Archive

Adventskalender 2024 – 9. Türchen

Die drei Bergleute im Kuttenberg
Nach den Gebrüdern Grimm

In Böhmen liegt der Kuttenberg, darin arbeiteten drei Bergleute über viele Jahre hinweg und trugen damit zum Lebensunterhalt ihrer Familien bei. Wenn sie morgens in den Berg gingen, so nahmen sie dreierlei mit: erstens ihr Gebetbuch, zweitens ihr Licht, aber nur auf einen Tag mit Öl versehen, drittens ihr Bissen Brot, das reichte auch nur für einen Tag. Vor Arbeitsbeginn sprachen sie ein Gebet zu Gott, dass er sie in dem Berg bewahren möge, und begannen dann getrost und fleißig mit der Arbeit. Als sie einen Tag gearbeitet hatten und es bald Abend war, geschah etwas Unerwartetes: Der Berg vorn fiel ein und der Eingang wurde verschüttet. In ihrer Not meinten sie, begraben zu sein, und äußerten ihre Besorgnis, nun Hungers sterben zu müssen. »Wir verfügen lediglich über Vorräte für einen Tag, sowohl was das Brot als auch das Öl für das Licht betrifft.« In ihrer Not befahlen sie sich Gott und waren bereit, zu sterben, wenn es sein Wille wäre. Doch sie wollten nicht untätig sein, solange sie noch Kräfte hätten. So arbeiteten sie unermüdlich weiter und beteten. So verstrichen die sieben Jahre, während deren Licht und Brot gleichermaßen Bestand hatten, ohne dass jemand starb. Allerdings hatten sie keine Möglichkeit, sich zu rasieren oder den Bart zu stutzen, sodass dieser über die Jahre hinweg immer länger wurde. Die Frauen waren derweil überzeugt, dass ihre Männer gestorben waren und sie sie nie wieder sehen würden. Infolgedessen hegten sie den Wunsch, andere Ehemänner zu finden.

Einer der drei wünschte sich unter der Erde, tief im Inneren, sehnsüchtig, noch einmal das Tageslicht zu sehen. Er war bereit, dafür zu sterben.

Der Zweite sprach: »Ach, könnte ich noch einmal daheim mit meiner Frau zu Tisch sitzen und essen, so wäre das ein Wunsch meinerseits, den ich gerne erfüllt haben möchte.«

Da sprach auch der Dritte: »Ach, könnte ich nur noch ein Jahr in Frieden und Vergnügen mit meiner Frau verbringen, so wäre das ein Wunsch meinerseits, den ich gerne erfüllt haben möchte.«

Nachdem sie diese Worte gesprochen hatten, geschah etwas Unerwartetes: Der Berg begann zu beben und zu wanken, und schließlich sprangen seine Gipfel auseinander. Der Erste von ihnen ging unverzüglich zur Spalte, um nachzusehen, was geschehen war. Zu seiner großen Überraschung bot sich ihm ein Anblick, der alle seine Erwartungen übertraf: Er sah den blauen Himmel. Und wie er sich am Tageslicht erfreut hatte, verstarb er augenblicklich. Der Berg öffnete sich zunehmend, wodurch der Riss allmählich größer wurde. Schließlich gelang es den beiden anderen, sich einen Weg nach draußen zu bahnen, indem sie sich Treppen hackten und kletterten. Schließlich machten sie sich auf den Weg in ihre Dörfer und Häuser, in der Hoffnung, dort auf ihre Frauen zu treffen. Doch diese wollten sie nicht wiedererkennen.

Sie fragten: »Habt ihr denn keine Männer gehabt?«

»Ja«, antworteten sie, »aber die sind bereits seit sieben Jahren tot und wurden im Kuttenberg begraben.«

Der Zweite sprach zu seiner Frau: »Ich möchte gerne dein Ehemann sein.«

Allerdings wollte sie ihm zunächst nicht glauben, da er einen sehr langen Bart hatte und sie ihn nicht erkannte.

Er bat sie, ihm ein Bartmesser und ein Stück Seife zu holen, das er oben im Wandschrank finden würde.

Schließlich nahm er sich den Bart ab, kämmte und wusch sich und als er damit fertig war, erkannte sie, dass es ihr Mann war. Sie war überaus erfreut, holte Essen und Trinken, so gut sie es hatte, deckte den Tisch. Sie nahmen gemeinsam Platz und ließen sich die mitgebrachten Speisen schmecken. Als der Mann jedoch seinen letzten Bissen Brot gegessen hatte, verlor er das Bewusstsein und verstarb.

Der dritte Bergmann hatte das Privileg, ein ganzes Jahr in Stille und Frieden mit seiner Frau zusammenzuleben. Als der Zeitpunkt gekommen war, fiel er und seine Frau mit ihm tot hin, genau zu der gleichen Stunde, zu der er aus dem Berg gekommen war. So erfüllte Gott ihre Wünsche, die aus ihrer tiefen Frömmigkeit heraus entstanden waren.