Die Gespenster – Vierter Teil – 24. Erzählung
Die Gespenster
Kurze Erzählungen aus dem Reich der Wahrheit von Samuel Christoph Wagener
Allen guten Schwärmern, welchen es mit dem Bekämpfen und Ablegen beunruhigender Vorurteile in Absicht des Geisterwesens ernst ist, liebevoll gewidmet von dem Erzähler Friedrich Maurer aus dem Jahr 1798
Vierter Teil
Vierundzwanzigste Erzählung
Der betende Mönchsgeist
Ein Prediger im Halberstädtischen – so erzählen die für Volksaufklärung und Menschenwohl so tätigen Herausgeber der dortigen neuen gemeinnützigen Blätter, unter dem 28. Juli 1793 – wurde vor mehreren Jahren zuweilen von einem Offizier besucht, mit dem er Bekanntschaft hatte. Eines Abends, als dieser zum Besuch bei ihm war, fiel das Gespräch auch auf Erscheinungen und Gespensterfurcht. Der Offizier, der von keiner Furcht zu wissen versicherte, und durch die Art, wie er dies tat, eben nicht bewies, dass es ihm wirklich nicht an jener Entschlossenheit und Kaltblütigkeit fehle, ohne welche niemand mit Geistern eine Lanze brechen sollte, äußerte sehr undelikat und prahlhaft den Wunsch, dass ihm nur einmal ein Geist in den Wurf kommen möchte, usw.
Von dieser unbescheidenen Sprache musste, dem Anschein nach, der Böse etwas vernommen haben; denn wie der Offizier zu Bett gehen wollte, und sein Schlafzimmer öffnete, begriff er nicht, woher es da schon hell war. Er ging ein paar Schritte weiter vorwärts und erblickte hinter dem Ofen vor einem großen Chorbuch einen knienden Mönch, mit Lichtern um sich her, der, ohne sich durch ihn im Geringsten stören zu lassen, deutungsreiche Bewegungen machte und seine Andacht zu haben schien.
Auf eine solche Erscheinung war der gute Mann nicht gefasst. Ja wäre ihm der Böse, etwa als ein alter Ritter erschienen und hätte ihm den Eingang ins Zimmer streitig machen wollen, dann freilich würde er seine Pflicht genauer gekannt und gewiss nicht unterlassen haben, ihr zu genügen. Diese wehrlose Gestalt hingegen hatte seine Tapferkeit so ganz entwaffnet, dass er es für das Beste hielt, den Kampfplatz zu räumen.
Man wunderte sich daher unten im Haus nicht wenig, ihn, der kaum hinaufgegangen war, die Treppe schon wieder herunterkommen zu hören, und erschrak, als man von seiner totenblassen Farbe auf etwas Außerordentliches, das ihm widerfahren sein müsse, schließen musste! Er erzählte hierauf sein Abenteuer; und der Prediger, der von einem spukenden Mönch in seinem Haus noch nie das Geringste gesehen oder gehört hatte, ging selbst mit ihm hinauf. Aber, war sein Schrecken das erste Mal groß gewesen, über das, was er gesehen hatte, so war es nun fast noch größer, als er vom Mönch und Psalter und von den Lichtern im ganzen Zimmer, auch nicht die entfernteste Spur mehr entdeckte. Den folgenden Morgen fand man ihn krank, und die Krankheit entwickelte sich bald zu einem hitzigen Fieber!
So schlimm war es aber denn doch nicht gemeint gewesen, und die Sache bekam daher nun folgende Auflösung. Der Prediger hatte mehrere Söhne, deren einem die tapferen Worte ihres Gastes so spaßhaft vorgekommen waren, dass er seinen Heldenmut auf die Probe zu stellen beschloss. Mit einem Betttuch, einem Folianten aus seines Vaters Bibliothek und ein paar Lichtern waren die Kosten der obigen Gaukelei bestritten gewesen. Wie aber der kleine Schauspieler nun sah, dass sein Scherz so gefährliche Folgen hatte, schlug ihm das Gewissen, und er beichtete seine ganze Sünde. Damit war indessen die Sache keineswegs schon wieder gut gemacht. Nein, der Kranke versicherte vielmehr, er wisse die Gutmütigkeit zwar sehr zu schätzen, nach welcher man ihm mit einer solchen Erklärung das Wunderbare des Gesichtes nur ausreden wolle; allein das, was man ihm da von einer natürlichen Gaukelei vorschwatze, sei die Sache gewiss nicht gewesen!
Noch mehr! Der Erfinder selbst machte dem Kranken den ganzen Mummenschanz mit demselben Laken, Buch und den nämlichen Zurüstungen noch einmal vor seinem Bett vor. Aber umsonst! Unser Held blieb steif und fest dabei: Man möge ihm mit solchen Possen wegbleiben, die man seiner Erzählung nur nachahme; er selbst müsse doch wohl am besten wissen, was er gesehen habe!
So sehr war ihm eben dasselbe, vorher unvermutet und im Schrecken, nun kaltblütig und mit Überlegung gesehen, verschieden vorgekommen. Und das ist gewiss der Fall bei tausend und aber tausend vermeinten Erscheinungen gewesen!
Dem Erzähler war dies Geschichtchen darum immer vorzüglich merkwürdig, weil es die Gewalt der einmal in Schrecken gesetzten Einbildungskraft so deutlich beweist, dass man an diesem einem Beispiel, statt aller anderen, genug haben kann, um zu begreifen, wie wenig das oft Glauben verdient, was ein Mensch in solchem Zustand mit eigenen Augen gesehen und mit seinen Ohren gehört zu haben versichert.
Schreibe einen Kommentar