Als E-Book erhältlich

Archive

Der lustige Kirmesbruder – Teil 3

Oskar Ludwig Bernhard Wolff
Der lustige Kirmesbruder
welcher durch listige Ränke auf den Kirmessen die Bauern und andere Personen unterhalten und vergnügt gemacht hat

Zweite Kirmes

Wie der luftige Kirmesbruder mit Krebsen und mit dem Knecht des Hofmei­sters seine Kurzweil hat, und wie er ein hübsches Mädchen verheiraten will

Die folgende Woche nahmen mich der Richter und der Schöppe mit nach Schönbart, welches Dorf nicht weit von Freudenfeld liegt, auf die Kirmes. Der Kirmesvater, bei dem wir einkehrten, hatte eben gekrebset und wollte nebst anderen guten Gerichten auch die Krebse seinen Kirmesgästen vorsetzen lassen; denn er hatte außer vielen Landleuten auch hübsche Stadtleute bei sich, die bei solchen Gelegenheiten die Dörfer gern besuchen und mit Vergnügen den unschuldigen ländlichen Ergötzlichkeiten bei­wohnen. Kaum war ich die Krebse gewahr geworden, so sagte ich zu dem Kirmesvater insgeheim, dass ich mit den Krebsen einen Spaß machen wollte, was er denn auch zufrieden war. Ich ging daher in die Küche, tat die Krebse in eine Schüssel, goss Branntwein auf sie und brannte denselben an. Dadurch wurden die Krebse rot und lagen wie tot da. Hierauf ließ ich Petersilie darüber streuen und sie so auf den Tisch tragen. Als nun die Krebse herumgelegt wurden, erholten sie sich wieder und fingen an, auf den Tellern herumzulaufen. Dadurch wurden die Gäste in nicht geringe Verwunderung versetzt und brachen in ein lautes Gelächter aus. Hierauf wurden die Krebse ordentlich gesotten und verzehrt. Nach Tisch wurde mit der Karte gespielt und hei­tere Unterredungen gehalten. Der Schirrmeister nun, der ein ganz guter Knecht, aber ziemlich einfältig war, hatte sich auf die Tenne schlafen gelegt. Als ich dieses bemerkte, nahm ich Kienruß und Baumöl und machte ihm das ganze Gesicht schwarz. Hierauf musste ihn der Bauer rufen und ihm Geld geben, damit er auf die Pfarrei gehen sollte, um eine Karte zu kaufen. Der Knecht, der halb schlaftrunken war und sich nicht sogleich besinnen konnte, ging getrost zu der Pfarrwohnung. Als er die Tür geöffnet hatte und die Dienstleute ihn ansichtig wurden, lief alles vor ihm eilig davon, gleichsam als ob er der Kobold wäre. Selbst die Frau Magisterin verkroch sich voller Schrecken in den Keller.

Hans ging nichtsdestoweniger ganz getrost auf die Stube des Herrn Magisters los. Dieser fragte ihn voll Erstau­nen: »Je Hans, was macht Ihr denn?«

»Ich befinde mich ganz wohl, Herr Magister«, war seine Antwort, »und ich wollte mir für das Geld«, – welches er dem Pfarrer unterdessen in die Hände gedrückt hatte – »eine Karte ausbitten.«

Da fuhr ihn der Herr Magister gewaltig an, schärfte ihm das Gewissen und zeigte ihm seine schwarze und abscheuliche Gestalt. Hans war darüber erschrocken und bat den Pfarrer um Verzeihung. Darauf kam er so grimmig wie ein Bär wieder auf das Bauerngut gelau­fen und tat erschrecklich böse.

Nun musste ich notwendigerweise darauf sinnen, wie ich wohl Hans wieder besänftigen und befriedigen möchte, und dieses geschah denn folgendermaßen. Schulzens Suschen war ihm immer sehr spröde begegnet, und er hatte daher schon längst gewünscht, dass sie für ihre Sprödigkeit dermaleinst angeführt und bezahlt werden sollte. Ich machte mir diese Gelegenheit zu Nutzen und stellte nun die Sache so an, dass Suschen einmal ein vornehmes Frauenzimmer spielen sollte; ich dagegen wollte unterdessen mich als ihren Valer ausgeben, und dann sollten die jungen Bursche kommen und um sie als Braut werben. Der Gedanke, auf eine Zeitlang ein vorneh­mes Frauenzimmer vorzustellen, schmeichelte ihrer Eitelkeit, und der Name einer Braut machte sie vor Liebe ganz entzückt. Sus­chen musste sich also auf einen Stuhl setzen und ich deckte sie mit einem Tuch sauber zu, mit dem Vorgeben, dass man Schönheiten und Kostbarkeiten nicht allen Leuten sogleich zeigen, sondern die­selben sorgfältig verwahren müsste. Dies alles ließ sich Suschen gern gefallen.

Nun gab ich den anwesenden Mannspersonen Befehl, dass sie bei mir als Vater um Suschen anhalten und sie zur Braut begehren sollten. Diesen Mannspersonen aber hatte ich verschiedene Rollen zugeteilt und aus einem einen Kauf­mann, aus dem anderen einen Doktor, ferner einen Advokaten, einen Künstler, einen Bürger, einen Bauer und endlich einen Bet­telmann gemacht, sodass also jeder Gast eine solche Person vor­stellen musste. Ich setzte mich auf einen Stuhl neben meine Tochter als ein vornehmer Herr und ließ dann jeden von den Freiwerbern vor mich treten und ihn seinen Antrag vorbringen. Sie alle bekamen kurzweg abschlägige Antwort bis auf den Bettelmann. Als auch dieser endlich erschien und seine Worte anbrachte, glaubte er wirklich der Bräutigam meiner Tochter zu werden, weil er wusste, dass alle anderen deswegen abschlägige Antwort erhalten hatten, weil ich Suschen in keinen so hohen Stand verheiraten wollte. Allein, nachdem ich ihn ausgeforscht und erfahren hatte, dass er ein Bettelmann wäre, sagte ich, meine Tochter hätte bis­her sehr viele Freier gehabt, doch wäre keiner so glücklich gewor­den, sie zu sehen; ihm aber wollte ich sie zeigen. Bei diesen Wor­ten hob ich das über sie gedeckte Tuch auf. Suschen, von der ich sagte, dass sie schön wäre, war stolz auf diesen Lobspruch und brüstete sich deshalb sehr.

Der vorgegebene Bettelmann hingegen stand gleichsam bestürzt da und verstummte.

Nun fuhr ich in meiner Rede fort, indem ich unvermerkt eine Gelte mit reinem Brunnenwasser ergriff, welche ich in dieser Absicht heimlich hatte neben mich hinstellen lassen, und sagte: »Ehe ich mein Kind einem Bettelmann geben will, so will ich es lieber ersäufen.«

Bei diesen Worten goss ich Suschen das ganze Wasser über den Kopf. Suschen schnappte bei dieser Gelegenheit wie ein Vogel nach der Luft und sprang unter heftigem Murren vom Stuhl auf.

Ihr Vater jedoch und die übrige Gesellschaft versuchten sie durch Zureden zu besänftigen, sodass sie diesen Spaß nicht übel nahm, zumal da des Richters Sohn, der ihr Liebling war, ihr die nass gewor­dene Brust abtrocknete und sie ganz liebreich in die Wangen kniff.