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Die drei Musketiere – Zwanzig Jahre danach – 11. – 14. Bändchen – Kapitel XX

Alexandre Dumas
Zwanzig Jahre danach
Elftes bis vierzehntes Bändchen
Fortsetzung der drei Musketiere
Nach dem Französischen von August Zoller
Verlag der Frankh’schen Buchhandlung. Stuttgart. 1845.

Kapitel XX. Vorsichtsmaßregeln

Mazarin kehrte, nachdem er Anna von Österreich verlassen hatte, nach Rueil zurück, wo sein Haus war. Er marschierte in diesen stürmischen Zeiten mit sehr starker Eskorte und zuweilen auch verkleidet.

Im Hof des alten Schlosses stieg er in seinen Wagen und erreichte die Seine in Chatou. Der Prinz hatte ihm ein Geleit von fünfzig Chevaulegers gestellt. Von Comminges scharf bewacht, zu Pferd und ohne Degen, folgte Athos dem Kardinal, ohne ein Wort zu sagen. Grimaud hatte von der Verhaftung seines Herrn vernommen, als dieser Aramis davon benachrichtigte, und begab sich auf ein Zeichen des Grafen ohne weiteres in Aramis’ Nähe, der mit den anderen Pariser Abgeordneten wieder den Weg zu der Hauptstadt einschlug, ohne sich scheinbar um Athos, der zunächst denselben Weg geführt wurde, zu kümmern.

Jedoch bei der Abzweigung der Rueiler Straße von der Pariser wandte sich Aramis um. Seine Vermutung hatte ihn nicht getäuscht. Mazarin zog rechts, und Aramis konnte den Gefangenen hinter den Bäumen verschwinden sehen. In demselben Augenblick schaute Athos, durch einen ähnlichen Gedanken bewogen, ebenfalls zurück. Die Freunde wechselten ein einfaches Zeichen mit dem Kopf, und Aramis legte seinen Finger wie zum Gruß an den Hut. Athos verstand, dass ihm sein Freund anzeigte, er habe einen Gedanken.

Zehn Minuten danach gelangte Mazarin mit seinem Gefolge in den Hof des Schlosses, das der Kardinal, sein Vorgänger, in Rueil hatte einrichten lassen.

Im Augenblick, wo er den Fuß auf die unterste Stufe der Freitreppe setzte, näherte sich ihm Comminges mit der Frage: »Monseigneur, wo beliebt es Eurer Eminenz, dass wir Herrn de la Fère einquartieren?«

»Im Pavillon der Orangerie, dem Pavillon gegenüber, wo sich der Posten befindet. Man soll dem Grafen de la Fère Ehre erweisen, obgleich er der Gefangene der Königin ist.«

»Monseigneur«, bemerkte Comminges, »er bittet um die Gunst, zu Herrn d’Artagnan gebracht zu werden, der nach dem Befehl Eurer Eminenz im Jagdpavillon der Orangerie gegenüber wohnt.«

Mazarin dachte einen Augenblick darüber nach.

Comminges sah, dass er mit sich zu Rate ging.

»Es ist ein sehr starker Posten«, fügte er bei, »vierzig sichere Leute, erprobte Soldaten, beinahe lauter Deutsche und folglich ohne Verbindung mit den Frondeurs.«

»Wenn wir diese drei Menschen zusammenbrächten, Herr von Comminges«, sagte Mazarin, »so müssten wir den Posten verdoppeln, und wir sind nicht reich genug an Verteidigern, um uns eine solche Verschwendung zu erlauben.«

Comminges lächelte. Mazarin sah dieses Lächeln und verstand es.

»Ihr kennt sie nicht, Herr von Comminges, aber ich kenne sie, einmal durch sie selbst und dann durch ihren Ruf. Ich hatte sie beauftragt, dem Könige Karl Hilfe zu bringen, und sie haben zu seiner Rettung wunderbare Dinge vollbracht. Das Schicksal musste sich darein mischen, dass der gute König Karl nicht zu dieser Stunde in Sicherheit unter uns weilt.«

»Aber warum hält Ew. Eminenz sie im Gefängnis, wenn sie so gute Dienste geleistet haben?«

»Im Gefängnis!«, sprach Mazarin, »seit wann ist Rueil ein Gefängnis?«

»Seitdem Gefangene hier sind«, erwiderte Comminges.

»Diese Herren sind nicht meine Gefangenen«, sprach Mazarin mit seinem verschmitzten Lächeln, »sie sind meine Gäste, so teure Gäste, dass ich ihre Fenster vergittern und Riegel an die Türen ihrer Zimmer machen ließ. So sehr fürchte ich, sie könnten es müde werden, mir Gesellschaft zu leisten. So viel aber ist gewiss, dass ich sie, obgleich sie Gefangene zu sein scheinen, doch sehr hochschätze. Zum Beweis mag dienen, dass ich dem Herrn de la Fère einen Besuch zu machen wünsche, um unter vier Augen mit ihm zu plaudern. Damit wir bei dieser Plauderei nicht gestört werden, führt Ihr ihn, wie ich gesagt habe, in den Pavillon der Orangerie. Ihr wisst, das ist mein gewöhnlicher Spaziergang. Mache ich wieder einen Spaziergang, so trete ich bei ihm ein, und wir plaudern. Obgleich er, wie man behauptet, mein Feind ist, so habe ich doch eine Sympathie für ihn. Benimmt er sich vernünftig, so lässt sich vielleicht etwas tun.«

Comminges verbeugte sich und kehrte zu Athos zurück, der mit scheinbarer Ruhe, aber mit wahrer Unruhe den Erfolg dieser Besprechung erwartete.

»Nun?«, fragte er den Leutnant der Garden.

»Mein Herr«, erwiderte Comminges, »es scheint, es ist unmöglich.«

»Herr von Comminges«, sprach Athos, »ich bin mein ganzes Leben hindurch Soldat gewesen; ich weiß also, was ein Befehl bedeutet; aber außerhalb dieses Befehls könntet Ihr mir einen Dienst leisten.«

»Von Herzen gern, mein Herr«, sprach Comminges. »Ich liebe Mazarin nicht mehr als Ihr, und seitdem ich weiß, wer Ihr seid und welche Dienste Ihr einst Ihrer Majestät geleistet habt, seitdem ich weiß, wie nahe Euch der junge Mensch berührt, der mir so mutig am Tag der Verhaftung des alten Schlingels von Broussel zu Hilfe gekommen ist, erkläre ich mich ganz für den Eurigen, soweit ich nicht einem Dienstbefehl zu folgen habe.«

»Da es nichts ausmacht, dass ich von der Anwesenheit des Herrn d’Artagnan unterrichtet bin, so kann es meiner Ansicht nach ebenso wenig schaden, wenn er erfährt, dass ich mich auch hier befinde.«

»Ich habe in dieser Beziehung keinen Befehl erhalten.«

»Nun wohl, so habt die Güte, ihm tausend Grüße von mir zu sagen und ihm mitzuteilen, ich sei sein Nachbar. Sagt ihm zugleich, dass ich von Herrn von Mazarin in den Pavillon der Orangerie einquartiert worden bin, damit er mir einen Besuch machen kann, und dass ich die Ehre, die er mir erweisen will, benutzen werde, um einige Erleichterung in unserer Gefangenschaft zu erlangen.«

»Welche nicht lange dauern kann«, fügte Comminges bei, »denn der Herr Kardinal hat mir selbst gesagt, es sei hier kein Gefängnis.«

»Wohl aber gibt es hier Fallgruben«, sprach Athos lächelnd.

»Nein, nein!«, erwiderte Comminges, »das würde der Italiener nicht wagen; die Fallgruben von Rueil sind seit zehn Jahren Sagen geworden. Bleibt also unbesorgt an diesem Ort; ich meinerseits werde Herrn d’Artagnan von Eurer Ankunft unterrichten. Werdet Ihr mir die Ehre erweisen, mit mir zu Nacht zu speisen?«

»Ich danke; ich bin schlechter Laune und würde Euch den Abend verderben.«

Comminges führte nun den Grafen in ein Zimmer des Erdgeschosses in einem Pavillon, der noch zur Orangerie gehörte und auf gleicher Höhe mit dieser lag. Man kam dorthin durch einen mit Soldaten und Höflingen angefüllten Hof. Dieser Hof bildete ein Hufeisen; im Mittelpunkt lagen die von Herrn von Mazarin bewohnten Zimmer und an den beiden Flügeln der Jagdpavillon, in dem sich d’Artagnan befand, und der Pavillon der Orangerie, wohin man Athos einquartiert hatte. Hinter diesen Flügeln dehnte sich der Park aus.

Als Athos in das Zimmer gelangte, das er bewohnen sollte, gewahrte er durch das sorgfältig vergitterte Fenster Mauern und Dächer.

»Was für ein Gebäude ist dies?«

»Der hintere Teil des Jagdpavillons, wo Eure Freunde gefangen gehalten werden«, sprach Comminges. »Leider sind die Fenster, die auf diese Seite gehen, zur Zeit des anderen Kardinals verstopft worden; sonst hättet Ihr den Trost, mit Euren Freunden eine Verbindung durch Zeichen zu unterhalten.«

»Ihr habt da etwas schwierige Gefangene zu bewachen, Herr von Comminges«, sagte Athos in der Richtung nach d’Artagnans Gefängnis weisend.

»Schwierig!«, erwiderte Comminges lächelnd, »Ihr wollt mir Bange machen. Am ersten Tag seiner Gefangenschaft hat Herr d’Artagnan alle Soldaten und alle Unteroffiziere herausgefordert, ohne Zweifel, um einen Degen zu bekommen. Dies dauerte den ganzen zweiten, ja auch noch den dritten Tag; dann wurde er aber sanft und ruhig wie ein Lamm. Gegenwärtig singt er gascognische Lieder, über die wir uns beinahe zu Tode lachen.«

»Und Herr du Vallon?«, fragte Athos.

»Ah, bei dem ist es etwas anderes. Ich gestehe, das ist ein furchtbarer Mann. Am ersten Tag hat er alle Türen mit einem einzigen Druck seiner Schulter gesprengt, und ich war darauf gefasst, dass er aus Rueil hinausgehen würde, wie Simson aus Gaza. Aber seine Laune nahm denselben Gang, wie die seines Gefährten, des Herrn d’Artagnan. Jetzt hat er sich nicht nur an seine Gefangenschaft gewöhnt, sondern er scherzt sogar darüber.«

»Desto besser«, sprach Athos, »desto besser!«

»Erwartetet Ihr denn etwas anderes?«, fragte Comminges, der, als er Mazarins Bemerkungen über seine Gefangenen mit der Äußerung des Grafen de la Fère zusammenhielt, einige Unruhe zu verspüren anfing.

Athos seinerseits überlegte, dass die verbesserte Stimmung seiner Freunde ohne Zweifel aus einem von d’Artagnan entworfenen Plan entsprang. Er wollte ihm deshalb nicht durch zu große Anpreisung schaden.

»Ei?«, sagte er, »es sind leicht entzündbare Köpfe; der eine ist ein Gascogner, der andere aus der Picardie. Beide entflammen leicht, erlöschen aber bald. Ihr habt den Beweis davon gehabt, und was Ihr mir erzähltet, dient zur Bestätigung dessen, was ich sage.«

Dies war auch Comminges’ Ansicht. Er entfernte sich ruhiger, und Athos blieb allein in dem großen Zimmer, wo er gemäß dem Befehl des Kardinals mit der einem Edelmann schuldigen Rücksicht behandelt wurde.

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