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Nick Carter – Band 15 – Ein verbrecherischer Arzt – Kapitel 11

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Ein verbrecherischer Arzt
Ein Detektivroman

Die Entlarvung des Doktors

Es war etwa um sieben Uhr am nächsten Morgen, als die beiden jungen Detektive, welche unverdrossen in der Grandstreet auf der Lauer gelegen hatten, von ihrem Versteck aus auf der anderen Seite des Bürgersteiges einen Mann eilig herankommen sahen, in welchem sie ohne weiteres Doktor Staples erkannten.

Kaum hatten sie indessen diesen Frühaufsteher wahrgenommen, als sie auch schon einen zweiten Mann erspähten, der augenscheinlich in des Ersteren Verfolgung begriffen war.

»Was ist das für ein Kerl?«, flüsterte Chick seinem jüngeren Gefährten zu.

»Kennst du ihn wirklich nicht?«, erkundigte sich Patsy mit einem schelmischen Lachen.

»Wie sollte ich?«, erklärte Chick, nach wie vor den vorsichtig Herannahenden beobachtend.

»Der Bursche trägt einen Napoleonsbart – er sieht wie ein Franzose aus – sollte das etwa Nick sein?«

»Er sollte es nicht nur sein, sondern er ist es wirklich!«, meinte Patsy mit spitzer Betonung. »Ja, es gibt gewisse Leute, die noch nicht einmal ihren eigenen Cousin erkennen können, dabei aber spotten sie doch über andere, weil diese ein Fremdwort nicht über die Zunge bringen.«

Währenddessen hatte sich Dr. Staples mit schnellen Schritten zu der Apotheke begeben und war in diese eingetreten.

Ihm auf dem Fuße folgte der vermeintliche Markar. Er war, ohne dass der Arzt die geringste Ahnung hiervon besaß, diesem den ganzen Weg über gefolgt – wohl weil er wusste, dass Staples sich auf den Weg gemacht hatte, um von dem unheilvollen Mittel frischen Vorrat einzukaufen.

Vor der Glastür, die in den Laden führte, blieb Nick stehen und schaute durch die Scheiben, um deutlich wahrnehmen zu können, wie der an den Ladentisch getretene Arzt etwas von dem Drogisten zu verlangen, aber von diesem einen abweisenden Bescheid zu erhalten schien. Dann nahm der Detektiv von seinem Beobachtungsort aus wahr, wie Dr. Staples mit einer ungeduldigen Gebärde sein Rezeptbuch aus der inneren Brusttasche nahm und sich anschickte, auf einem der Abreißblätter eine ärztliche Verordnung niederzuschreiben.

In dem Augenblick, als der Arzt das soeben angefertigte Rezept dem Ladeninhaber aushändigen wollte, war Nick auch schon im Laden.

Schnell hatte er den ihm den Rücken zuwendenden Arzt erreicht, und ehe dieser wusste, wie ihm eigentlich geschah oder der Drogist aus seiner Hand das Rezept in Empfang nehmen konnte, hatte sich der große Detektiv des Letzteren auch schon bemächtigt. Zugleich aber rief er mit starker Stimme: »Ich will das Rezept lieber an mich nehmen, Dr. Staples. Außerdem will ich für Ihren eigenen Gebrauch ein anderes Rezept verschreiben, und dieses lautet: ›Im Namen des Volkes von New York, Dr. Staples, Sie sind mein Gefangener!‹«

Ganz erstarrt war der verbrecherische Arzt herumgefahren, und als er nun Franzosen-Markar vor sich stehen sah, rief er mit großer Bestürzung: »Was soll das heißen, Markar, warum sind Sie mir gefolgt – was soll Ihr unverschämtes Auftreten bedeuten?«

Doch im selben Augenblick hatte der vermeintliche Franzose auch schon Perücke und Bart abgerissen, und war sich blitzschnell mit einem Tuch über das Gesicht gefahren.

Ein Schreckensruf entrang sich den Lippen des Arztes, und dieser prallte mit einem entsetzten Aufschrei zurück: »Allmächtiger – es ist Nick Carter!«

»Der bin ich allerdings«, versetzte der Detektiv mit einem ironischen Lächeln.

Doch da hatte der Arzt seine Geistesgegenwart auch schon wiedergefunden, und mit spöttischem Lächeln versicherte er: »Sie begehen da einen Irrtum, mein lieber Mr. Carter, den Sie noch bitter bereuen dürften!«

»Durchaus nicht«, entgegnete Nick Carter in eisigem Ton. »Es kostete mich einige Zeit, um ihr ebenso fein durchdachtes wie teuflisches Spiel zu durchschauen. Doch nun habe ich schlagende Beweise in der Hand, dass Sie unter der Maske eines ärztlichen Freundes Mr. Collins jun. durch Anwendung von Schleichgift zum Idioten machen wollten. Auf einen derartigen Vergiftungsversuch stehen zehn Jahre Zuchthaus, und ich verpfände mein Manneswort, dass Sie jeden Tag dieser zehn Jahre in Sing Sing verbüßen werden!«

»Pah!«, wehrte der Arzt hochmütig ab. »Sie müssen von Sinnen sein!«

»Durchaus nicht, denn ich weiß genau, welcher Chemiker in Long Island City dieses Gift in Ihrem Auftrag hergestellt hat, und zwar in besonders hochgradiger Potenz. Sie brauchen sich nicht mit der Zerstörung der Flaschen zu bemühen«, wendete er sich an den bleich gewordenen Drogisten, welcher inzwischen in den Hintergrund des Ladens geeilt war. »Lassen Sie den Inhalt der Flaschen unberührt, wenn wir ihn auch nicht brauchen, denn eine ausreichende Probe davon befindet sich bereits in den Händen von Dr. Anthony. Im Übrigen glaube ich Ihnen gern, dass Sie mit dem Fall nichts weiter zu tun haben!«

Im selben Moment unterbrach er sich auch schon und sprang auf den Arzt zu.

Diesem hatten die wenigen Andeutungen des großen Detektivs genügt, um ihn erkennen zu lassen, dass sein Spiel verloren war. Diese Erkenntnis ließ ihn zur Waffe greifen.

Doch ehe er den schnell hervorgezogenen Revolver auf Nick in Anschlag bringen konnte, waren dessen Gehilfen auch schon in den Laden eingedrungen, und Chick hatte den Arzt von hinten angefallen.

Wohl entlud sich die Waffe, doch die Kugel richtete nur unter den Flaschenständern hinter dem Ladentisch einiges Unheil an.

Ehe Dr. Staples ein weiteres Mal feuern konnte, war ihm die Waffe bereits entwunden und beide Hände auf den Rücken gefesselt worden.

Nun verlegte sich der Schurke aufs Bitten. Ja, er machte sogar den Versuch, Nick Carter bestechen zu wollen, indem er diesem für seine Freilassung eine hohe Geldsumme anbot.

Das verächtliche Lächeln des Meisterdetektivs ließ ihn jedoch erkennen, dass keine Gewalt der Erde ihn von der Sühne für seine verbrecherische Tat befreien konnte.

 

*

 

Schon wenige Wochen später war aus dem bisherigen gesuchten Modearzt ein Sträfling von Sing Sing geworden, welchen zwölf gute und getreue Männer durch einstimmigen Geschworenenspruch dazu verurteilt hatten, zehn Jahre lang bei harter Arbeit die gestreifte Zuchthauskleidung zu tragen.

Bei der Verhandlung selbst war das ganze Geheimnis an den Tag gekommen.

Dr. Staples und der junge Collins waren zugleich Universitätsfreunde und Nebenbuhler gewesen.

Aufseiten des jungen Collins hatte es sich nur um ein freundschaftliches Ringen um die Palme gehandelt, und er hatte auch mühelos gewonnen, während der ehrgeizige Staples es seinem Freund nicht hatte vergeben können, dass dessen größere geistige Begabung ihn geschlagen hatte.

Hatte er auf solche Weise schon unter der Maske der Freundschaft bitteren Hass verborgen, so waren alle Rachedämonen in seinem Herzen erwacht, als er hatte gewahren müssen, dass das von ihm angebetete Mädchen seine Liebe dem glücklicheren Nebenbuhler zugewendete hatte und dessen Frau geworden war.

Ahnungslos hatte Collins, als eine leichte Erkrankung ihn vorübergehend ans Bett fesselte, seinen vermeintlich treuen Freund Staples zu sich rufen lassen.

Da hatte der gewissenlose Mann die ihm gebotene Gelegenheit ausgenutzt, um aufgrund seiner ärztlichen Kenntnisse den tödlich Gehassten an Leib und Seele Bankrott zu machen.

Der Zufall hatte es gewollt, dass der Schurke mit Miss Netta Thorne bekannt geworden war.

Die junge Dame hatte sich Hoffnungen auf die Hand des jungen Millionärs gemacht und auf diesen, als sie sich in ihren Erwartungen getäuscht sah, gleichfalls bitteren Hass geworfen.

Gemeinschaftlicher Hass hatte, wie so oft, auch hier ein paar gänzlich ungleiche Charaktere zu Verbündeten gemacht, und die sich verschmäht Glaubende hatte den Arzt in seinem teuflischen Plan unterstützt und gefördert.

Zu ihrem Glück hatte sie sich indessen sofort zurückgezogen, sobald sie wahrgenommen hatte, dass Nick Carter sich des Falles angenommen hatte.

Auf diese Weise konnte ihr nichts bewiesen werden, zumal Dr. Staples ritterlich genug war, alle Schuld auf sich zu nehmen; immerhin aber fiel Miss Netta Thorne allgemeiner Verachtung anheim. Sie hatte sich in der Gesellschaft unmöglich gemacht.

Collins jun. wurde durch die meisterliche Behandlungsweise Dr. Anthonys in kurzer Zeit völlig wiederhergestellt und seiner Familie von Neuem zurückgegeben.

Wohl fiel es ihm schwer, an die Schlechtigkeit seines vermeintlich zuverlässigen Freundes zu glauben. Doch das verringerte nicht sein Dankgefühl gegenüber Nick Carter und dessen getreue Gehilfen.

Zu seinem freudigen Erstaunen nannte sich Patsy bald darauf Inhaber eines Schecks in Höhe von 10 000 Dollar.

Eine gleiche Belohnung wurde seinem Kollegen Chick zuteil.

Der Meisterdetektiv Nick Carter konnte jedoch sein Bankkonto um eine ungleich größere Summe bereichern.

Ende

Als Band 16 dieser Serie erscheint:

Haken-Max

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