Das Pferdeei
Es war einmal ein Bauer, der hieß Bartel; der ging zu Markte in die Stadt. Wie er so in der Stadt herumschlenderte, sah er da einen Händler sitzen, der hatte ein pfiffiges Gesicht und guckte so schief und schabernäckisch und hatte dazu seinen alten Filzdeckel so schief auf dem rechten Ohr, dass Bartel wie gebannt stehen blieb und den braunen Wetterkerl anstarrte.
»Grüß dich Gott, Nachbar«, schnarrte der Geselle und zeigte lachend die weißen Zähne unter dem pechschwarzen Bärtchen. »Eine Prise gefällig?«
Er streckte ihm mit der braunen Hand eine Horndose hin. Bartel, der am liebsten weitergegangen wäre – er wusste nicht, warum –, langte zu. Er wusste wieder nicht, warum, nieste und schnäuzte sich umständlich und grinste dann, um was zu sagen.
»Was hast du feil, guter Freund?«
»Hier, sieh selbst«, sprach der Händler und schlug von einem Korb eine Decke zurück. Drinnen lagen zwei goldgelbe Kürbisse.
»Bruder, was sind das für Dinger?«
»Was wird es sein? Das siehst du ja, Pferdeeier halt!«
»Pferde… was?«
»Ei, nun ja, ich glaube, du hast noch keine Pferdeeier gesehen.«
»Ei, nicht doch, Bruder, freilich doch, gewiss, natürlich! Pferdeeier, was sonst?«
Sie schwiegen. Der Braune guckte wie gelangweilt gen Himmel. Der Bauer druckste. »Sag mal – hm, Bruder, die sind wohl sehr teuer, he, die Pferdeeier?«
»Je nun«, sagte der Fremde gleichgültig, »das Landesübliche. Freilich das Größte da mit den grünen Streifen, das kann ich bei den teuren Zeiten nicht unter zehn Taler lassen; gibt aber einen prächtigen Fuchs.«
»Hm, so, so, zehn Taler«, sagte Hans. Denn ob es ihn gleich wenig bedeuchte für einen Fuchs, wollte er doch den Gewitzten spielen und wog den Kopf leise hin und her.
»Zehn Taler unter Brüdern, keinen Heller darunter!«, rief der andere.
»Topp!«, rief Bartel, lieh sich das Geld und erstand das Pferdeei.
Nun – er kraulte sich hinter den Ohren – wollte er auch genau wissen, wie so ein Ding ausgebrütet würde.
Sagte ihm der andere, das müsse er fein selbst tun, und vier Wochen dauere es um und um; während der Zeit dürfte er aber beileibe niemals davon aufstehen oder müsse er es ja ab und an, so möge er es doch ja nur recht warm zudecken, dass es sich nimmer abkühle.
»Lass dich, guter Freund, die ganze Zeit von deiner Frau füttern, hörst du, und gut und reichlich, damit du eine recht hitzige Brut hast.«
Bartel, der sich sorglich jedes Wort eingeprägt hatte, kam in heller Freude heim zu seiner Frau.
»Denk dir, Alte, was ein Glück! Und nur um zehn lumpige Taler! Ich habe aber auch nicht schlecht gehandelt, glaub du mir das; den Kerl hab ich tüchtig geprellt!«
Nun konnte er es gar nicht erwarten, bis sein Nest hergerichtet war. Die Frau legte ihm ein paar Bund Stroh in dem Stall zurecht; in die Mitte in eine Vertiefung wurde behutsam das kostbare Ei gesenkt; dann setzte sich Bartel drauf und nistelte sich ein. Dann packte die Frau ihm noch eine Last Stroh um den Leib, dass er kaum mit den Achseln heraussah, auf dass er eine recht hitzige Brut hätte. Dann wurde er von der Frau brav gefüttert und gefreckst.
Ob es ihm alleweil behaglich war, weiß ich nicht, doch die Zeit wurde tapfer ausgehalten.
Die vierte Woche ging zu Ende, da sprang er auf, lahm im Kreuz und rostig in allen Gelenken, horchte an dem Ei, klopfte dran, doch der Fuchs wollte sich nicht rühren.
»Hü!«, sagte Bartel.
Das Kutschpferd rührte sich nicht. Da konnte er seine Ungeduld nicht länger zügeln, nahm das Ei, ging hinters Haus damit, wo ein großer Stein lag, gegen den warf er es. Da der Kürbis innen schon ganz verfault war, so flogen die Stücke weit umher, und eins fiel in ein dichtes Brombeergesträuch, dahinter just ein Fuchs lag und schlief.
Hui, sprang Meister Reineke auf und fegte davon.
Da glaubte Bartel, es sei sein rotes Fohlen, und rief immer: »Hiss! hiss!«, und meinte: »Wenn es müde wird, wird es wohl zurückkommen.«
Es kam aber nicht. O, wie hat die Frau ihren Bartel ausgescholten, dass er so ein ungeduldiger, kindischer Fant, und er werde halt nie gescheit, und wenn er hundert Jahre alt würde. Da nahm sich Bartel vor, wenn er wieder ein Pferdeei bebrüte, solle ihm das gewiss nicht widerfahren. Ob er es nochmal versucht und ob er mehr Glück dabei hatte, weiß ich nicht zu sagen.