Des Teufels Reise durch einen Teil des Protestantismus 05
Des Teufels Reise durch einen Teil des Protestantismus
Aufzeichnungen einer hochgestellten Person
Verlag von Wilhelm Jurany. Leipzig. 1847
Neue Musterung einiger Schriften
In diesem stillen Augenblick langte Eminenz nach der evangelischen Kirchenzeitung von Herrn Professor Doktor Hengstenberg. Es war das Septemberheft 1844 hingelegt. Er blätterte eine Weile, fasste Seite 561 den rechten Standpunkt ins Auge, las, die Stirn faltete sich, die Mundwinkel verzogen sich und aus tiefer Seele kam der Seufzer: »Wenn er Guerike!« Er schlug das Blatt um, überschaute Seite 571. »Ha! Erklärung aus Köthen gegen die Rede des Pastors Wislicenus. Ich will doch sehen, was die Bürger in Köthen, wo ich früher einen so guten Freund und Anhänger hatte, unter dem 20. August geschrieben haben.« Er las still und eifrig. »Das verfluchte Sachsen, in diesen Worten macht sein Zorn sich endlich laut. Es ist doch immer ein sonderbares Wespennest gewesen. Jetzt halten sie dort sogar Volksversammlungen! Und das geht von dem Uhlich aus? Ich will doch Näheres über diese Sache einziehen. Ei, hier Seite 577 ist ja wieder etwas über Wislicenus. Ich muss doch Herrn Hengstenberg alle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er ist so sorgfältig solche Gräuel gleich bei der Geburt zu fassen, um sie zu erdrücken, ehe sie atmen gelernt haben. Das Ding ist von Fr. Liebetrut, Pastor zu Wittbrietzen. Kenn ich diesen nicht schon? Ich will ihn besuchen für den Freimut, mit welchem er das träge Provinzialkonsistorium anficht. Er hat recht, die militärischen Subordinationsverhältnisse müssen auch unter den Geistlichen einheimisch werden, wenn nicht alles auseinanderschwärmen soll. Damit lässt sich alles wie in einer Kaserne zusammenhalten. Jetzt fliegen und schwärmen sie wie die Bienen auf allen Bergen und in allen Tälern umher. Ich muss doch sehen, ob nicht noch mehr Neuigkeiten sich hier vorfinden … Ist der Anderbecker Eichenkloben schon wieder da? … Was ist hier von ihm?« Er liest. »Nein, so geht es nicht! Dieser Mensch ist zu protestantisch! Da müssen sich noch mehrere meiner Krieger gegen ihn aufmachen. Guerike allein wird mit ihm nicht fertig, das sehe ich schon. Was ist das, dass sein Amtsgenosse Tholuck von mir noch nicht gehört ist? Ist er ängstlich geworden? Steht er nicht mehr fest in seinem Glauben? Man hat es mir schon lange von ihm geschrieben. Er studiert zu viel und das hat mir nie so recht an ihm gefallen! Wer konnte denn gegen diesen Dorfpastor vorgeschickt werden? Es ist doch wirklich ärgerlich, dass nicht schon mehr Leute gegen ihn ausgetreten sind. Wäre dazu nicht Müller aus Halle gut? … Nein, nein! Der ist dazu gar nicht gemacht. Hahn kann auch nicht vorgeschickt werden. Der vergaloppiert sich immer in der Schlacht und gerät zu oft in Gefangenschaft. Dieser Bernhard König macht mir Sorgen. Seine Broschüren gehen regimenterweise nach allen Enden in der Welt, nach dem stillen, aber klugen Darmstadt, nach dem abgemessenen und höfischen Dresden, nach dem ewig druckenden und ewig schreibenden Leipzig, nach dem gottlosen Hamburg, nach dem unruhigen Breslau, nachdem verlorenen Königsberg und nach dem ketzerreichen und ketzerliebenden Magdeburg. Die Dinger erleben zwei, drei, vier Auflagen! Solch Glück würden ja nicht einmal die Gedichte, welche ein König und Fürst herausgeben würden, erleben. Es ist in etwas offenbar gefehlt … Was ist denn hier noch mehr?« Er liest: »Ernst in der Freude und Nüchternheit in der Begeisterung. Zur dreihundertjährigen Säkularfeier Albertinas von einem ihrer Söhne aus den Jahren 1815 bis 1819. Motto: Und die sich freuen, als freuten sie sich nicht.« Er legt das Blatt fort. »Ha, das ist wieder von den wilden Königsbergern! Von den Freiheitsschwärmern will ich in diesem Augenblick nichts wissen. Das ist der Punkt, an welchem alle meine Betrübnis sich zusammendrängt.«
Satanas wurde in seinem Monologe unterbrochen, indem Versutio hineintrat. Er zog aus seinem Busen die Brieftasche, öffnete dieselbe und übergab seinem Herrn die eingegangenen Briefe, welche von verschiedenen Orten nah und fern hierher an die Frau Generalin, seine geheime Agentin, nach der Adresse des ersten Kuverts einpassiert waren. So wie dieses abgezogen war, sah man die zweite Adresse, nämlich an Se. Eminenz, Herrn Satanas gegenwärtig in B.
Versutio entfernte sich sogleich nach Überreichung dieser Papiere. Satanas betrachtete zuerst einen Brief nach dem anderen aufs Sorgfältigste, prüfte Siegel und Adresse genau und begann nach und nach die Öffnung desselben.
Er las, wie folgt.