wenn du erwachst.«
Dazu war der Troll gleich bereit, und es dauerte nicht lange, bis er laut schnarchte. Als die Königstochter merkte, dass er eingeschlafen war, stützte sie ihm die Köpfe mit Stühlen und Federkissen und lockte dann die Hühner. Da schlich sich der Soldat mit dem Schwert herein und schlug dem Troll alle drei Köpfe mit einem Hieb ab.
Die Prinzessin lachte und sang vor lauter Freude und geleitete ihn zu ihren Schwestern, damit er diese auch aus dem Berg befreie. Zuerst ging es über einen Hofplatz, und dann durch viele große Zimmer, bis sie an eine gewaltige Tür kamen.
»Hier musst du hineingehen«, sagte die Königstochter. »Jetzt sind wir da.«
Als er die Tür öffnete, war dahinter ein großer Saal, wo alles aus lauterem Silber war; da saß die mittlere Königstochter und spann an einem silbernen Rädchen.
»Ach, dass Gott erbarm! Was willst du hier?«, rief sie.
»Dich von dem Troll befreien«, sagte der Soldat.
»Ach, lieber Freund, geh nur wieder!«, rief die Prinzessin. »Wenn er dich findet, bringt er dich auf der Stelle um.«
»Das ist nicht unwahrscheinlich – wenn ich ihn nicht zuerst umbringe«, sagte der Soldat.
»Ja, wenn du durchaus willst«, antwortete sie, »dann kannst du hier im Flur hinter den großen Bottich kriechen. Aber wenn ich die Hühner locke, musst du gleich hereinkommen.«
Zuerst aber musste er noch versuchen, ob er Manns genug sei, das Trollschwert zu schwingen, das auf dem Tisch lag; es war viel größer und schwerer als das erste, und er war kaum imstande, es von der Stelle zu rücken. Hierauf nahm er drei Schluck aus dem Horn, da war er stark genug, es aufzuheben, und als er noch drei Schluck genommen hatte, konnte er damit fechten wie mit einer Backschaufel.
Kurz darauf donnerte und dröhnte es laut und immer lauter, dass es ganz schrecklich anzuhören war, und da kam auch schon ein Troll mit sechs Köpfen daher.
»Pfui, pfui!«, rief er gleich, als er die Nase zur Tür hereinsteckte. »Ich wittere … wittere Christenfleisch in meinem Haus!«
»Ja, denk dir nur, vor einer Weile kam ein Rabe mit einem Schenkelknochen dahergeflogen und ließ ihn durch den Schornstein herunterfallen«, sagte die Königstochter. »Er warf ihn herein, und ich warf ihn hinaus. Schließlich brächte ich ihn fort und räucherte schnell hier drinnen; aber der Geruch ist wohl trotzdem nicht so rasch vergangen«, sagte sie.
»Nein, ich rieche ihn noch gut«, sagte der Troll. Aber dann war er müde und legte seine Köpfe der Prinzessin in den Schoß, und die lauste sie, bis sie alle miteinander laut schnarchten. Da lockte sie die Hühner, und dann kam der Soldat herein und hieb alle sechs Köpfe ab, als ob es nur Kohlköpfe gewesen wären.
Auch diese Königstochter war natürlich nicht weniger vergnügt als die Erste, aber während sie miteinander tanzten und sangen, fiel ihnen ihre jüngste Schwester ein; da wiesen sie den Soldaten über einen großen Hof und durch viele, viele Zimmer, bis er in einen goldenen Saal zu der dritten Königstochter kam. Sie spann einen goldenen Faden an einem goldenen Rädchen, und bis an die Decke hinauf glänzte und gleißte alles, dass einem die Augen ordentlich wehtaten.
»Gott steh dir bei und helfe mir und dir! Was willst du hier?«, rief die Königstochter. »Geh, geh, sonst bringt er uns beide um!«
»Einer oder zwei, das ist einerlei«, sagte der Soldat.
Die Prinzessin weinte und bat, aber es half nichts; er sagte, er wolle dableiben, und er müsse dableiben. Und als alles nichts half, sollte er wenigstens probieren, ob er das Trollschwert schwingen könne, das auf dem Flurtisch lag; aber mehr als es bewegen konnte er nicht – dieses Schwert war noch viel größer und schwerer als die beiden anderen. Da durfte er das Horn von der Wand herunternehmen und drei Schluck daraus trinken; aber trotzdem konnte er nicht mehr als es heben, erst nachdem er zur Stärkung noch drei Schluck genommen hatte, konnte er es aufheben, und nachdem er noch dreimal getrunken hatte, schwang er es so leicht wie eine Feder. Dann traf die Prinzessin mit dem Soldaten dieselbe Verabredung wie die beiden anderen: Wenn der Troll fest eingeschlafen sei, wollte sie die Hühner locken, dann solle er rasch hereinkommen und ihm den Garaus machen.
Während sie noch sprachen, ertönte ein Dröhnen und Lärmen, als ob die Wände und die Decke einstürzen sollten.
»Pfui, pfui! Ich wittere Christenfleisch!«, rief der Troll und schnüffelte mit allen seinen Nasen.
»Ja, so etwas ist noch nie dagewesen; gerade vorhin flog ein Rabe hier vorüber und ließ einen Menschenknochen durch den Schornstein herunterfallen. Ich warf ihn hinaus und er ihn herein, und das ging unaufhörlich so fort«, sagte die Prinzessin. »Schließlich habe ich ihn vergraben«, sagte sie, »und danach hier gut gescheuert und ausgeräuchert, aber es ist trotzdem noch etwas von dem Geruch zurückgeblieben.«
»Ja, das rieche ich«, sagte der Troll.
»Komm und lege dich in meinen Schoß, dann will ich dich lausen«, sagte die Prinzessin. »Bis du ausgeschlafen hast, ist alles vorbei.«
Nun, das tat er, und als er fest schnarchte, stützte sie ihm die Köpfe mit Bänken und Federbetten, dass sie selbst weg konnte, und dann lockte sie die Hühner. Da schlich der Soldat in Strümpfen herein und hieb auf den Troll los, dass acht Köpfe auf einen Schlag wegflogen – das Schwert war zu kurz und reichte nicht weiter. Der neunte Kopf erwachte und fing gleich zu brüllen an: »Pfui pfui, ich wittere Christenfleisch!«
»Ja, hier ist ein Mensch!«, rief der Soldat. Und ehe der Troll sich aufrichten und etwas erfassen konnte, versetzte ihm der Soldat noch einen Hieb, und da rollte auch der neunte Kopf herunter.
Nun war die Freude groß bei den Königstöchtern, denn nun brauchten sie die Trollköpfe nicht mehr zu lausen; sie wussten gar nicht, was sie dem, der sie erlöst hatte, alles zuliebe tun sollten, und die jüngste Prinzessin streifte ihren goldenen Ring vom Finger und knüpfte ihn in seine Haare. Dann sammelten sie so viel Gold und Silber, wie sie tragen konnten, und machten sich miteinander auf den Heimweg. Sobald sie am Seil zerrten, zogen der Hauptmann und der Leutnant die Prinzessinnen hinauf, eine nach der anderen. Aber als diese gut oben angekommen waren, dachte der Soldat, es sei dumm von ihm gewesen, dass er sich nicht vor den Königstöchtern in den Korb gesetzt habe und hinaufgefahren sei, denn er traute seinen Kameraden nur halb. Er wollte sie deshalb auf die Probe stellen; darum legte er einen schweren Goldklumpen in den Korb und sprang rasch auf die Seite. Als der Korb etwa halbwegs droben war, hieben sie oben das Seil ab, sodass der Goldklumpen herunterfiel und die Stücke davon dem Soldaten um die Ohren sausten.
»Nun sind wir ihn los!«, sagten sie.
Dann bedrohten sie die Prinzessinnen mit dem Tod, wenn sie nicht aussagten, sie, der Hauptmann und der Leutnant, seien es gewesen, die sie von den Bergtrollen erlöst hätten. Die Prinzessinnen sträubten sich, und ganz besonders die Jüngste; aber das Leben verlieren ist schwer, und so bekamen die zwei, die die Macht hatten, ihren Willen.
Als nun der Hauptmann und der Leutnant mit den Prinzessinnen heimkamen, war großer Jubel im Königsschloss. Der König war so glücklich, dass er nicht wusste, auf welchem Fuß er stehen sollte. Er holte seinen besten Wein aus dem Schrank und schenkte beiden zum Willkommen ein; und wenn ihnen früher keine Ehre erwiesen worden war, so geschah das nun, das dürft ihr glauben. Und die beiden stolzierten und brüsteten sich den ganzen Tag wie die Herren, nun, wo sie den König zum Schwiegervater bekommen sollten; denn das war klar, dass jeder die von den Prinzessinnen bekommen würde, die er sich wünschte, und noch das halbe Königreich zum Teilen. Beide wollten die jüngste Königstochter haben, aber so sehr sie auch baten und drohten, es half alles nichts, diese wollte um keinen Preis einen von den zwei. Da sprachen sie mit dem König und baten ihn, die Prinzessin von einer zwölf Mann starken Wache bewachen zu lassen; denn seit sie in dem Berg gewesen sei, sagten sie, sei sie schwermütig, und sie hätten Angst, sie könnte sich ein Leid antun. Nun ja, sie bekamen die Wache, und der König selbst sagte zu der Wache, sie solle gut auf die Prinzessin Acht geben und sie überall begleiten, wo sie gehe und stehe.
Dann galt es zum Fest für die beiden Ältesten zu kochen und zu backen; es sollte eine Hochzeit werden, wie man noch nie eine gesehen hatte; und sie brauten und buken und schlachteten, es wollte kein Ende nehmen.
Indessen war der Soldat da drunten in der anderen Welt. Er fand es recht schwer, dass er nie mehr die Menschen und das Tageslicht sehen sollte. Aber etwas muss ich doch tun, dachte er. Und so ging er von einem Zimmer ins andere, einen Tag lang, zwei Tage und noch viele andere dazu. Er machte Schränke und Schubladen auf und suchte auf den Borten und besah sich alle die prächtigen Sachen, die sich da fanden. Schließlich kam er an eine Tischlade; er zog sie heraus, und da lag ein goldener Schlüssel darin. Nun probierte er mit diesem Schlüssel alle Schlösser, die er fand; aber der Schlüssel passte in keines hinein, bis er an einen kleinen Wandschrank über dem Bett kam, und in dem Schrank fand er eine alte verrostete Pfeife.
Es könnte ja ganz nett sein, zu probieren, ob irgendeine Melodie darin sitzt, dachte er und setzte die Pfeife an den Mund. Ehe er sich darüber klar wurde, begann es von allen Seiten her zu sausen und zu brausen, und zugleich ließ sich eine so große Schar Vögel vor ihm nieder, dass der Boden ganz schwarz war.
»Was wünscht unser Herr heute?«, fragten die Vögel.
»Wenn ich euer Herr bin«, sagte der Soldat, »dann möchte ich wohl wissen, ob ihr mir einen guten Rat geben könntet, wie ich wieder auf die Erde hinaufkommen soll.«
Nein, das konnte keiner von den Vögeln. »Aber unsere Mutter ist noch nicht da«, sagten sie. »Wem die nicht helfen kann, dem ist nicht zu helfen.«
Da pfiff der Soldat noch einmal, und nach einer kleinen Weile hörte er etwas in der Ferne mit den Flügeln schlagen; zugleich erhob sich ein so heftiger Wind, dass der Soldat wie ein Strohwisch im Hof umhergetrieben wurde; und wenn er sich nicht rasch am Zaun festgehalten hätte, wäre er auf Nimmerwiedersehen fortgeblasen worden. Zugleich ließ sich ein über alle Maßen großer Adler vor ihm nieder.
»Du kommst scharf daher«, sagte der Soldat.
»Ich komme so, wie du mir pfeifst«, sagte der Adler.
Da fragte der Soldat, ob der Adler ihm einen guten Rat geben könnte, wie man aus der Welt, in der sie nun seien, hinauskommen könne.
»Hier kommt keiner hinaus, der nicht fliegen kann«, sagte der Adler. »Aber wenn du zwölf Ochsen für mich schlachten willst, dass ich mich ordentlich sattessen kann, dann will ich probieren, ob ich dir helfen kann. Hast du ein Messer?«
»Nein, aber ich habe ein Schwert.«
Nachdem sich der Adler an den zwölf Ochsen gestärkt hatte, befahl er dem Soldaten, noch einen als Mundvorrat zu schlachten. »So oft ich gähne, musst du mir rasch ein Stück in den Schnabel hineinwerfen«, sagte der Adler, »sonst gelange ich nicht mit dir hinauf.«
Nun ja, der Soldat tat, wie ihm befohlen war; er hängte dem Adler zwei große Säcke voll Fleisch um den Hals und sprang selbst zwischen die Federn. Dann breitete der Adler die Flügel aus, und nun ging es schnell wie der Wind davon, dass es nur so sauste. Der Soldat hatte genug zu tun, sich festzuhalten; nur mit Mühe und Not konnte er auch noch dem Adler die Fleischstücke in den Schlund werfen, so oft der den Schnabel aufriss. Schließlich wurde es heller und heller über ihnen, doch da war der Adler am Versagen; er schlug mit den Flügeln, aber rasch ergriff der Soldat die letzte Hinterkeule und warf sie ihm in den Schlund. Da bekam er wieder Kraft und gelangte mit ihm hinauf; und nachdem der Adler sich eine Weile auf einem großen Tannenwipfel ausgeruht hatte, flog er weiter über Länder und Meere, so rasch wie der Blitz.
Dicht beim Königsschloss stieg der Soldat ab, und der Adler flog wieder heim; aber vorher sagte er noch, wenn der Soldat irgendeinen Wunsch habe, solle er nur die Pfeife ertönen lassen, dann komme er gleich.
Indessen war man im Schloss mit den Festvorbereitungen fertig geworden, und die Zeit war da, wo der Hauptmann und der Leutnant mit den beiden ältesten Prinzessinnen Hochzeit machen sollten. Aber diese beiden waren nicht froher als die Jüngste; es verging kein Tag, an dem sie nicht trauerten und weinten, und je näher der Hochzeitstag herankam, desto trauriger wurden sie. Schließlich fragte sie der König, was ihnen denn fehle; es kam ihm zu sonderbar vor, dass sie sich jetzt nicht froh und lustig zeigten, nun, wo sie doch frei und erlöst waren und so gut verheiratet werden sollten. Ja, etwas mussten sie sagen, und so sagte die Älteste, sie könnten nie wieder froh werden, wenn sie nicht so ein Schachspiel bekommen könnten, wie sie eines in dem blauen Berg gehabt hätten.
Der König meinte, er könne es ihnen wohl verschaffen, und so ließ er an die besten und geschicktesten Goldschmiede im Land den Befehl ergehen, ein solches Schachspiel mit goldenen Figuren für die Prinzessinnen anzufertigen. Aber so viele es auch versuchten, keiner war fähig, ein solches Spiel zu verfertigen. Schließlich waren keine Goldschmiede mehr übrig außer einem, und das war ein alter, gichtbrüchiger Mann, der seit vielen Jahren nichts als ein paar Silberarbeiten zusammengepfuscht hatte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zu diesem ging der Soldat und verdingte sich als Lehrling bei ihm, und der Alte war sehr froh, dass er einen Lehrling hatte – denn er hatte seit Jahr und Tag keinen mehr gehabt – er suchte aus seiner Truhe eine Buddel hervor und begann mit dem Soldaten zu trinken. Es dauerte auch nicht lange, da war ihm der Branntwein zu Kopf gestiegen, und als der Soldat das merkte, redete er ihm zu, doch zum König zu gehen und sich zu verpflichten, das Spiel für die Königstöchter herzustellen. Dazu war der Alte auf der Stelle bereit; er sagte, er habe in seinem Leben Sachen gemacht, die mindestens ebenso schön und prächtig gewesen seien.
Als der König hörte, es sei einer draußen, der so ein Schachspiel herstellen könne, kam er rasch heraus.
»Ist es wahr, was meine Leute sagen? Kannst du so ein Spiel anfertigen, wie meine Töchter eins haben wollen?«, fragte er.
»Ja, das ist nicht gelogen«, antwortete der Goldschmied; und dabei blieb er.
»Gut«, sagte der König. »Hier hast du Gold; daraus kannst du das Spiel machen. Aber wenn du es nicht zustande bringst, dann kostet es dich dein Leben, weil du dich selbst angeboten hast. Und in drei Tagen muss es fertig sein.«
Am nächsten Morgen, als der Goldschmied seinen Rausch ausgeschlafen hatte, war er nicht mehr so stolz. Er weinte und gebärdete sich wie wild und schalt den Lehrling aus, der ihn so ins Unglück gebracht habe. Es wäre am besten für ihn, wenn er sich auf der Stelle umbrächte, sagte er, denn mit dem Leben komme er keinesfalls davon; wenn nicht einmal die besten und ersten Goldschmiede ein solches Spiel machen könnten, dann sei es ganz gewiss nicht wahrscheinlich, dass er es zustande bringe.
»Jammre nicht darum, sondern gib das Gold her, »sagte der Soldat. »Ich werde das Spiel anfertigen. Aber ich will eine Stube, wo ich ganz allein arbeiten kann«, sagte er.
Nun, er bekam die Stube und noch schönen Dank obendrein.
Aber die Zeit verging und verging. Nichts tat er, nichts als faulenzen, und der Goldschmied schalt ihn aus, weil der Lehrling seine Arbeit durchaus nicht anfing.
»Mach dir ja keinen Kummer darüber«, sagte der Soldat. »Es ist noch lange bis zur festgesetzten Stunde. Wenn du mit dem, was ich versprochen habe, nicht zufrieden bist, kannst du ja das Spiel selbst machen.«
So ging es fort, an diesem Tag und am nächsten, und da aus der Stube des Lehrlings auch am letzten Tag kein Geräusch von Hammer oder Feile herausdrang, war der Goldschmied ganz verzweifelt, denn nun sei keine Rede mehr davon, dass er mit dem Leben davonkomme, meinte er.
Aber als die Nacht anbrach, machte der Soldat das Fenster auf und ließ seine Pfeife ertönen. Da kam der Adler herbei und fragte, was er wolle.
»Das goldene Schachspiel, das die Königstöchter in dem blauen Berg gehabt haben«, sagte der Soldat. »Aber du möchtest wohl vorher etwas zum Fressen haben. Drüben in der Scheune liegen zwei geschlachtete Ochsen für dich, die darfst du nehmen«, sagte er.
Nachdem der Adler sich die Ochsen zu Gemüte geführt hatte, hielt er sich nicht weiter auf; und lange bevor die Sonne aufging, war er mit dem Spiel wieder da. Der Soldat schob es unter das Bett und legte sich schlafen.
Um acht Uhr am nächsten Morgen kam der Goldschmied und polterte an die Kammertür. »Du bist ein schrecklicher Umtreiber!«, sagte der Soldat. »Den ganzen Tag läufst du wie toll umher, und jetzt lässt du einem nicht einmal seine Nachtruhe. Da soll einer Lehrling sein!«, sagte er. Aber diesmal half weder Bitten noch Betteln; der Goldschmied sagte, er wolle und müsse durchaus hinein, und schließlich wurde der Riegel geöffnet.
Ei ja, da hatte natürlich aller Jammer ein Ende.
Aber noch froher als der Goldschmied waren die Prinzessinnen, als er mit dem Spiel in das Königsschloss kam, am frohesten von allen aber war die Jüngste.
»Hast du selbst das Spiel angefertigt?«, fragte sie.
»Nein, ich muss gestehen, das habe ich nicht getan«, sagte er, »sondern mein Lehrling.«
»Diesen Lehrling möchte ich wohl sehen«, sagte die Königstochter. Ja, alle drei wollten ihn sehen, und wenn ihm sein Leben lieb sei, solle er gleich kommen.
O, er fürchte sich weder vor Frauenzimmern noch vor den Vornehmen, meinte der Goldschmied. Und wenn es ihnen Spaß mache, sich seine Lumpen zu betrachten, so könnten sie gern ihre Neugierde befriedigen.
Die jüngste Königstochter erkannte ihn sogleich; sie schob die Wache auf die Seite, lief zu ihm hin, reichte ihm die Hand. »Guten Tag und willkommen! Hier ist der, der uns von den Bergtrollen erlöst hat«, sagte sie zu dem König, »den will ich haben.« Und dann nahm sie ihm die Mütze ab und zeigte den Umstehenden den Ring, den sie ihm ins Haar geknüpft hatte.
Ja, nun kam es an den Tag, wie der Hauptmann und der Leutnant sich benommen hatten, und nun mussten sie mit dem Leben dafür büßen; das war das Ende vom Lied. Aber der Soldat bekam die goldene Krone und das halbe Königreich und machte Hochzeit mit der jüngsten Königstochter. Und da wurde getrunken und geschmaust, dass es eine Art hatte; denn Feste feiern konnten alle, wenn sie auch die Prinzessinnen nicht hatten erlösen können; und wenn sie noch nicht alles getrunken haben, dann sitzen sie wohl noch beisammen und trinken und schmausen immer noch.