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Vergessene Helden 17

Zwei ganz normale Frauen

Auf der Suche nach den oben erwähnten vergessenen Helden wurde unsere Kolumne diesmal bei den Fernsehserien im Krimigenre fündig. Die Protagonisten solch einer Filmreihe sind meistens Einzelpersonen, also Kommissar, Privatschnüffler oder Hobbydetektiv, oder aber gleich ein ganzes Ermittlerteam. Hin und wieder gab und gibt es jedoch auch Drehbuchautoren; die ein Duo bevorzugen; und der Erfolg gibt ihnen Recht.

Serien wie Mit Schirm, Charme und Melone, Die 2, Starsky & Hutch oder die deutsche Produktion Ein Fall für Zwei, die fast ununterbrochen seit 1981 im ZDF läuft, sind den meisten Zuschauern noch immer ein Begriff.

Seltsamerweise wird bei der Aufzählung dieser Serienproduktionen jedoch eine Reihe dabei immer wieder etwas stiefmütterlich behandelt, obwohl sie eigentlich im Genre der Krimiserien nicht nur unter Kritikern als wahre Perle gilt. Logisch, 22 Emmy Awards und ein Golden Globe sowie viele weitere Auszeichnungen kommen schließlich nicht von ungefähr.

Niemand weiß bis heute, was für ein Teufel die Verantwortlichen des amerikanischen Fernsehsenders CBS geritten hatte, als sie die Drehbücher der Autorinnen Barbara Avedon und Barbara Corday verfilmten und ab 1981 mit dem Titel Cagney & Lacey auf ihrem Sendekanal ausstrahlten. Zu groß war der Tabubruch, zumindest für die achtziger Jahre.

Okay, der Plot unterschied sich kaum von dem anderer Polizeiserien dieser Zeit. Erzählt wurde die Geschichte zweier Polizisten, in diesem Fall vom 14. Revier in New York City, die in ihrem täglichen Dienst außer Routinearbeiten immer wieder mit Vergewaltigung, Prostitution, Drogenhandel, Körperverletzung und Raub oder Kindesmissbrauch konfrontiert werden. Doch diesmal wurden die Polizisten durch zwei Frauen verkörpert, wie sie unterschiedlicher nicht hätten sein können. Christine Cagney, in den ersten sechs Episoden von Meg Forster gespielt, die ihre Rolle aber aufgrund ihrer Vertragsverpflichtungen in der Antikriegssatire M. A. S. H. aufgeben musste und danach von Sharon Gless ersetzt wurde, war laut Drehbuch eine Karrierefrau, dazu hübsch, blond und unverheiratet mit ständig wechselnden Beziehungen. Ihre Partnerin, Mary Beth Lacey, dargestellt von Tyne Daly, hingegen eine ganz normale, bodenständige Ehefrau und mehrfache Mutter, die ihren Beruf nicht allein als Mittelpunkt ihres Lebens ansieht. Ein Grund, weshalb die beiden Frauen immer wieder einmal aneinander gerieten und auch mit ein Grund, warum diese Serie auch heute noch als erster weiblicher Buddy Film gedeutet wird. Mehr noch, sie gilt auch als eine der ersten Krimireihen, in der weibliche Darsteller nicht nur als schmückendes Beiwerk dienten, sondern als gleichberechtigte und erfolgreiche Frauen in einem männlich dominierten Arbeitsumfeld dargestellt wurden.

Doch warum die ganze Aufregung um Cagney & Lacey? Weibliche Serienhelden gab es schließlich schon länger. Drei Engel für Charly oder Stefanie Powers als Jennifer Hart in Hart aber Herzlich sind nur zwei Beispiele von vielen, als da wären noch Angela Lansbury als Jessica Fletcher in Mord ist ihr Hobby oder Agatha Christies Miss Marple oder, oder, oder …

Die Antwort auf diese Frage ist so einfach wie banal. Zum ersten Mal überhaupt waren die Protagonisten keine kurvenreichen Traumfrauen, superintelligente Rentnerinnen oder wie Emma Peel unbesiegbare Geheimagenten, sondern Frauen von nebenan. Dazu kamen realistische Drehbücher, die ihren Alltag im Beruf und im Privatleben derart ungeschminkt beschrieben, dass sich viele Zuschauer in der Serie wiedererkannten.

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Die Realitätsnähe dieser Reihe wird bis heute gelobt und wir finden zu recht. Das mag im ersten Moment zwar sehr subjektiv klingen, aber im Ernst, wo wurden, in was für einer Krimiserie auch immer, Themen wie Brustkrebs, Implantate, Chemotherapien oder sexuelle Nötigung durch Vorgesetzte, die Cagney gegen allen Widerstand der hauptsächlich männlichen Belegschaft ihres Reviers zur Anzeige brachte, denn erwähnt? Wo war die bessere Hälfte einer dieser Protagonisten, ein einfacher Bauarbeiter, der seine Partnerin weder unterdrückt noch wütend über den Beruf seiner Frau ist, sondern sich bei Nachtschichten um ihre beiden Söhne und die Tochter kümmert, mit ihnen Videospiele spielt, kocht, beim Abwasch hilft und von einem eigenen Haus mit Garten träumt?

Gab es eine Protagonistin, deren Vater mit Alkoholproblemen zu kämpfen hatte, oder am Ende vieler Folge, dass der oder die Täter durch irgendwelche Anwaltstricks oder Gesetzeslücken auf freien Fuß blieben oder gleich gar nicht erwischt wurden? Wurde gezeigt, wie die Hauptdarsteller miteinander stritten, schrien, weinten, aber dennoch, wenn es hart auf hart kam, immer Seite an Seite standen?

In unserer heutigen, aufgeklärten Zeit vielleicht, aber nicht Ende der 70er oder Anfang der 80er Jahre, als Frauen noch stellenweise öffentlich als nicht relevant galten und deswegen gar nicht in Erscheinung traten, oder nur als helfende Figuren ohne tragende Rollen dargestellt wurden, wie beispielsweise kaffeekochende Sekretärinnen oder Verkäuferinnen mit hochgesteckten Haaren und devotem Lächeln. In dieser Zeit, als Frauen fast ausschließlich nur auf Figur, Frisur, Make-up und Kleidung definiert wurden und weniger auf Dinge wie professionelle Kompetenz oder Schlagfertigkeit, kam es einer Revolte gleich, dass im Fernsehen gezeigt wurde, wie eine Frau ihren Vorgesetzten vor Gericht zerrte, nur weil er ihr an den Hintern gefasst oder anzügliche Sprüche vom Stapel gelassen hatte, oder dass jene Protagonistin mit ihrer Freundin über Brüste, Amputationen und Sex mit ihren Beziehungen diskutierte.

Cagney & Lacey taten dies, was so manchen, hauptsächlich männlichen Zuschauer brüskierte. Vielleicht war das auch der Grund, weshalb CBS die Serie nach dem Pilotfilm und zwei Folgen bereits wieder absetzte.

Die Verantwortlichen störten sich auch daran, dass außer den schlechten Quoten Cagney zu karriereorientiert dargestellt wurde und so ganz und gar nicht der damaligen Auffassung von Weiblichkeit entsprach. Es kam daher gelegen, dass Meg Forster wegen anderer Verpflichtungen aus der Serie ausstieg. Man setzte mit Sharon Gless auf einen femininer wirkenden Frauentyp, änderte den Vorspann und die Titelmusik und überarbeitete die Kulisse des 14. Reviers.

1983 dann, mit Folge 29, wurde die Serie ein zweites Mal abgesetzt, weil irgendjemandem aus der Chefetage die Quoten nicht gefielen. Aber er hatte die Rechnung ohne die Fans gemacht. Diese versuchten durch Briefkampagnen und Protesten in den Printmedien die Serie zu retten. Die Aufmerksamkeit, die sie dabei erreichten, war so groß, dass die Zuschauerzahlen derart anstiegen, dass man in der Chefetage danach noch Episoden für insgesamt fünf weitere Staffeln sowie vier Spielfilme in Auftrag gab. So wurde schließlich eine Serie daraus, die von 1981 bis 1989 als Dauerbrenner im Fernsehen lief und mit vier Spielfilmen im Kinoformat in den Jahren 1996 und 1997 ihren Abschluss fand und dabei insgesamt mehr als zwei Dutzend der wichtigsten amerikanischen Fernsehpreise einheimste. Nicht schlecht für ein Projekt, das wegen angeblicher Erfolgslosigkeit schon zweimal eingestellt wurde.

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Zum Abschluss der Kolumne noch einige interessante Infos zur Ausstrahlung dieser Serie.  Cagney & Lacey startete am 8. Oktober 1981 mit dem gleichnamigen Pilotfilm. Allerdings nur in den USA, der Film wurde nie synchronisiert und bis heute nicht im deutschen Fernsehen ausgestrahlt. Am 29. März 1982 lief dann im amerikanischen Fernsehen Folge 1 mit dem Titel Bang, Bang, You’re Dead, die am 1. Oktober 2012 als Das 14. Revier beim Privatsender SAT.1 lief. Wobei die Ausstrahlung in Deutschland sowieso gelinde gesagt mehr als merkwürdig war, weil sie bei verschiedenen Sendern lief und das auch noch in einer nicht nachvollziehbaren Reihenfolge.

Den Anfang machte SAT.1, das nicht, wie eigentlich logisch mit dem Pilotfilm und Folge 1 mit der Ausstrahlung begann, sondern am 27. August 1987 die Serie mit der ersten Folge von Staffel II, Auf gute Zusammenarbeit, in diesem Fall Folge 7 startete. Danach folgten im wöchentlichen Rhythmus Episoden der Staffeln II bis IV. Die letzte Episode, die den Titel Die Zeugin trug, wurde am 9. Juni 1988 gezeigt.

Warum man dem Zuschauer dabei aus Staffel II die Folgen 10, 13, 25 und 28, aus Staffel III Folge 29 und aus Staffel IV die Folgen 36, 40, 54, 56 und 57 vorenthielt, weiß heute niemand. Vielleicht geschah dies aus rechtlichen Gründen, vielleicht fanden die Folgen dramaturgisch keine Gnade vor den Augen der SAT.1-Verantwortlichen, vielleicht war es auch eine Kostenfrage, wer weiß.

Nach einer kurzen Pause sendete SAT.1 vom 8. September 1988 bis 15. Juni 1989 wieder einmal pro Woche weitere Episoden aus den Staffeln V bis VII und ab Oktober 89 dann noch einmal 11 Folgen aus der letzten Staffel. Schluss war dann am 4. September 1990, als die beiden letzten Folgen, ein Zweiteiler mit dem Titel FBI schaltet sich ein (im Original übrigens A Fair Shake, Part 1 und Part 2) über den Bildschirm liefen. Damit war wenigstens der Abschluss der Serie gelungen, wenn auch noch etliche Folgen fehlten. Denn mit diesen beiden Episoden wurde die Reihe auch im Original beendet. Warum sich SAT.1 dann in den Jahren 1991 und 1995 dazu entschloss, bis auf die ersten 6 Folgen mit Meg Forster als Cagney in der Hauptrolle alle anderen noch fehlenden Episoden doch noch zu senden, ist ebenso merkwürdig wie die nachfolgenden Ausstrahlungen der Serie.

1996 war es das ZDF, das die ersten beiden Spielfilme Tödlicher Kaviar und Der Tote im Park sendete, die anderen beiden mit den Titeln Wer im Glashaus sitzt und Nichts als die Wahrheit strahlte jedoch VOX 1997 aus. Es dauerte danach weitere 15 Jahre, bis der deutsche Fernsehzuschauer endlich in den Genuss kam, jene 6 ominösen Folgen mit Meg Forster auch zu Gesicht zu bekommen. Diesmal war es der Sender sixx, der sich dieser Folgen angenommen hatte und sie 2012 ausstrahlte. Weitere acht Jahre später mischte ein fünfter Fernsehkanal bei den Senderechten mit. Im Herbst 2020 ging die komplette Serie dann bei ONE auf Sendung, wobei man hier erstmals im deutschen Fernsehen dem Fan auch den Originalton anbot. Danach kam bis heute nichts mehr, deshalb für Fans und solche, die es vielleicht auch werden wollen, abschließend der Hinweis, dass man bei Koch Media die gesamte Serie inzwischen als einzelne DVDs oder als Gesamtbox erwerben kann.

Quellenangabe:

(gsch)