Jim Buffalo – 30. Abenteuer – Kapitel 1
Jim Buffalo,
der Mann mit der Teufelsmaschine
Veröffentlichungen aus den Geheimakten des größten Abenteurers aller Zeiten
Moderner Volksbücher-Verlag, Leipzig, 1922
Das 30. Abenteuer Jim Buffalos
Jim Buffalos Teufelsfahrt
1. Kapitel
Verdächtige Passagiere
Pustend und fauchend lief der Zug der Union-Pacific-Railroad in der kleinen Station Green River-City ein.
»Eine Minute Aufenthalt!«, schrien die Schaffner, hastig die Türen öffnend.
Wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm drängten die aus- und einsteigenden Passagiere durcheinander. Koffer und Schachteln wurden einfach auf den Bahnsteig geworfen, während sich anderes Handgepäck wieder vor den Türen auftürmte, sodass die Passagiere nur mit Mühe und unter Rippenstößen sich einen Platz zu erobern vermochten.
Aus einem Wagen der ersten Klasse schaute Jim Buffalo interessiert dem hastenden Treiben zu.
Er kam von San Franzisko herüber, wohin ihn ein Besuch geführt hatte.
Plötzlich stutzte er.
Sein scharfer Blick hatte dicht vorn an der Maschine, hinter welcher die Güterwagen angekuppelt waren, einige recht abenteuerliche Gestalten erspäht, deren zerlumptes Aussehen auf alles andere hinwies, als dass sie die teure Fahrt in dem Expresszug hätten bezahlen können.
»Aha, Tramps!«, murmelte er leise vor sich hin. »Well, mich geht es ja nichts an, wenn sich ein paar arme Teufel auf so billige Weise mal eine freie Fahrt leisten, wenn sie nur mein Auto in Ruhe lassen.«
Das Teufelsauto befand sich nämlich in einem der Wagen und Jim Buffalo hatte alle Ursache, ein besonderes Augenmerk auf seine wertvolle Maschine zu haben.
Und die kleinste Berührung von unkundiger Hand an dem Mechanismus konnte unermesslichen Schaden bringen.
Hastig stand er auf und durchschritt die lange Wagenreihe.
Die Wagen waren, wie in Amerika üblich, alle miteinander verbunden und gestatteten dem Reisenden einen Spaziergang durch den ganzen Zug.
Jim Buffalo war auch bald am Anfang des Zuges angelangt und befand sich nun im ersten Wagen, der dicht hinter den Güterwagen angekuppelt war. Unbemerkt konnte er von hier aus das Treiben der verdächtigen Passagiere beobachten.
Es waren drei zerlumpt gekleidete Männer mit verwegenen Gesichtszügen. Unter der unverschlossenen Jacke von großem Stoff schauten rotwollene Hemden hervor, wie sie Goldgräber zu tragen pflegten; breitkrempige Hüte von fragwürdiger Farbe bedeckten die bärtigen Gesichter.
Lange Bowiemesser und der Lauf eines Revolvers blitzten im Hosengürtel.
Da die Maschine mit den Güterwagen schon außerhalb der Station dicht im Schatten stand, konnten die verdächtigen Burschen kaum gesehen werden und jeder hatte auch mit sich selbst zu tun, als auf den anderen zu achten.
Die Burschen schienen nur darauf gewartet zu haben, ob auch Güter verladen werden würden; dies war aber nicht der Fall, und als die Pfeife des Stationsvorstehers das Zeichen zur Abfahrt gab, schwangen sie sich behände in den Wagen.
»Teufel, gerade der Wagen, worin sich meine Maschine befindet!«, murmelte Jim Buffalo. »Die Kerle werden es doch nicht auf dieselbe abgesehen haben? Oder sollten sie gar einen Angriff auf die Goldbarren wagen wollen?«
Der Zug führte nämlich eine recht kostbare Fracht mit sich: Goldbarren im Wert von fünfzig Millionen Dollar, die für die Staatsbank in Washington bestimmt waren.
Aber der Schatz war ja so gut bewacht. Jim Buffalo wusste, dass sich im Wagen drei Beamte der Bank befanden, denen der Schatz anvertraut worden war. Und drei gegen drei war immerhin ein kühnes Wagnis.
Zudem wurden solche Transporte immer möglichst geheim gehalten.
Aber die Burschen konnten ja bereits am Verladeort anwesend gewesen sein. Und ihre verwegenen, von wilden Leidenschaften zerfressenen Gesichter ließen auf nichts Gutes schließen.
Der Zug raste bereits wieder in voller Geschwindigkeit durch die Nacht. Jim Buffalo war sinnend und nachdenklich im Wagen zurückgeblieben. Zufälligerweise war derselbe vollkommen leer.
»Ah, pah, vielleicht sind es doch nur arme Teufel, die im Westen kein Glück gehabt haben«, versuchte er seine aufgestiegenen Bedenken zu beschwichtigen.
Er zündete seine Pfeife an und blies nachdenklich die blauen Rauchwolken in die Luft,
aber eine merkwürdige Unruhe, die er sich nicht zu erklären vermochte, brachte seine Gedanken immer wieder auf die unheimlichen Passagiere.
Wenn man die Burschen doch belauschen könnte!, dachte er, während er sich zum Fenster hinauslehnte.
Der Zug raste nun durch einen lang sich hinziehenden Wald, der alles in ein undurchdringliches Dunkel einhüllte.
Die Tür des Güterwagens, in welchem die Burschen verschwunden waren, stand noch so weit offen, dass eine Person bequem hindurchschlüpfen konnte.
Wenn er den schmalen Gang bis zum Ende des Wagens benutzte und sich dann über die Puffer hinüber zum Güterwagen schwang, war es leicht möglich, in das Innere desselben zu gelangen.
Für einen so gewandten Turner wie Jim Buffalo war dies eine Kleinigkeit.
Nach einigem Zögern ließ er dem Gedanken die Tat folgen.
Behutsam öffnete er die Tür und schwang sich auf das Trittbrett.
Mithilfe der an dem Wagen angebrachten Haltestangen gelangte er leicht bis zum Ende des Wagens, wo er sich auf die Knie niederließ und sich auf die Puffer schwang.
Auch die Überquerung dieser höchst gefährlichen Passage gelang ihm über Erwarten gut, wenn er auch einige Male in Gefahr geriet, durch das heftige Stoßen und Hin- und Herschleudern der Wagen herabgeschleudert zu werden.
Weit gefährlicher war es, bis zu der Tür des Güterwagens zu gelangen, da er als Stützpunkt für die Füße nur die schmale Eisenschiene hatte, in der die Tür lief.
Doch auch dieses Wagnis gelang, und nun kauerte er, sich dicht an die Tür drückend, an der schmalen Öffnung.
Drinnen im Wagen war alles still, oder er vermochte zunächst durch das laute Räderrasseln nichts zu hören.
Rasch hatte sich sein scharfes Auge an die Dunkelheit gewöhnt, und nun sah er aus einer Ecke hinter einem Kistenstapel hervor drei kleine Punkte aufleuchten, die Pfeifen der Burschen, die dieselben angezündet hatten.
Gegenüber von den drei Burschen stand sein Auto.
Schlangengleich kroch er zu dem Gefährt hinüber, das völlig im Dunkeln stand, und saß wenige Minuten später tief aufatmend in dem weichen Polster des Führersitzes.
Nun war er geborgen und konnte es möglicherweise darauf ankommen lassen, von den Burschen bemerkt zu werden. Sein guter, nie fehlender Revolver würde ihm die Burschen schon vom Leibe halten.
Diese schienen sein Eindringen aber gar nicht bemerkt zu haben, denn ruhig blieben sie sitzen und dampften aus ihren Pfeifen, deren übler Qualm sie förmlich einhüllte.
Es wäre Jim Buffalo auch gar nicht möglich gewesen, in dem Rädergerassel irgendein Wort zu verstehen, und die Burschen mussten etwas recht Heimliches zu verhandeln haben, denn sie sprachen sehr leise miteinander.
Leise entstieg er wieder seinem Sitz und kroch zwischen aufgestapelten Kisten hindurch bis dicht an die Gruppe der drei Burschen heran.
Nun konnte er deutlich hören, was sie miteinander sprachen, und was er erlauschte, erfüllte ihn mit Zorn und Entsetzen.