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Das Gespensterbuch – Achte Geschichte

Das Gespensterbuch
Herausgegeben von Felix Schloemp
Mit einem Vorwort von Gustav Meyrink
München 1913

Rudyard Kipling
Meine selbsterlebte, wahre Geistergeschichte

Diese Geschichte handelt ausschließlich von Geistern. Es gibt in Indien Geister, die die Form von dicken, kalten, klebrigen Leichnamen annehmen und sich in Bäu­men nahe der Straße verbergen, bis ein Reisender vorbeikommt. Dann fallen sie ihm auf den Hals und bleiben da. Es gibt auch furchtbare Geister von Frauen, die im Kindbett ge­storben sind. Diese streichen in der Abenddämmerung die Wege entlang oder verbergen sich in den Getreidefeldern nahe den Dörfern und rufen verführerisch. Aber ihrem Ruf zu folgen, bringt Tod in dieser Welt und in der nächsten. Ihre Füße sind nach rückwärts gekehrt, sodass alle nüchternen Männer sie erkennen können. Es gibt auch Geister kleiner Kinder, die in Brunnen geworfen worden sind. Diese halten sich an Brun­nenmauern und an den Rändern der Dschungel auf und wim­mern unter den Sternen oder fassen Frauen am Handgelenk und bitten, dass man sie trage. Diese und die Leichnamgeister sind jedoch nur eingeborene Artikel und greifen Sahibs nicht an. Von keinem eingeborenen Geist ist bisher authentische Kunde geworden, der einen Engländer erschreckt hätte; aber viele englische Geister haben schon Weißen und Schwarzen die Seele herausgeängstigt.

Fast jede zweite Station besitzt ihren Geist. Zwei sollen sich in Simla befinden, nicht eingerechnet die Frau, die im Dak-Bungalow1 von Siri an der alten Straße den Blase­balg tritt. Massuri hat ein Haus, in welchem ein sehr unruhiges Ding spukt; eine weiße Dame soll rings um ein Haus in Lahore den Nachtwächter machen. Dalhousie behauptet von einem seiner Häuser, dass darin an Herbstabenden alle Einzelheiten einer schrecklichen Pferde- und Abgrundkatastrophe wieder­holt werden. Murri hat einen lustigen Geist, und nun, da es von der Cholera heimgesucht worden ist, wird es Raum für einen traurigen haben. Es gibt Offizierswohnungen in Mian Mir, deren Türen sich ohne Ursache öffnen und deren Möbel knacken, nicht von der Junihitze, sondern von dem Ge­wicht Unsichtbarer, die es sich in den Sesseln bequem machen. Peschawur hat Häuser, die niemand gern mietet; und in einem großen Bungalow zu Allahabad ist etwas – nicht das Fie­ber – nicht, wie es sein soll. Die alten Provinzen starren förmlich von Häusern, in denen es spukt, und Gespenster­armeen marschieren durch die Hauptstraßen ihrer Städte.

Einige der Dak-Bungalows an der Grand-Trunk-Straße haben bequeme kleine Friedhöfe innerhalb ihrer Umzäunun­gen – Zeugen der Vergänglichkeit und der Zufälle dieses ir­dischen Lebens aus den Tagen, da man von Kalkutta nach dem Nordwesten im Wagen fuhr. Diese Bungalows sind keine einladenden Unterkunftsorte. Sie sind gewöhnlich sehr alt, immer sehr schmutzig, und der Khansamah2 ist so alt wie der Bungalow. Er ergeht sich entweder in greisenhaftem Geschwätz oder verfällt in die lange Geistesabwesenheit des Alters. In beiden Zuständen ist er nutzlos, wenn man zornig auf ihn wird, beruft er sich auf einen Sahib, der seit dreißig Jahren tot und begraben ist, und sagt, dass, als er in den Diensten jenes Sahibs stand, kein Khansamah der ganzen Provinz an ihn heranreichen konnte. Dann murmelt und stammelt er und hantiert zittrig mit den Tellern, und man bereut seine Aufwallung.

Vor nicht langer Zeit war es mein Beruf, in Dak-Bungalows zu wohnen. Ich hielt mich nie drei aufeinanderfol­gende Nächte in demselben Haus auf und wurde mit der Zeit ein guter Kenner der Gattung. Ich wohnte in solchen, die von der Regierung erbaut worden waren, mit roten Ziegelwänden und Pfostendecken, einem Inventar der Einrichtung in jedem Zimmer angeschlagen und einer aufgeregten Lobraschlange als Willkomm an der Schwelle. Ich wohnte in konvertier­ten alten Häusern, die als Dak-Bungalows dienten, wo nichts sich an seinem richtigen Platz befand und man nicht einmal ein Huhn zum Essen haben konnte. Ich wohnte in bau­fälligen Palästen, wo der Wind durch offenes Marmormaß­werk ebenso ungemütlich blies, wie durch eine zerbrochene Scheibe. Ich wohnte in Dak-Bungalows, wo die letzte Eintra­gung im Fremdenbuch fünfzehn Monate alt war, und wo man das Zicklein für das Ragout mit einem Säbel köpfte. Ich hatte das Glück, mit allen Arten von Menschen zusammenzutreffen, von bescheiden reisenden Missionaren und Deserteuren aus englischen Regimentern bis zu betrunkenen Landstreichern, die auf alle vorüberkommenden Branntweinflaschen warfen; und das noch größere Glück, mit knapper Not einem Paternitätsprozess zu entgehen. In Anbetracht, dass ein beträchtlicher Teil des Dramas meines Lebens sich in Dak-Bungalows abspielte, wunderte ich mich, dass ich noch keinen Geist getroffen hatte. Ein Geist, der sich freiwillig in einem Dak-Bungalow aufhielte, wäre natürlich verrückt; aber es sind so viele Leu­te verrückt in Dak-Bungalows gestorben, dass es einen ansehn­lichen Prozentsatz wahnsinniger Geister geben muss.

Und endlich fand ich meinen Geist, oder eigentlich meine Geister, denn es waren ihrer zwei.

Wir wollen den Bungalow den Ratmal-Dak-Bungalow nennen; aber das war das am wenigsten Schreckliche daran. Ein Mensch mit empfindlicher Haut hat kein Recht, in Dak- Bungalows zu wohnen. Er sollte heiraten. Der Ratmal-Dak-Bungalow war alt, verfallen und vernachlässigt. Der Boden war mit ausgetretenen Ziegelsteinen belegt, die Wände waren klebrig, die Fenster nahezu blind vor Schmutz. Er stand an einer Seitenstraße, die stark von eingeborenen Sub-Vize-Assistenten aller Verwaltungszweige von Finanz- bis Forstwirtschaft benutzt wurde, aber wirkliche Sahibs waren selten. Der Khansamah, der infolge hohen Alters fast zur Erde ge­beugt war, sagte mir das.

Als ich dort eintraf, fiel ein launenhafter, ungewisser Re­gen auf das Land herab, begleitet von einem ruhelosen Wind, und jeder Stoß des Letzteren brachte in den steifen Toddypalmen draußen ein Geräusch gleich dem Rasseln dürrer Knochen hervor. Der Khansamah verlor über meine Ankunft vollstän­dig den Kopf. Er hatte einmal bei einem Sahib gedient. Kenne ich den Sahib! Er nannte mir den Namen eines wohlbekann­ten Mannes, der seit mehr als einem Vierteljahrhundert be­graben war, und zeigte mir eine uralte Daguerreotypie, die ihn in seiner prähistorischen Jugend darstellte. Ich hatte vor einem Monat ein Stahlstichbild des Mannes auf dem Titelblatt eines dicken Bandes Memoiren gesehen und empfand ein unsagbares Altertumsgefühl.

Der Tag ging zur Neige, und der Khansamah machte sich daran, mir zu essen zu geben. Er ließ sich nicht zu der Vor­stellung herbei, das Essen Khana – menschliche Nahrung – zu nennen. Er sagte Ratub, was unter anderem Hun­defutter bedeutet. Er hatte keine beleidigende Absicht bei der Wahl des Wortes. Er hatte das andere vergessen, wie ich glaube.

Während er einige Tierkadaver klein schnitt, machte ich es mir bequem, nachdem ich den Dak-Bungalow durchforscht hatte. Es gab noch drei Zimmer außer dem meinen, welches eine Ecke bildete. Sie standen durch schmutzig-weiße, mit großen eisernen Riegeln versehene Türen miteinander in Verbindung. Der Bungalow war sehr solide gebaut, aber die Scheidewände der Zimmer waren dünn wie Papier. Jeder Schritt und jedes Zuklappen des Koffers hallten von einem Zimmer durch die anderen drei, und der Schall jedes Trittes wurde zitternd von den entfernten Wänden zurückgeworfen. Aus diesem Grund schloss ich die Tür. Es gab keine Lam­pen, nur Kerzen in langen Glaszylindern. Ein Öllämpchen stand im Badezimmer.

In Bezug auf niederdrückende, ungemischte Trübseligkeit war dieser Dak-Bungalow der ärgste der vielen, die ich je betreten hatte. Es war keine Feuerstelle da, und die Fenster waren nicht zu öffnen; daher wäre auch ein Kohlenbecken nicht zu verwenden gewesen. Der Regen und der Wind peitschten und gurgelten und stöhnten um das Haus, und die Toddypalmen raschelten und knarrten. Ein halbes Dutzend Schakale durchzogen singend den Hof, und eine Hyäne stand in der Entfernung und äffte ihnen nach. Eine Hyäne würde einen Sadduzäer von der Auferstehung der Toten – der bösesten Art von Toten – überzeugen. Dann kam das Ratub – ein seltsames Gericht, halb eingeborener, halb englischer Zusammensetzung – und der alte Khansamah lallte hinter meinem Sessel von längst verstorbenen Engländern, und die Schatten der im Wind flackernden Kerzenflammen spielten Verstecken mit dem Bett und dem Moskitonetz. Es war ein Abend und eine Mahlzeit, um einem an jede einzelne seiner vergangenen Sünden und alle, die man noch zu begehen be­absichtigte, zu erinnern.

Zu schlafen war aus mehreren hundert Ursachen nickt leicht. Die Lampe im Badezimmer warf die wunderlichsten Schatten, und der Wind fing an, Unsinn zu reden.

Gerade als die Ursachen, vom Blut saugend, schläfrig wurden, hörte ich das wohlbekannte Auf-und-fort-damit!– Grunzen von Sesselträgern draußen auf dem Hof. Erst kam ein Tragsessel herein, dann ein zweiter, dann ein dritter. Ich hörte den dumpfen Stoß der niedergesetzten Tragsessel, und dann wurde an meiner Tür gerüttelt.

»Da will jemand herein«, sagte ich zu mir. Aber keine Stimme wurde hörbar, und ich trachtete mich zu überreden, dass es ein Windstoß gewesen sei. Dann wurde an der Tür zu dem Zimmer nächst dem meinen gerüttelt und sie ging auf.

Das ist irgendein Sub-Vize-Assistent, dachte ich, und er hat seine Freunde mitgebracht. Jetzt werden sie über eine Stunde lang schwätzen und spuken und rauchen.

Aber ich hörte weder Stimmen noch Schritte. Niemandes Gepäck wurde im nächsten Zimmer abgesetzt. Die Tür schloss sich wieder, und ich dankte Gott, dass ich in Ruhe gelassen wurde. Aber ich war neugierig, was mit den Tragsesseln ge­schehen war. Ich stand auf und sah in die Finsternis hinaus. Es war keine Spur von Tragsesseln zu sehen. Gerade als ich im Begriff war, wieder ins Bett zu steigen, hörte ich im näch­sten Zimmer den Ton, den kein vernünftiger Mensch verkennen kann – das Rollen eines Billardballes, wenn ein Spieler den ersten Stoß macht. Kein anderer Laut ähnelt ihm. Eine Mi­nute darauf kam ein zweites Rollen, und ich legte mich ins Bett. Ich hatte keine Angst – wirklich nicht. Ich war sehr neugierig, was aus den Tragsesseln geworden war. Aus diesem Grund legte ich mich eilig ins Bett.

In der nächsten Minute hörte ich den Doppelklick eines Karambols, und mein Haar stand zu Berge. Es ist vielleicht eine Hyperbel, zu sagen, dass einem das Haar zu Berge steht. Die Kopfhaut zieht sich zusammen und man spürt ein prickeln­des Stechen in allen Haarwurzeln. Das ist das zu Berge stehen des Haares.

Dann kamen wieder ein Rollen und ein Klick, und beide Töne konnten nur von einem Ding in der Welt herrühren – einem Billardball. Ich überlegte die Sache des Längeren hin und her, und je mehr ich überlegte, desto weniger wahrschein­lich war es, dass ein Bett, ein Tisch und zwei Sessel – das ganze Mobiliar des nächsten Zimmers – so genau die Ge­räusche eines Billardspiels wiedergeben konnten. Nach einem neuen Karambol – einem Triplet, dem Laufen des Balles nach – überlegte ich nicht mehr. Ich hatte meinen Geist ge­funden und hätte Welten darum gegeben, weit weg von dem Dak-Bungalow zu sein. Ich horchte, und mit jedem Mal Horchen wurde das Spiel deutlicher. Es folgte Lauf auf Lauf und Klick auf Klick. Manchmal kamen ein Doppelklick und ein Lauf und wieder ein Klick. Es war kein Zweifel möglich, im nächsten Zimmer wurde Billard gespielt. Und das nächste Zimmer hatte nicht Raum genug für einen Billardtisch!

In den Pausen des Windes hörte ich das Spiel weiter­gehen, Stoß auf Stoß. Ich trachtete mir einzureden, dass ich keine Stimme hörte; aber es gelang mir nicht.

Weiß der Leser, was Furcht ist! Nicht gewöhnliche Furcht vor Beschimpfung, Schlag oder Tod, sondern sinnlose, zitternde Angst vor etwas, was man nicht sieht, – eine Furcht, die den Gaumen und die Kehle austrocknet, – eine Furcht, die einem den Schweiß aus den Handflächen treibt und einem zu krampf­haftem Schlucken zwingt? Das ist eine besondere Art von Furcht, – eine große Feigheit, die man gefühlt haben muss, um sie zu verstehen. Gerade die Unwahrscheinlichkeit von Billardtischen in einem Dak-Bungalow bewies die Wirklich­keit der Sache. Kein Mensch, nüchtern oder betrunken, konnte sich ein Billardspiel einbilden oder das unnachahmliche Ge­räusch eines Tiefstoßkarambols erfinden.

Eine lange Folge von Dak-Bungalows hat den Nachteil, dass sie eine unendliche Gläubigkeit hervorruft. Wenn jemand zu einem altgewohnten Dak-Bungalow-Besucher sagte, im nächsten Zimmer liegt ein Leichnam und ein wahnsinniges Mädchen ist im Zimmer neben diesem, und der Mann und die Frau auf jenem Kamel sind eben erst von einem sechzig Meilen entfernten Ort durchgegangen, so würde der Hörer keinen Zweifel in seine Worte setzen, weil nichts zu wild, grotesk oder grauenhaft ist, um in einem Dak-Bungalow zu geschehen.

Diese Gläubigkeit erstreckt sich unglücklicherweise auf Geister. Ein vernünftiger, eben erst aus seinem Haus ge­kommener Mensch würde sich auf die Seite gelegt haben und wieder eingeschlafen sein. Ich tat das nicht. So sicher wie ich von den wimmelnden Dingern im Bett als trockener Leichnam aufgegeben wurde, weil die überwiegende Menge meines Blutes in meinem Herzen war, so sicher hörte ich jeden Stoß eines langen Billardspiels, das in dem hallenden Zim­mer hinter der verriegelten Tür gespielt wurde. Meine größte Furcht war, dass die Spieler vielleicht eines Markörs be­dürfen würden. Es war eine dumme Furcht; denn Wesen, die im Finstern spielen konnten, waren wohl über derlei kleine Behelfe erhaben. Ich weiß nur, dass ich davor eine Todesangst hatte und die war sehr wirklich.

Nach langer, langer Dauer hörte das Spiel auf und die Tür schlug zu. Ich schlief ein, weil ich todmüde war. Sonst hätte ich es vorgezogen, wach zu bleiben. Nicht um ganz Asien hätte ich den Türriegel zurückgeschoben und in die Finsternis des nächsten Zimmers geschaut.

Als der Morgen kam, fand ich, dass ich wohl und weise getan hatte, und erkundigte mich nach Weiterbeförderungsmitteln.

»Nebenbei, Khansamah«, sagte ich, »was hatten die drei Tragsessel gestern Nacht im Hof zu tun!«

»Es waren keine Tragsessel da«, sagte der Khansamah.

Ich ging ins Nebenzimmer, und das Tageslicht strömte durch die offene Tür herein. Ich war ungemein mutig. Ich hätte um diese Stunde Black Pool selbst mit dem Herrn des großen schwarzen Pfuhls3 da unten gespielt.

»War dieses Haus immer ein Dak-Bungalow?«, fragte ich.

»Nein«, sagte der Khansamah. »vor zehn oder zwanzig Jahren, ich habe vergessen, wie lange es her ist, war es ein Billardzimmer.«

»Ein was!«

»Ein Billardzimmer für die Sahibs, die die Eisenbahn bauten. Ich war damals Khansamah in dem großen Haus, wo all die Eisenbahn-Sahibs wohnten, und ich brachte ihnen immer Brandy-Shrab4 herüber. Diese drei Zimmer waren damals eines, und darin stand ein großer Tisch, auf welchem die Sahibs jeden Abend spielten. Aber die Sahibs sind nun alle tot, und die Eisenbahn geht, wie Sie sagen, fast bis nach Kabul.«

»Wissen Sie noch etwas von den Sahibs?«

»Es ist lange her, aber ich erinnere mich, dass ein Sahib, ein dicker Mann und immer zornig, eines Abends hier spielte, und er sagte zu mir: ›Mangal Khan, brandy pani do!‹ Und ich füllte das Glas, und er beugte sich über den Tisch, um zu spielen, und sein Kopf sank tiefer und tiefer, bis er auf den Tisch schlug, und seine Augengläser fielen herunter, und als wir – die Sahibs und ich – herbeisprangen, um ihn aufzuheben, war er tot. Ich half ihn hinaustragen. Ah, er war ein starker Sahib! Aber er ist tot, und ich, der alte Mangal Khan, lebe immer noch, mit Ihrer gnädigen Erlaubnis.«

Das war mehr als genug! Ich hatte meinen Geist, einen erstklassigen, beglaubigten Geist! Ich wollte der Gesellschaft für psychologische Forschung schreiben – ich wollte das ganze Reich mit meiner Entdeckung in starres Staunen versetzen!

Aber ich wollte vor allem anderen achtzig Meilen wohlbesteuerten Ackerlandes zwischen mich und den Dak-Bungalow bringen, ehe die Nacht kam. Die Gesellschaft konnte dann ihren Vertreter hersenden, um weitere Nachforschungen anzustellen.

Ich ging in mein Zimmer, um zu packen, nachdem ich mir die Einzelheiten des Falles notiert hatte. Während ich rau­chend dasaß, hörte ich das Spiel wieder beginnen – mit einem Fehlstoß diesmal, denn das Rollen war nur kurz.

Die Tür war offen, und ich konnte in das Zimmer hinein­sehen. Klick, klick! Das war ein Karambol. Ich betrat das Zimmer ohne Furcht, denn es war sonnenhell darinnen und ein frischer Wind draußen. Das unsichtbare Spiel ging mit enormer Schnelligkeit weiter. Und das war kein Wunder, da eine ruhelose kleine Ratte innerhalb des über der Zimmerdecke gespannten Tuches hin und her rannte und ein lockeres Stück Fensterrahmen vom Wind gegen den Riegel geschlagen wurde!

Es war unmöglich, das Anschlagen der Billardbälle zu verkennen! Unmöglich das Laufen eines Balles über das Tuch zu ver­kennen! Aber ich war zu entschuldigen. Selbst wenn ich meine nun geöffneten Augen schloss, war das Geräusch erstaunlich gleich dem eines lebhaften Billardspieles.

Herein trat aufgebracht der treue Gefährte meiner Leiden, Radir Baksch.

»Dieser Bungalow ist sehr schlecht und gemein. Kein Wun­der, dass Seine Gnaden gestört wurde und empört ist. Drei Trupps von Sesselträgern kamen diese Nacht zu dem Bunga­low, als ich draußen schlief, und sagten, dass es ihre Gewohn­heit sei, in den Zimmern zu rasten, die für die Engländer be­stimmt sind. Wo ist die Ehre des Khansamah! Sie versuch­ten hereinzukommen, aber ich sagte ihnen, sie sollten fortgehen. Kein Wunder, wenn diese Uriasse dagewesen sind, dass Seine Gnaden übler Laune sind. Es ist eine Schande und das Tun eines schmutzigen Menschen!«

Kadir Baksch erzählte nicht, dass er sich von jedem Trupp zwei Annas als Miete hatte vorausbezahlen lassen und die Leute dann, außerhalb meiner Hörweite, mit dem großen grünen Schirm geprügelt hatte, dessen Verwendung mir bis dahin ein Rätsel gewesen war. Aber Kadir Baksch hatte keine Moralbegriffe.

Der Khansamah wurde zur Rede gestellt, aber da er augen­blicklich den Kopf verlor, wich der Zorn dem Mitleid, und das Mitleid führte zu einem längeren Gespräch, im Laufe dessen er des dicken Eisenbahn-Sahibs tragischen Tod nach drei verschiedenen Stationen verlegte – zwei davon fünfzig Meilen entfernt. Die dritte Verlegung geschah nach Kalkutta, und hier starb der Sahib, während er im Kutschierwagen ausfuhr.

Ich ging nicht so schnell fort, als ich beabsichtigt hatte. Ich blieb noch eine Nacht, während welcher der Wind, die Ratte, der Fensterrahmen und der Riegel eine Hals über Kopfpartie auf Hundertfünfzig spielten. Dann legte sich der Wind, und das Billardspiel hörte auf, und ich fühlte, dass ich meine einzige echte Geistergeschichte ruiniert hatte.

Hätte ich nur zur richtigen Zeit aufgehört nachzuforschen, so hätte ich alles daraus machen können.

Das war der bitterste Gedanke von allen!

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  1. Ein Bungalow ist im Allgemeinen ein einstöckiges Haus von dem Typ, wie er für den Gebrauch von Europäern in Ostindien hergestellt wird. Dak-Bungalows sind Unterkunftshäuser, die an den Straßen in gewissen Abständen für die in Palankinen oder Wagen Reisenden von der Regierung angelegt wurden.
  2. Khansamah ober Konsumah im Allgemeinen so viel wie Haushof­meister. In den Dak-Bungalsws der meist einzige Bewirtschafter.
  3. Ein Billardspiel; wörtlich auch: schwarzer Pfuhl.
  4. Sorbett.

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