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Fort Wayne – Band 2 – Schluss

F. Randolph Jones
Fort Wayne
Eine Erzählung aus Tennessee
Zweiter Band
Verlag von Christian Ernst Kollmann. Leipzig. 1854

Schluss

Fast zwei Monate waren verflossen seit den zuletzt er­zählten Ereignissen an den Ufern des Cumberland, als ganz Charleston durch ein von dem Obersten Beaufort, dem reichen Kaufmann und Plantagenbesitzer, gegebenes Fest in Bewegung gesetzt wurde. Sein reizendes Landhaus am Ufer des Edisto River war mit Gästen überfüllt – und liebe, werte Gäste mussten es sein, nach der heiteren und glücklichen Miene des Wirtes zu schließen, der es sich trotz der von allen Seiten angebotenen Hilfe nicht nehmen ließ, alle Ar­rangements selbst zu treffen und sich trotz seiner sech­zig Jahre zwischen einem Heer schwarzer und weißer Köche, hochbeladener Karren und schreiend und schwatzend umherrennender Diener von Tagesanbruch bis zum späten Abend herumzutummeln. Obwohl die rei­zende Natur des Südens über den lieblichen Flecken Erde ihre reichsten Segnungen, den vollen Zauber ih­rer verschwenderischen Schönheit ausgegossen hatte, war es dennoch der Kunst und der ordnenden Hand des Menschen vorbehalten, die üppige Szenerie noch glanzvoller zu schmücken und soweit dies durch Triumph bögen, Girlanden, bunte Lampen und Glaskugeln,

durch Transparente und großartige Feuerwerksvorrichtungen zu erzielen gewesen war, hatte in der Tat der gute Geschmack des Obersten sich selbst übertroffen.

Darin stimmten nicht nur die Scharen neugie­riger Charlestoner, welche mit echter Ungeniertheit der Yankees herauskamen und mit prüfenden Blicken Gar­ten und Zimmer, Salons und Küchen in Augenschein nahmen, sondern auch die zu Ross und zu Wagen, auf Tragsesseln und Booten angelangten Gäste überein. Die Honneurs machte zwar Oberst Beaufort selbst mit der anmutigsten Grazie der altfranzösischen Schule; wer aber die Ankömmlinge mit den herzlichsten Händedrücken, mit den innigsten Umarmungen und dem Lächeln des heitersten Willkommens begrüßte, das war das junge Ehepaar, dem zu Ehren dieses Fest aller Feste gegeben wurde: Richard Morris und die schöne Edista! Nicht nur die Hochzeit wurde nachgefeiert – auch ein Fest der Versöhnung mit dem Haupt der Familie war es, welches das lange entbehrte, schwer geprüfte Kind bei dessen Rückkehr in das Vaterhaus unter Tränen der Freude – und wohl auch der Reue – an das vereinsamt gewesene Herz gedrückt und auch dem wackeren Schwiegersöhne, dem Verkannten, schwer Gekränkten, rückhaltlos und voll ehrlicher Zuneigung die Hand geboten hatte. Sturm und Wetternacht waren verschwunden; hell strahlte die Sonne des rein­sten Glückes am Himmel der Familie und selbst die Erinnerung der vergangenen Leiden diente nur dazu, die Gefühle des Friedens und der Dankbarkeit gegen den Lenker der Schicksale zu erhöhen. Von keiner Seite war seit dem Tage der Wiedervereinigung ein Wort des Vorwurfes, des Tadels gefallen, denn wie sich alle nicht völlig freisprechen durften von einiger Schuld, so empfanden alle auch das Bedürfnis, sich umso herzlicher und vertrauensvoller aneinander zu schließen und sich und der ganzen Welt zu zeigen, dass kein Schat­ten zurückgeblieben, keine Bitterkeit zu überwinden war.

Welch ein Kranz glücklicher, froher Gesichter reiht sich um die mit Silbergeschirr, Blumen und flammen­den Kandelabern bedeckte Abendtafel unter dem reich­geschmückten Zelt auf dem Rasenplatze vor der Veranda des Landhauses! Und alle sind uns liebe Bekannte, etwa den Obersten ausgenommen, dessen kleines, aber scharf geprägtes Antlitz unter den weißen Wolken eines mächtigen wohlgepuderten Toupets beinahe verschwin­det. Er thront an der Spitze der Tafel zwischen sei­nen Kindern Richard und Edista, die sich selig zulächeln und sich über die Sessellehne des Obersten so oft die Hände reichen, dass Doktor Littlewood, der nächste Nachbar der Glücklichen, bereits den Verdacht ausgesprochen hat, es sei irgendeine schalkhafte Übel­tat mit dem stattlichen Zopf des Obersten im Werke. Neben dem heute völlig ausgelassenen und von tollen Einfällen übersprudelnden Doktor prangt Mrs. Bessy Beagle in Atlas und Spitzen und einer Überfülle goldener Ketten, Ringe und Behänge – im Gegen­satz zu dem zwischen Edista und Madelon sitzenden Bruder, dem wackeren, ehrwürdigen Major Murchinson, der klugerweise die Zeit bis zum Wiederaufbau von Fort Wayne benutzt hat, um nach erhaltenem Urlaub der dringenden Einladung Richards und seiner jungen Frau Folge zu leisten. Stattlich, etwas steif, wie im­mer, sitzt er da in der schlichten Uniform der Staaten – die altersgraue Eiche zwischen den beiden blühen­den Rosen, und sein martialisches Gesicht erhält ordent­lich einen Schimmer von Schönheit unter den Reflexen eines kindguten, biederen Herzens und der glücklichsten Laune, die ihn beseelt. Nun folgen in der Reihe Jacques Renaudot und sein liebliches Frauchen, das der Major bald Mary, bald Madelon nennt, wobei er für den ersteren, ihm lieb und gewohnt gewordenen Namen eine sichtliche Vorliebe zeigt. Wer hatte in diesem gutmütigen und doch intelligenten Gesicht, in diesem wohlfrisierten, zwar einfach, aber doch geschmack­voll nach der Mode gekleideten Gentleman den wilden, struppigen Akadier wiedererkannt, jene finstere, von einem schwarzen Pflaster entstellte Bukaniergestalt, die in den Gebirgen und Wäldern Tennessees düster und schweigsam einherschritt und glühende Blicke des Hasses auf den Mann schleuderte, an dessen Spur er sich als rächender Dämon geheftet hatte! Seht, wie herzlich er eben über ein Witzwort des Doktors lacht, wie er mit glückseliger Miene die schelmischen Blicke seiner Gat­tin gleichsam im Flug auffängt und mit komischer Grandezza er Mrs. Beagle um Erlaubnis bittet, mit ihr ein Glas Wein trinken zu dürfen! Auch Madelon sieht der traurigen, niedergebeugten Miss Mary nicht ähnlicher als der bleiche Mond der strahlenden Mor­gensonne, und wenn auch bei einem Blick auf den guten Obersten die Erinnerung an den eigenen Vater ein Wölkchen auf ihre Stirn ruft, so verschwindet es doch bald unter dem überströmenden Gefühl der Freude und inniger Dankbarkeit gegen Gott. Weiter un­ten ragen über die Schultern ehrsamer Bürger, Kauf­leute und Magistratspersonen von Charleston und deren Ladys vier jugendliche Köpfe hoch empor, alle seelenvergnügt ausschauend und mit wunderbar schnell ar­beitenden Kinnbacken versehen: die Gebrüder Morris – Frank, Reuben, Nathan, Benjamin. Hinter Edistas Stuhl spreizt sich in feuerroter, mit Litzen, Tressen und Knöpfen völlig überdeckter Lakaientracht die Perle der Schwarzen, Pompey, der Held vom Tennes­see, der Treuste der Treuen, dessen runde Augen unter dem Einfluss seines inneren stolzen Wonnege­fühls zehnmal größer erscheinen und zehnmal lebhafter umherrollen als sonst, umso mehr, da er keinen Augen­blick zweifelt, dass das Fest größtenteils ihm zu Ehren gegeben werde.

Aber vermissen wir nicht ein oder zwei teure Häupter in dieser fröhlichen Tafelrunde, da eben der Doktor, ohne auf das Aufstehen der Damen zu war­ten, das schöne Lied I never heard a sweeter song ... anzustimmen verschlägt? Wo ist Mr. Gloomy, der Typus aller alten Lieutenants der Union? Ach! Sein böses Geschick, welches nicht müde wird, den Armen zu verfolgen, fesselt ihn an die schwarzen, schmutzigen Trümmer von Fort Wayne, welches unter seiner spe­ziellen Leitung sich stärker und stattlicher als zuvor über den Spiegel des Cumberland erheben wird. Sicher hat es ihn tief betrübt, der Einladung Richards nicht Folge leisten zu können; aber wir dürfen glück­licherweise annehmen, dass diese Trauer urplötzlich sich in Freude und Wohlbehagen verwandeln werde, wenn erst ein gewisses Paket, welches Major Murchinson vor einer Stunde mit der Post erhalten hatte, an seine Adresse gelangt sein wird. Besagte Adresse nämlich zeigt in einer schönen, wohlgeschnörkelten Kanzleihand die herzerfreuenden Worte:

An Capitain Paul Gloomy usw. usw.

Ein gleiches Schicksal, d. h. nicht der Beförde­rung zum Capitain, sondern des Fernseins von der gastlichen Tafel des Obersten Beaufort teilt Mr. Jiggins, der, nach Littlewoods Urteil, zwar sehr prosaische und mangelhaft gebildete, aber durch und durch brave und in seinem Fach bewunderungswürdige Corporal. Wenn es für ihn einen Trost geben kann, sich ge­trennt zu wissen von denen, in deren Gesellschaft er die merkwürdigsten und inhaltsreichsten Tage seines Soldatenlebens zugebracht hat, so dürfte er wohl gleich­falls in der Gestalt eines netten Briefchens erscheinen, welches Morris gestern zur Post gab und in welchem, neben den Versicherungen freundschaftlicher Erinnerung eine kleine Anweisung auf eine gewisse Summe Dol­lar enthalten ist, die zu beliebiger Zeit in Louisville erhoben werden kann.

Die Tafel sollte eben aufgehoben und das Feuer­werk am Fluss in Augenschein genommen werden, als ein Diener dem Obersten einen sehr geschäftsmäßig aussehenden Brief mit dicken Siegeln überreichte. Beaufort erbrach ihn zerstreut, aber kaum hatte er einige Zeilen gelesen, als sich auf seinem Gesicht eine schmerz­liche Bewegung zeigte, die er, wenigstens vor den scharfen Blicken des Doktors, umsonst zu verbergen bemüht war.

»Nun, alter Freund!«, flüsterte dieser, wäh­rend das Geräusch vieler aufstehenden Personen und zurückgeschobener Stühle ihn mit Beaufort gewisser­maßen isolierte. »Eine schlimme Nachricht an diesem Freudentag? Habe ich recht, wenn ich vermute, dass der Chevalier de Raucourt etwas von sich hören lässt? Ja, ja – ein beleidigter Gläubiger ist ein schlim­mer Gläubiger!«

»Ihr habt recht und unrecht, Doktor!«, sagte der Oberst ernst. »Mein Sachwalter schreibt mir, dass de Raucourt auf seiner Reise nach dem Norden in Richmond plötzlich verstorben ist.«

»Ei! Ei! Solch ein kräftiger, kerngesunder Mann!«, murmelte der Doktor teilnehmend. »Und der geschäftliche Nachsatz? Denn sicher gibt es, nach dem hässlichen Aussehen des Briefes zu schließen, einen solchen?«

»Dieser Nachsatz besagt, dass der Chevalier vorher sein Testament gemacht und diese beiden jungen Frauen­, meine Edista und die hübsche Französin, zu gleichen Teilen als Erbinnen seines Vermögens ein­gesetzt hat.«

»Ich betrauere ihn, Beaufort – wahrhaftig, ich betrauere ihn aufrichtig!«, sagte der Doktor. »Gleichwohl«, setzte er leise hinzu, »kann ich nicht anders sagen, als dass er mit diesem Vermächtnis nur einen kleinen Teil seiner Schuldigkeit erfüllt hat. Er war ein gefährlicher Mann, Oberst! Und ohne das sichtbare Einschreiten der Vorsehung hätte er mehr Unglück veranlasst, als alle Reichtümer der Erde jemals wiedergutmachen könnten!«

Unter lautem, frohem Tumult eilte nun die Ge­sellschaft aus dem Zelt und wandelte in verschiedenen Gruppen, scherzend, lachend und plaudernd, dem Ufer des Flusses zu, um den des Festes würdigen Schluss, das prächtige Feuerwerk, zu bewundern.