Vergessene Helden 18
Top Gun, wer kennt den bis heute finanziell erfolgreichsten Militär-Film des 20. Jahrhunderts nicht? Jerry Bruckheimers Fliegerschmonzette zählt dank triefender Klischees und kerosinsprühender Actionatmosphäre zu den Kultfilmen des Kinos der 80er Jahre.
Hatten früher Schwarzenegger oder Rambo Stallone das Actiongenre beherrscht, waren es jetzt Tom Cruise und Val Kilmer. Muskelmänner fürs Grobe waren out, stattdessen waren jetzt Helden gefragt, die nicht nur am Strand die Blicke der Frauen auf sich zogen. Diese beiden Protagonisten, gepaart mit einer Portion Technik und Kameradschaft im Kampffliegermilieu für die männlichen Kinobesucher und einer Lovestory für die Damenwelt, und schon war ein neues Actiongenre geboren, das die Kinokassen klingeln ließ.
Hollywood rühmte sich, sozusagen das Rad neu erfunden zu haben, was bei einem Budget von 15 Millionen Dollar und einem weltweiten Einspielergebnis von knapp 400 Millionen nicht verwunderte.
So weit, so gut, nur hat die Sache einen Haken.
Military Abenteuer mit F-14 Kampf Bombern oder Düsenjägern gepaart mit smarten Helden waren beileibe keine Erfindung der Filmindustrie. Als Top Gun im August 1986 über die Leinwand flimmerte, war diese Abenteuergattung schon längst ein alter Hut. Ein junger Pilot der United States Air Force, kurz USAF genannt, hatte in diesem Metier bereits im Comicgenre für Furore gesorgt und das, noch bevor Tom Cruise geboren, geschweige denn der Film Top Gun überhaupt erschienen war.
Buck Danny war zu diesem Zeitpunkt schon seit beinahe 40 Jahren im Einsatz und er ist es wohlgemerkt heute immer noch. Man kann also durchaus behaupten, dass dieser jener so etwas wie der Ursprung der Fliegeraction war, sozusagen der Vater von Top Gun.
Bedauerlicherweise ist dieser Held außer bei Comiclesern und Anhängern von Fliegerabenteuern, deren Anzahl leider immer geringer wird, inzwischen so gut wie vergessen. Ein Umstand, den der gute Buck nicht verdient hat. Deshalb ist es fast eine Pflicht, ihn in die Kolumne der Vergessenen Helden aufzunehmen, um so erneut an ihn zu erinnern.
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Kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam Georges Troisfontaines, seines Zeichens seit den 1930er Jahren Zeichner und Autor im weltbekannten belgischen Comicverlag Spirou, auf die Idee, mithilfe eines halbdokumentarischen Comics die Geschichte des Pazifikkrieges der Jahre 1941/1942 nachzuerzählen. Protagonist dieser Chronik wurde der von ihm erdachte Marineflieger Buck Danny, dessen fiktive Abenteuer er stets mit historischen Begebenheiten verwebte, wie zum Beispiel den Untergang der USS Yorktown.
Troisfontaine war allerdings kein Militärexperte, weshalb er schon bald Probleme bekam, die auf Tatsachen basierende Serie realistisch und vor allen Dingen historisch genau weiterzuführen. Aus diesem Grund schied er bereits nach dreizehn der auf hundert angelegten Seiten der ersten Geschichte schon wieder aus und übergab dem 23-jährigen Jean-Michel Charlier und dem gleichaltrigen Zeichner Victor Hubinon seine Arbeiten.
Die Geschichte wurde dann zwischen 1947 und 1948 episodenweise im Spirou-Magazin abgedruckt und schließlich mit riesigem Erfolg in den zwei Alben Les japs attaquent und Les mystéres de midway, im deutschen als Schlacht in der Korallensee und das Wunder von Midway publiziert. Zwischen 1948 und 1951, genauer gesagt in den Alben 3 bis 6, führten die beiden dann mit Sonny Tuckson und Mike Tumbler zwei sogenannte Sidekicks in der Serie ein, bei denen vor allem der schmächtige Texaner Tuckson für die Humorsparte zuständig war, indem er regelmäßig in diverse Öl- oder Farbeimer trat, durch extravagante Bekleidung auffiel, die man eher bei Faschingsumzügen vermutete, oder vom Hund des Flugzeugträgerkommandanten, auf dessen Flugzeugträger sie stationiert waren, ins Hinterteil gebissen wurde.
Die nächsten Alben 7 bis 9 spielten in der Nachkriegszeit, in der die drei Freunde nicht mehr als Marinepiloten dienten, sondern im Nahen Osten in Intrigen verwickelt waren. In Album 10 traten sie als Testpiloten in die Air Force ein und danach dienten sie 1953 im Koreakrieg.
Das sollte sich jedoch als keine gute Idee herausstellen.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war die französische Regierung im höchsten Grade sensibilisiert, was Kriegsabenteuer anbelangte, und damit auch die Zensurbehörden. Nach den beiden Weltkriegen jetzt auch noch den Koreakrieg als Hintergrund für irgendwelche Abenteuergeschichten zu benutzen, war ein absolutes No-Go.
Charlier bekam dermaßen Schwierigkeiten, dass er fortan die drei Piloten nie wieder bei irgendwelchen Kriegseinsätzen mitwirken ließ. Das besagte Album Sabre über Korea konnte erst fünfzehn Jahre danach veröffentlicht werden. Mit dem dreizehnten Album Un avion nést pas rentre´, in Deutschland unter dem Titel Flugzeugträger Valley Forge erschienen, ließ Charlier Buck Danny und seine Freunde als USAF Piloten zur US Navy abkommandieren, wo sie fortan auf einem Flugzeugträger stationiert wurden, von wo aus sie Abenteuer in aller Welt wie beispielsweise in der Arktis, in Malaysia, im Pazifik oder in der Karibik erlebten.
Zusätzlich erschuf das Duo Charlier/Hubinon mit Lady X, der Anführerin einer weltweit tätigen Spionageorganisation, eine Dauerschurkin, die bis heute als Gegenspielerin von Buck Danny agiert.
Das war 1955, danach zeichnete und textete das Duo noch mehr als zwei Dutzend weitere Alben, bis Victor Hubinon 1979 im Alter von erst 54 Jahren kurz nach der Veröffentlichung von Ghost Queen, Album Nummer 40, überraschend verstarb. Danach erschien kein weiteres Album mehr, bis Charlier im Jahr 1983 mit Francise Bérgese einen neuen Zeichner fand, mit dem er bis 1988 vier weitere Alben erschuf. Ein fünftes Album blieb unvollendet, da Charlier im Jahr Frühjahr 1989 erkrankte und noch im Juli desselben Jahres im Alter von 64 verstarb.
1993 dann gab es ein Album mit Jaques de Douhet als Texter und Bérgese als Zeichner, danach übernahm Bérgese das alleinige Kommando und textete und zeichnete noch sieben weitere Alben, bis er 2007 in den Ruhestand ging.
Damit, so schien es, ging die Serie ebenfalls in Rente. Aber wie im vorangegangenen Satz erwähnt, es schien nur so. Nach sechzig Jahren war Buck Danny nicht nur in Frankreich oder Belgien, sondern fast in ganz Europa zu einer Legende geworden. Millionen Fans warteten auf eine Fortsetzung, aber die Comicbranche zögerte.
Keiner der Verantwortlichen, egal ob Verleger, Texter oder Zeichner traute sich, die Fußstapfen eines Hubinon, Charlier oder Bérgese waren einfach zu groß. Ein einziger Fauxpas bei einem 40-seitigen Album und der Ruf war dahin. Obwohl viele Jahre vergangen waren, die Sache mit dem Eklat um das Album Sabre über Korea wirkte immer noch nach. Deshalb dauerte es fast sechs Jahre, bis sich der Texter Frédéric Zumbiehl der Serie annahm und ihr unter Mithilfe einer Schar erlesener Künstler, unter anderem Francis Winis und Gil Formosa, neues Leben einhauchte.
Der Erfolg seines Vorhabens gab ihm recht. Inzwischen sind nicht nur Stand heute acht weitere Alben erschienen, sondern seit 2014 auch noch die Spinn-Off -Serie Die neuen Abenteuer von Buck Danny, die im klassischem Serien-Kosmos der 50er und 60er Jahre angesiedelt sind. Auch sie wurden zu einem überwältigendem Erfolg wie die 11 weiteren Alben, die bis heute erschienen sind, beweisen.
Mit einer Laufzeit von inzwischen 77 Jahren (Stand 2024) zählt Buck Danny zu den langlebigsten Comic Reihen im europäischen Raum.
Nachträglich sei noch zu erwähnen, dass Buck Danny in Deutschland unter anderem im Carlsen Verlag, in den Zack Comicheften und in einer eigenständigen Reihe beim Bastei Verlag, ehemals eine Größe im deutschen Comicbereich, erschienen ist, wobei sich damals, 1973 bis 1974 und 1977 bis 1978, gerade der Basteiverlag dabei nicht mit Ruhm bekleckert hat.
Von 38 Alben ließ man 8, hauptsächlich Kriegsabenteuer, einfach weg, danach veränderte man die Reihenfolge der übrigen Episoden so stark, dass es zu schweren Brüchen in der Chronologie kam, und schließlich änderte man auch noch die Schauplätze und Namen. Aus Buck Danny wurde beispielsweise Rex Danny, der Testpilot. Insgesamt alles Dinge, die den meisten Comicinteressierten und Fans der Serie ziemlich sauer aufstießen.
Besser machte es dann Sallecks Publications, also der Eckart Schott Verlag. Er publiziert seit 2011 die Gesamtausgabe von Buck Danny, in der durch aufwendig recherchierte redaktionelle Begleitartikel die komplette Geschichte der Serie dokumentiert wird.
Ein Verlag mit Herzblut, dessen Besitzer Eckart Schott nicht umsonst wegen seiner verlegerischen Tätigkeit 2004 und 2010 mit dem Max und Moritz Preis der Stadt Erlangen und 2005 und 2015 mit dem Münchner Comicpreis ausgezeichnet wurde.
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Manch einer wird jetzt sagen, dass die Behauptung, Buck Danny ist der Vater von Top Gun, eine ziemlich steile These ist, aber wer die Abenteuer dieses Helden kennt, wird, wenn er ehrlich ist, zustimmen.
Im Übrigen gibt es außer Buck Danny noch zwei weitere Fliegerasse, die im Comic-, Buch-, Film- und Fernsehbereich ab 1954 und 1961, also ebenfalls weit vor Top Gun, das Fliegermilieu beherrschten. Aber sie auch noch vorzustellen, würde den Umfang dieser Kolumne sprengen, außerdem sind nach Catweazle und unserem Fliegerass nun mal wieder die Frauen an der Reihe.
Der nächste Beitrag handelt von einer eiskalten Lady, die teilweise sogar einen James Bond in den Schatten stellte.
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